Durch die erheblichen Veränderungen in der extremen Rechten Anfang der 2000er hat sich auch ein neuer Markt für eine geschäftstüchtige junge Generation von Neonazis etabliert. Mit Daniel Weigl und Patrick Schröder sind gleich zwei Aktivisten aus Bayern dabei, die an einer Modernisierung der Szene gearbeitet haben oder immer noch arbeiten.
Von Johannes Hartl und Felix M. Steiner
Fast dreißig Jahre ist es her, als sich rund um den „Rock against Communism“, also den heute bekannten Rechtsrock, eine eigene extrem rechte Subkultur entwickelte. In den zurückliegenden Jahrzehnten hat sich mit der Subkultur ein riesiger extrem rechter Szenemarkt entwickelt, der für die extreme Rechte produziert und von der Szene lebt. Mittlerweile existieren Zahlreiche Neonazi-Eigenmarken, Szenebands und Versände, die ihr meist subkulturelles Publikum mit allem versorgen, was das braune Herz begehrt. Waren es in den 1990er Jahren noch Glücksritter wie Thorsten Lemmer, haben sich Schritt für Schritt immer mehr Führungsfiguren der Szene mit einem eigenen Versand oder einer Kleidungsmarke selbstständig gemacht. So entwickelte sich neben Alt-Führungskadern wie Thorsten Heise mit seinem WB-Versand eine junge Generation, die heute durch den professionalisierten Handel die Szene versorgt oder in Grauzonenbereiche vorgestoßen ist.
Patrick Schröder – Simpsons statt 2. Weltkrieg
Einer dieser Nachwuchsunternehmer ist der Oberpfälzer Patrick Schröder. Seit fast 10 Jahren ist er mittlerweile Mitglied der NPD und hat sich wohl zu einem ihrer lautesten Nachwuchskader entwickelt. Ob Geschäftsführer der extrem rechten Marke Ansgar Aryan oder Kopf einer eigenen Internet-TV-Sendung: Seine Funktion ist die Einbindung des subkulturellen Spektrums. Dies allerdings ganz ohne plumpe Neonazi-Rhetorik und Skandale.
Vielmehr versucht Schröder mit einem kräftigen Schuss Selbstironie die üblichen Argumentationstrategien ins Leere laufen zu lassen. Zuletzt gastierte ein Team von Spiegel-TV in der Online-Sendung des Nachwuchskaders. Die üblichen die „Presse-lügt“-Argumente waren nicht zu hören. Ein kurzer Dialog zwischen Schröder und einem Spiegel-Reporter zeigt die Rhetorik des Oberpfälzers sehr gut: Als der Spiegel-Journalist Schröder während einer Schulungsveranstaltung vor rund 30 Neonazis fragt, was denn überhaupt gut gewesen sei am Nationalsozialismus, antwortet dieser nach kurzem Zögern deutlich: „Schauen Sie sich die Straftatstatistiken an … zum Beispiel“ und schnell setzt Schröder nach: „Kennen Sie nicht? Sie kennen nur 6. Millionen…ja, ist klar?!“ Die rund dreißig anwesenden Neonazis lachen und applaudieren ihrem „Stilberater“. Schröders Antwort ist kein Produkt einer versuchten Intellektualisieren, sie ist nicht besonders klug und ließe sich wohl auch schnell entkräften: Aber sie zeigt in der frechen und selbstbewussten Art Wirkung. Wirkung vor allem bei jenen, die eben sowieso nicht vor hatten sich ausgiebig mit dem Thema zu beschäftigen. Für Schröder ist der Weg klar: Wenn er Jugendliche erreichen will, muss er eher über die letzte Simpson-Folge sprechen als über den 2. Weltkrieg: Das ist Popkultur mit subtiler Ideologievermittlung.
Schaut man sich die Shirt-Aufschriften der Neonazi-Marke Ansgar Aryan an, für die der gelernte Informatikkaufmann als Geschäftsführer verantwortlich zeichnet, wird deutlicher, was er vertritt. Diese funktionieren ähnlich wie der Nachwuchskader selbst: alte Ideologie in schicker Aufmachung: „Volksgemeinschaft“ oder „Blitzkrieg“ ist dann dort zu lesen — aber schön modern. Ein Zweifel an der Ausrichtung der Träger oder Produzenten bleibt da kaum noch.
