Unter dem Namen „Prollcrew Schwandorf“ firmiert in der Oberpfalz seit 2012 eine Gruppierung, die sich nach Kräften als unpolitisch inszeniert. Dabei nimmt die Vereinigung seit mehreren Jahren regelmäßig an einschlägigen neonazistischen Aktionen teil.
Militant und sportbegeistert: Mit diesem Profil präsentiert sich eine Gruppierung namens „Prollcrew Schwandorf“ auf Facebook. „Wir stehen auf Fußball und Gewalt“, heißt es dort, „auf Freundschaft und Zusammenhalt.“ Ihrem Selbstbild folgend handelt es sich um eine unpolitische Vereinigung, die eine gemeinsame Leidenschaft für Sport teilt. Dies verbinde sie mit regelmäßigen Freizeitaktivitäten sowie mit gelegentlichen Auslandsreisen, insbesondere in verschiedene europäische Staaten. Auf den ersten Blick unterscheidet sich ihr Auftreten kaum von dem anderer Organisationen dieser Art, die die sozialen Netzwerke zur eigenen Profilierung entdeckt haben.
Doch tatsächlich ist die „Prollcrew Schwandorf“ eine konspirativ organisierte Neonazi-Gruppierung, die offenbar über gute Verbindungen in die extreme Rechte verfügt. Entstanden ist die knapp 20-köpfige Vereinigung im Jahr 2012. Die örtliche Neonazi-Szene befand sich damals in einem Umbruch, nachdem die langjährige Kameradschaft „Widerstand Schwandorf“ ihre Aktivitäten allmählich zurückgefahren hatte. Im Laufe der folgenden Jahre ist sie dann vollständig von der Bildfläche verschwunden, hat an keinen auswärtigen Aktivitäten mehr teilgenommen und keine lokalen Aktionen mehr durchgeführt. Ungefähr in diesen Zeitraum fällt die Gründung der neuen Gruppe, die eine eher subkulturelle Prägung aufweist. Ihre Mitgliederzahl war in der ersten Zeit zwar noch vergleichsweise niedrig, ist aber langsam angewachsen, als eine zweite Generation von Aktivisten zu der Vereinigung hinzugestoßen ist.
Unpolitisch? Von wegen!
Bei den Mitgliedern der „Prollcrew“ handelt es sich daher teilweise um Personen, die bereits im Umfeld der extremen Rechten aufgefallen sind. Unter ihnen befindet sich Simon G., Mitarbeiter eines ortsansässigen Tattoo-Studios. Er war 2016 eigens nach Dortmund gereist, um dort am „Tag der deutschen Zukunft“ teilzunehmen. An dem bekannten Aufmarsch beteiligten sich rund 900 Neonazis, darunter einschlägige Funktionäre wie Thorsten Heise oder Sven Skoda. Im selben Jahr wurde Matthias E., ein weiterer Aktivist der „Prollcrew“, im oberfränkischen Wunsiedel als Teilnehmer eines „Heldengedenkens“ beobachtet, das die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“ organisiert hat. Das geht aus der Broschüre „Braune Soße aus Nordbayern“ hervor.
Die Teilnahme an solchen Aktionen ist kaum ein Zufall, wirft man einen genaueren Blick auf die bisherigen Aktivitäten, die die „Prollcrew“ seit ihrer Gründung entfaltet hat. Neben den internen „Freizeitaktivitäten“ spielen hier vor allem die sogenannten Auswärtsfahrten eine zentrale Rolle. Unter diesem Begriff verstehen die Neonazis verschiedene Ausflüge, die sie entweder innerhalb Deutschlands oder in europäische Nachbarländer unternehmen. Eine ihrer ersten Reisen führte sie demnach am 29. April 2016 nach Slowenien. Auf Facebook hatte sie diesen vermeintlich harmlosen Ausflug im Vorfeld mit dem Kommentar „Slowenien wir kommen“ angekündigt. Nur einen Tag später fand hier ein Konzert anlässlich des 15-jährigen Bestehens des lokalen „Blood and Honour“-Ablegers (B&H) statt. Die militante Organisation ist mit ihrer hiesigen Niederlassung seit 2000 in Deutschland verboten. Bis heute gilt B&H als eines der weltweit wichtigsten neonazistischen Netzwerke, das mit „Combat 18“ sogar über einen eigenen bewaffneten Arm verfügt.
Für die Prollcrew sollte das nicht die einzige einschlägige Reise bleiben. Bereits wenige Tage nach ihrem Ausflug veranstalteten deren Aktivisten eine weitere „Auswärtsfahrt“ – diesmal ins thüringische Hildburghausen. Der Neonazi-Funktionär Patrick Schröder, bekannt als Moderator des rechten Podcasts „FSN.TV“, hatte in der Kleinstadt am 07. Mai 2016 das Rechtsrock-Festival „Rock für Identität“ organisiert. Mit knapp 3.500 Besuchern zählte das braune Open-Air zu eine der größeren Szene-Veranstaltungen, die viele bekannte Akteure anziehen konnte. Darüber hinaus postete die „Prollcrew“ im Oktober 2016 ein Foto, das mit „Liebesgrüße aus der Schweiz“ unterzeichnet war. Kurz zuvor hatte dort in Unterwasser das bis dahin größte Rechtsrock-Konzert seit 20 Jahren stattgefunden, das rund 5.000 Besucher angelockt hat. Als Organisatoren sollen sich Personen hervorgetan haben, die dem B&H-Netzwerk angehören.
