Im Prozess zum Anschlag von Halle provoziert der mutmaßliche Täter die Opfer. Im Interview erzählen drei ihrer Anwälte, wie sie mit seiner Propagandashow umgehen.
Seit gut einem Monat steht in Magdeburg der mutmaßliche Attentäter von Halle vor Gericht. Stephan B. hat zugegeben, im Oktober 2019 die Synagoge der sachsen-anhaltischen Stadt angegriffen und im Anschluss zwei Menschen erschossen zu haben. Der Angeklagte ließ sich von antisemitischen und rassistischen Motiven leiten, seine Tat übertrug er live ins Internet. Heute geht das Verfahren nach mehrwöchiger Pause weiter.
43 Nebenklägerinnen und Nebenkläger nehmen daran teil – Angehörige der Mordopfer und Menschen, die zur Tatzeit in der Synagoge ausharrten, während Stephan B. draußen um sich schoss und Sprengsätze zündete. Wie erleben die Betroffenen das Verfahren? ZEIT ONLINE hat mit den Anwälten Kristin Pietrzyk, Alexander Hoffmann und Gerrit Onken gesprochen. Sie vertreten die Nebenkläger vor dem Oberlandesgericht – und müssen mit den Provokationen des Angeklagten umgehen.
Im sachsen-anhaltischen Halle verklagt die AfD den Stadtrat. Die Partei wollte vier sachkundige Bürger mit Kontakten zu Rechtsextremen im Parlament unterbringen.
Die Verbindungen der AfD ins Neonazimilieu sind kein Geheimnis. Abgeordnete aus ihren Reihen treffen sich mit Rechtsextremen, Fraktionsmitarbeiter pflegen enge Kontakte in die Szene. Auf kommunaler Ebene hat die Partei einen weiteren Weg gefunden, Anhänger mit rechten Beziehungen nahe ans Zentrum der Macht zu bringen: Die AfD nominiert sie als sogenannte sachkundige Einwohner.
Rechtsextremisten haben in Magdeburg der Bombenopfer des Zweiten Weltkriegs gedacht – mit manipulierten Zahlen. Mit Märschen wie diesen will sich die NPD erneut in Stellung bringen.
In der Innenstadt von Magdeburg mischt sich die sparsame Straßenbeleuchtung mit dem Blaulicht der Polizeifahrzeuge. Die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt ist am Freitagabend Bühne für einen Neonazimarsch. In Formation schreitet eine Gruppe aus 160 Demonstranten und Demonstrantinnen, die meisten in Schwarz gekleidet, vom Stadtteil Buckau in die Innenstadt. Sie schwenken Fahnen, entzünden Fackeln. Mit dem Trauermarsch, wie Rechtsextreme die Veranstaltung nennen, soll vorgeblich an die Bombardierung Magdeburgs während des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren erinnert werden.
Auf der Sommerakademie des Instituts für Staatspolitik kommen Kräfte der rechtsextremen Identitären Bewegung zusammen. Die AfD schickt die Vorsitzende ihrer Bundestagsfraktion.
Im sachsen-anhaltinischen Schnellroda finden seit 20 Jahren Veranstaltungen des Instituts für Staatspolitik (IfS) statt. NPD-Politiker, Funktionäre aus deren Jugendorganisation und Mitglieder der erst später entstandenen Identitären Bewegung sind gern gesehene Gäste. CDU-Politiker wie Martin Hohmann, die früher Vorträge bei den Veranstaltungen hielten, sitzen heute für die AfD in den Parlamenten.
Die rechtsextreme Identitäre Bewegung unterhält ein eigenes Haus im sachsen-anhaltischen Halle – als Knotenpunkt für die Szene von der Neuen Rechten bis zur AfD. Doch von ihren großen Plänen ist nicht mehr viel übrig.
An der Universität im sachsen-anhaltischen Halle steht ein altes Haus, von oben bis unten mit Farbe besprüht. Eine Kamera auf halber Höhe hat den Fußweg im Blick. Die Fenster verrammelt, sieht es beinahe verwaist aus. Doch an der Klingel steht ein Name: Dorian S. – einer der Gründer des Flamberg e.V., der seit Sommer 2018 das Erdgeschoss betreibt.
Hinter dem Verein stehen Aktivisten der rechtsextremen Identitären Bewegung. Das Haus ist ihr Projekt. Als es vor rund zwei Jahren bekannt wurde, galt es als große Hoffnung der Szene, als Modellprojekt der mannigfaltigen Neuen Rechten. Die sich dort tummeln, lassen erkennen, dass es keine Grenzen mehr gibt zwischen AfD, Neuer Rechter und der Identitären Bewegung. Doch mittlerweile bröckelt die Unterstützung für das Gemeinschaftswerk. Obwohl noch zahlreiche Organisationen unter der Adresse gemeldet sind, ist eine deutliche Ernüchterung eingetreten.