Und die Marke wird immer präsenter. Egal ob „Rock für Deutschland“ oder „Thüringentag der Nationalen Jugend“: 2013 schien Schröder omnipräsent bei extrem rechten Großveranstaltungen. Wo andere Neonazis Journalisten am Rande angreifen oder bedrohen, versucht Schröder mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Und da der umtriebige Geschäftsmann offensichtlich wenig Lust hat, immer nur auf den Rechtsrock-Veranstaltungen anderer seinen Stand zu betreiben, organisierte Schröder 2013 erstmals einen eigenen Rechtsrock-Abend im bayrischen Scheinfeld. Das „Live H8“ trägt die provokative Anspielung schon im Namen. Rund tausend Neonazis zog es ins Dörfchen Scheinfeld. Für 2014 ist bereits die zweite Runde des Events angekündigt.
Daniel Weigl: NS-Ideologie im modernen Gewand
An einer optischen Modernisierung des Rechtsextremismus arbeitet aber nicht nur NPDler Schröder. Mit Daniel Weigl versuchte über mehrere Jahre hinweg auch ein Führungsaktivist des mit der Neonazi-Partei verfeindeten Kameradschaftsdachverbands „Freies Netz Süd“ (FNS), dem äußerlichen Auftreten der Szene ein modernes und zeitgemäßes Image zu verpassen.
Nur knapp ein Jahr nach der Entstehung der Kameradschaft „Widerstand Schwandorf“ unter der Leitung von Daniel Weigl etablierte der mehrfach vorbestrafe Neonazi-Aktivist im August 2010 den „Final-Resistance“-Versand unter dem Motto „True NS Streetware“. Von seinem Wohnort im oberpfälzischen Wackersdorf versorgte Weigl die extreme Rechte in- und außerhalb Bayerns lange mit Bekleidung, Devotionalien, RechtsRock-CDs, Propagandamaterialien und ähnlichem mehr.
Dabei hob sich der Online-Shop des Schwandorfer Neonazis in vielerlei Hinsicht von klassischen Szene-Läden ab: Durch das moderne Design zahlreicher Produkte sowie der Umdeutung von ursprünglich aus der linken Szene bekannten Motiven im Sinne der neonazistischen Ideologie brach „Final Resistance“ mit zahlreichen Konventionen innerhalb der bayerischen Szene.
Anders als beispielsweise der 2003 gegründete „Versand der Bewegung“ des Murnauer NPD-Aktivist Matthias Polt griff Weigl weit verbreitete subkulturelle Motive auf — ohne jedoch bei der Radikalität Abstriche in Kauf nehmen zu müssen. So finden sich im Sortiment des Versands moderne Jogginghosen mit dem Aufdruck „NS-Hardcore“, T-Shirts mit dem Spruch „Fuck Nazis – Fickt mehr Nazis“ oder aber ein Motiv mit drei schreienden, teils maskierten jugendlichen Gesichtern unter dem Motto „Eine Jugend rebelliert – Trotz Verfolgung und Verboten“. Angelehnt an das beliebte „I-love-NY“-Motiv bietet der Online-Versand sogar ein Shirt in identischer Aufmachung mit dem Slogan „I-love-NS“ an, wobei das Kürzel „NS“ bei den angebotenen Produkten wohl für „Nationalsozialismus“ steht.
NS-Nostalgie für Jugendliche
Mittels derartiger Motive konnte Weigl in Bayern die für die Szene typische NS-Nostalgie mit einem modernen Design verbinden, das auch Jugendliche ansprechen könnte. Lange Zeit über hatte die Neonazi-Szene in Deutschland das Problem, dass ihr modisch zumeist streng reglementierest Auftreten kaum zeitgemäß war, was wiederum viele Jugendliche und junge Erwachsene – immerhin einer der wichtigsten Zielgruppen der extremen Rechten – abgeschreckt haben dürfte; doch die Zeiten sind vorbei. „Final Resistance“ steht damit ganz maßgeblich in der Tradition der Anfang des Jahrtausends entstandenen Autonomen Nationalisten (AN), die erstmals in größerem Umfang eine klare NS-Ausrichtung propagierten, dies aber mit Einflüssen aus der Popkultur sowie individuellen Freiheit ihrer Aktivisten bei Kleidungsstil, Lebensgewohnten und Musikgeschmack zu kombinieren wussten.