Reise nach Ungarn
Auch 2017 und 2018 haben sie diese Aktivitäten nahtlos fortgeführt. So war die Gruppierung am 15. Juli 2017 beispielsweise mit einer Delegation als Teilnehmer beim „Rock gegen Überfremdung“ in Themar vertreten, einem kleinen Ort in Thüringen. Bei dem Konzert marschierten sie teils mit einheitlicher Bekleidung auf, die das Logo ihrer Gruppierung zeigte: Ein P in alter Schrift, umgeben von einem Lorbeerkranz. Das braune Festival war mit knapp 6.000 Teilnehmer eine der größten Veranstaltungen dieser Art, die in Deutschland je stattgefunden hat.
Besonders interessant ist zudem eine Reise aus dem Jahr 2018 nach Ungarn. Am 10. Februar postete die „Prollcrew“ auf Facebook ein Foto aus der Hauptstadt Budapest, das zwei ihrer Aktivisten mit einer Fahne mit ihrem Logo abbildet. Drei Tage nach diesem Beitrag fand am 13. Februar in der Stadt der „Tag der Ehre“ statt, an dessen Organisation ebenfalls der lokale Ableger von B&H beteiligt war. Der dortige Aufmarsch ist für die militante Szene seit jeher einer der zentralen Termine, an dem sich Neonazis aus allen Teilen Europas beteiligen. Aus Deutschland hatte zuletzt vor allem die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“ regelmäßig eine Delegation nach Südeuropa entsendet, darunter auch einige führende Funktionäre aus Bayern.
Eine Tatsache, die selbst der Verfassungsschutz für keinen Zufall hält. Dessen Sprecher Markus Schäfert schätzt es als „wahrscheinlich“ ein, „dass Mitglieder der Gruppierung aus diesem Grund in Budapest waren“, sagt er auf Anfrage des ZEIT ONLINE Störungsmelder. Über die Aktivitäten der „Prollcrew“ würden demnach „tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne der gesetzlichen Aufgabenstellung des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz“ vorliegen. Außerdem verfügt die Behörde über Erkenntnisse, so Schäfert, wonach „einzelne Mitglieder (…) Bezüge in die rechtsextremistische Szene“ aufweisen. Als Beispiel nennt der Regierungsdirektor entsprechende Präsentationen auf Facebook, wo sich einzelne Mitglieder in „szenetypischer Kleidung“ gezeigt sowie auf „rechtsextremistische Musik“ Bezug genommen hätten.
Offene Gewaltverherrlichung
Über die ideologischen Zielsetzungen der Gruppierung ist bislang zwar nichts konkretes bekannt. Die konspirative Ausrichtung der „Prollcrew“ bringt es mit sich, dass diese keine Strategietexte veröffentlicht oder sich an Debatten der Szene beteiligt, die einen tieferen Einblick in ihre Weltanschauung gewähren würden. Ihr Auftreten ist jedoch geprägt von einer offenen Gewaltverherrlichung sowie von einem für die Szene typischen Männlichkeitsbild. Die regelmäßige Teilnahme an verschiedenen Konzerten legt zudem den Schluss nahe, dass die Vereinigung tief in das extrem rechte Milieu verstrickt ist, denn das Rechtsrock-Umfeld ist traditionell konspirativ organisiert. Um staatliche Exekutivmaßnahmen zu vermeiden, agieren dessen Aktivisten weitgehend wie eine verschworene Gemeinschaft. Zu derartigen Veranstaltungen wird dementsprechend vielfach im Geheimen mobilisiert, zum Beispiel über geschlossene Gruppen oder SMS-Verteiler. Die Mitglieder werden dann einzeln über die Location benachrichtigt, ohne dass Außenstehende hiervon Kenntnis erlangen. Das lässt sich exemplarisch an dem Rechtsrockkonzert in Unterwasser belegen, für das die Szene ausschließlich intern geworben hat. Es setzt also eine gewisse Einbindung in deren Strukturen voraus, dass die „Prollcrew“ überhaupt von dem neonazistischen Festival erfahren konnte.
Die Aktivitäten der Gruppierung sollten deshalb genau beobachtet werden. Sie entfaltet derzeit zwar keine Umtriebe in Form von Demonstrationen oder Flugblattverteilungen, die die Öffentlichkeit unmittelbar tangieren. In der subkulturellen Ausrichtung der „Prollcrew“ und in ihrer regelmäßigen Teilnahme an Rechtsrock-Konzerten liegt aber insofern eine besondere Gefahr, als dass diese ein identitäts- und ideologiestiftendes Moment sind – zumal Rechtsrock häufig die Begleitmusik zu etwaigen Gewalttaten liefert. Mit dieser Aktionsform könnten die Gruppe gerade bei aktionsorientierten Jugendlichen auf Interesse stoßen.