Die Identitäre Bewegung wird vom Verfassungsschutz beobachtet, von Neonazis grenzt sich die Gruppe nicht ab. Eine Demonstration in Halle an der Saale ist ihren Anhängern am Samstag misslungen.
Es ist Nacht am Steintor-Campus in Halle an der Saale. Im strömenden Regen springen sich betrunkene Rechtsextreme mit nacktem Oberkörper an, zwei andere schwenken schwarz-gelbe Fahnen mit dem Logo der Identitären Bewegung. Der Tag ist für sie nicht gut gelaufen. Sie wollten demonstrieren, Hunderte Anhänger der rechtsextremen Organisation sollten durch die sachsen-anhaltinische Stadt laufen. Ihr Plan ging nicht auf.
In Halle kandidieren Rechtsextreme trotz Abgrenzungsbeschluss für die AfD: eine Identitären-Aktivistin und ein Organisator der rassistischen Montagsdemonstrationen.
Die AfD in Magdeburg will Migranten mit zweifelhaften Behauptungen als Verbrecher abstempeln. Eine dubiose Bürgerinitiative trägt die Hetze mit einem Fackelmarsch auf die Straße.
Der Hasselbachplatz ist in Magdeburg ein Knotenpunkt in vielerlei Hinsicht. Einmündende Straßen machen ihn zur Verkehrsgabelung, Bars und Diskotheken zum Kneipenzentrum – und etliche polizeilich festgestellte Straftaten zu einem Kriminalitätsschwerpunkt der Hauptstadt Sachsen-Anhalts. Über die Ursachen besteht weitgehend Einigkeit: Die Polizei verzeichnet einen hohen Anteil alkoholisierter Jugendlicher als Täter, Medien berichten von Ausschreitungen betrunkener Fans eines örtlichen Fußballclubs.
Nur die AfD hat eine ganz andere Gruppe als Urheber ausgemacht: Migranten. Was auf dem Platz passiert, das zeige, wie „mit der unkontrollierten Massenzuwanderung seit 2015 auch die Kriminalität zugewandert“ sei, erklärte der AfD-Landtagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt. Vorausgegangen war die Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage vom Frühjahr 2019, die Schmidt gestellt hatte. Nur: In der Antwort steht nichts über die Herkunft der Tatverdächtigen. Woher der Abgeordnete seine Behauptung nimmt, bleibt unklar.
Wegen eines Angriffs auf Demonstranten sind zwei Neonazis in Halle an der Saale zu Haftstrafen verurteilt worden. Nach dem Urteil sind noch viele Fragen offen – auch zu den Plänen ihrer rechtsextremen Kameradschaft.
Er warf mit Steinen und Flaschen, drosch mit einem Kabel auf Passanten ein: Wegen eines Gewaltexzesses nach einer Demonstration im sachsen-anhaltischen Halle an der Saale ist ein hessischer Neonazi zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Seine Partnerin, die ebenfalls Steine geworfen hatte, erhielt ein Jahr und zwei Wochen auf Bewährung.
Damit steht offiziell fest, worum es sich bei der Tat vom 1. Mai 2017 handelte: eine Hetzjagd. Die Angeklagten Carsten M. und Martina H. hätten „eine Jagd auf Gegendemonstranten aus Frust über die abgesagte Demonstration“ veranstaltet, heißt es im Urteil des Landgerichts vom Freitag. Die Vorsitzende Richterin Sabine Staron sah darin eine „erhebliche Gewaltbereitschaft und erhebliche Gewaltausübung“.
Bislang ließ die NPD ihre Anhänger bei Trauermärschen für deutsche Kriegsopfer durch Magdeburg ziehen. Jetzt hat der Pegida-Ableger Magida übernommen – aber nicht ohne Unterstützung der alten Kader.
In dunkler Kleidung, flankiert von schwarzen Fahnen, marschieren rund 140 Rechtsextreme durch die Straßen der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt Magdeburg. Aus Lautsprechern dröhnt düstere Instrumentalmusik, zum Ende hin tragen die Demonstranten Fackeln. Sie selbst nennen den von Polizisten flankierten Aufzug am Samstagnachmittag einen Trauermarsch – organisiert von Magida, dem Magdeburger Ableger der rechtspopulistischen Bewegung Pegida.