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Prozess nach Neonaziattacke in Halle: Angriff mit System?

 

In Halle sind zwei Neonazis angeklagt, weil sie bei einer Demonstration Menschen brutal angegriffen haben sollen. War die Tat ein Gemeinschaftswerk der rechtsextremen Szene?

Prozess nach Neonazi-Attacke in Halle: Angriff mit System?
Einer der Angreifer stürmt am Rande der Maidemo in Halle auf Opfer zu. © Henrik Merker

Es waren brutale Jagdszenen, die sich am 1. Mai 2017 im sachsen-anhaltischen Halle an der Saale abspielten: Am Rande einer Maidemonstration warf eine Gruppe Neonazis Steine, Flaschen und Böller und ging mit Schlagstöcken, Reizgas und einem Stück Starkstromkabel auf andere Menschen los. Ab heute, rund anderthalb Jahre später, müssen sich zwei der mutmaßlichen Angreifer wegen schwerer Körperverletzung vor dem Landgericht Halle verantworten.

Der in Hessen lebende 40-jährige Carsten M. und seine Freundin, die 42-jährige Martina H., sollen aus Autos heraus Steine geworfen haben, auf Gegendemonstranten und auf Mitglieder einer zufällig vorbeikommenden Wandergruppe. Anschließend schlug M. laut Anklage mit dem schweren Kabel auf zwei der Wanderer ein, einer von ihnen erlitt eine Gehirnerschütterung.

Ließ der Fall die Staatsanwaltschaft kalt?

Die Gruppe trug T-Shirts mit den Aufschriften „Aryans“ und „Support your race“ („Arier, unterstützt eure Rasse“). In der Wohnung von M. fanden Polizisten zudem neben Waffen etliche Devotionalien aus der Hitler-Zeit wie eine SS-Flagge, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Der Vorfall von Halle – unzweifelhaft ein Fall rechtsextremer Gewalt. Der Fall zeige „die massive Brutalität, mit der organisierte Neonazis gegen Migranten, politische Gegner, nicht-rechte Jugendliche und sogar völlig Unbeteiligte vorzugehen bereit sind“, sagte kurz danach der Grünen-Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel gegenüber ZEIT ONLINE.

Die hallesche Staatsanwaltschaft jedoch sah den Fall der Aryans-Gruppe offenbar als deutlich weniger gravierend an. Vor einem Jahr erhob sie Anklage vor dem Amtsgericht – der niedrigsten Instanz der deutschen Gerichtsbarkeit. „Das hat gezeigt, dass die Staatsanwaltschaft Halle extrem rechte Gewalt bagatellisiert“, sagt der Berliner Anwalt Sebastian Scharmer gegenüber dem Störungsmelder. Er vertritt einen der Verletzten, der als Nebenkläger am Prozess teilnimmt. Eine Verhandlung vor dem Amtsrichter wäre demnach „überhaupt nicht angemessen“ gewesen.

Auf Antrag einer anderen Nebenklageanwältin kam der Fall daraufhin vor das Landgericht – gegen den Widerstand der Staatsanwaltschaft. Denn die zuständige Staatsanwältin betrachtete das Delikt als Alltäglichkeit, wie sie in einer Stellungnahme deutlich macht, aus der die Süddeutsche zitiert: „Die von den Angeklagten gezeigte Aggressivität geht nicht über das hinaus, was bedauerlicher Weise im Umfeld sogenannter politischer Veranstaltungen inzwischen üblich ist.“

Waffenarsenal in der Wohnung

Für Anwalt Scharmer hat der Angriff indes noch eine ganz andere Qualität: Er sei nicht die Tat zweier Einzeltäter, sondern gezielt aus einer rechtsextremen Struktur heraus begangen wurden. An der Jagd, die den Attacken mit Steinen und Kabel vorausging, seien acht bis zehn Neonazis beteiligt gewesen, alle bekleidet mit den gleichen „Aryans“-T-Shirts, unterwegs in Autos mit Kennzeichen aus Hessen und aus Bayern. Seine Schlussfolgerung: Rechtsextreme Kameraden hätten die Tat über Bundesländergrenzen hinweg koordiniert.

Die Nebenklage hofft nun, dass das bis Anfang Februar angesetzte Verfahren Aufklärung bringt – über mögliche Helfer und Mittäter, womöglich auch über weitere geplante Straftaten. Immerhin lagerte der Angeklagte Carsten M. in seiner Wohnung ein wahres Waffenarsenal: Pistolen, Messer und Armbrüste fanden die Polizisten bei der Hausdurchsuchung. Anwalt Scharmer sagt, es sei klar, dass die Neonazis „nicht zum Kaffeetrinken nach Halle gekommen sind“.