Dadurch erlange auch der Online-Shop innerhalb kurzer Zeit Bekanntheit und wurde schnell auf zahlreichen Neonazi-Websites im Freistaat – darunter auch beim FNS – verlinkt, was ihm Werbeaktionen bei extrem rechten Veranstaltungen ermöglichte. Neben Verkaufs- bzw. Infoständen am „Nationalen Frankentag“ des FNS im September 2012 war „Final Resistance“ daher in den letzten zwei Jahren auch beim bundesweit bedeutenden RechtsRock-Event „Rock für Deutschland“ (RfD) im thüringischen Gera vertreten.
Ende November 2013 hat der Schwandorfer Neonazi – verbunden mit den schon lange zuvor zurückgegangenen Aktivitäten der von ihm geleiteten Gruppen – den Versand abgetreten. Seither wird der Shop von seinem neuen Standort im oberfränkischen Oberprex im Landkreis Hof von den beiden FNS-Führungskadern Tony Gentsch (Oberprex) und Matthias Fischer (Fürth) betrieben. Ansonsten hat sich aber – abgesehen von einer geringfügigen Erweiterung des Sortiments – an der programmatisch-stilistischen Ausrichtung wenig geändert. Das unter Weigl etablierte Konzept, NS-Ideologie modern zu verkaufen, wird auch weiterhin verfolgt.
Um Weigl selbst ist es – trotz zurückgegangener Aktivitäten – allerdings nicht gänzlich still geworden. Bayerns Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) hat den Neonazi-Aktivisten nämlich im Umfeld eines lokalen Tattoo-Studios in Schwandorf beobachtet, das „im September 2013 von einem anderen hier bekannten Rechtsextremisten angemeldet“ worden ist, so die Behörde.
Zwar sei Weigl dort „weder als Gewerbeinhaber noch als Mitarbeiter verzeichnet“, doch wäre er zumindest „in der Vergangenheit wiederholt vor Ort anzutreffen“ gewesen. Dieses Tattoo-Studio direkt in der Schwandorfer Innenstadt richte sich mit seinem Angebot „an die Bedürfnissen eines rechtsextremen (Jugend)-Lifestyles“, antwortet der bayerische Verfassungsschutz auf eine Anfrage des Störungsmelders. Aus diesem Grund „könnte sich das Studio“, so das BayLfV, „als Anlaufpunkt für die rechtsextremistische Szene entwickeln“.
„Staatsschutzquatscher“ Schröder stößt in der Szene auch auf Ablehnung
Patrick Schröder und Daniel Weigl verfolgen beziehungsweise verfolgten damit ähnliche Ziele. Doch trotz identischer Ausrichtung und Konzepte beim Vertrieb extrem rechter Produkte unterscheiden sich die beiden Neonazis erheblich voneinander. Während Schröder gezielt auf Medien zugeht oder sogar selbst mediale Angebote gestaltet, war Weigl bis zu seinem Rückzug – zumindest nach außen hin – eher ein stiller Kader. Zwar war er in der Vergangenheit auf zahlreichen Neonazi-Events als Redner oder als Vertreter des „Final-Resistance“-Versand präsent, doch hielt er sich gegenüber der medialen Öffentlichkeit stets bedeckt.
Obwohl Schröder mit seinem Konzept regelmäßig Aufmerksamkeit erweckt und ihm 2013 mit dem „Live-H8“-Konzert das seit Jahren größte RechtsRock-Event in Bayern gelungen ist, ist der NPD-Aktivist innerhalb der extremen Rechten nicht unumstritten. Allen voran in den Reihen des „Freien Netzes Süd“ stößt der NPDler auf Ablehnung. Den dort aktiven Neonazis gilt er als „Systembüttel“ und „Staatschutz-Quatscher“, der „in der Vergangenheit mehrmals durch unkameradschaftliches und unloyales Verhalten negativ in Erscheinung“ getreten sei.