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Mit Hitler in die Zukunft – Neonaziaufmarsch in Dortmund

 

“Tag der deutschen Zukunft”: Neonaziaufmarsch in Dortmund
Es war der größte Naziaufmarsch in Dortmund seit 2011 © Danny Marx

Der “Tag der deutschen Zukunft” ist ein bundesweites Neonazi-Event, das am 04.06.2016 in Dortmund zum achten Mal stattfand. Rund 900 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet fanden den Weg nach Dortmund. Als offizieller Anmelder trat der Dortmunder Neonazi-Kader Michael Brück, Ratsmitglied im Dortmunder Rathaus für “Die Rechte”, auf.

Der “Tag der deutschen Zukunft” fand bisher vor allem im nördlich-östlichen Raum Deutschlands statt. Mit Dortmund sollte er erstmals in einer westdeutschen Großstadt stattfinden. Geplant war eine Demo-Strecke durch das migrantisch geprägte Viertel der Dortmunder Nordstadt. In Vorgesprächen konnte die Polizei diese Route verhindern. Stattdessen demonstrierten die Neonazis vom S-Bahnhof Dorstfeld, der Stadtteil den sie selbstsicher als Nazi-Kiez bezeichnen, bis nach Huckarde. Abgehalten wurde eine Zwischenkundgebung an einem Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Es darf dabei durchaus die Frage aufgeworfen werden, wer diese Zwischenkundgebung genehmigte. Es sollte nicht die einzige Verhöhnung von NS-Opfern und Glorifizierung von Nazis an diesem Tag bleiben.

Selbstsicher in Dorstfeld © Sören Kohlhuber
Selbstsicher in Dorstfeld © Danny Marx

Bereits während der Anreise der Neonazis gab es viele interessante, teilweise verbotene Symboliken und Parolen zu entdecken. Von einem Hitler-Transparent, das an einer der berühmten Dortmunder Nazi-Wohngemeinschaften hing, über offene Bekenntnissen zum Nationalsozialismus auf T-Shirt bis hin zu Bekenntnissen zur Waffen-SS in Form von “Ruhm und Ehre” Parolen.

Als Redner traten diverse bekannte Rechte auf. Sven Skoda und Thorsten Heise hielten dabei vermutlich die heftigsten Reden. So sprach Sven Skoda von „Blut und Boden“-Theorien, und Thorsten Heise von weitsehenden deutschen Politikern, die ihre Politik noch auf 1000 Jahre auslegten. Aufgrund der Auflagen, und der Vorbestrafung wegen Volksverhetzung hätte Thorsten Heise eigentlich gar nicht erst reden dürfen. Auch an weitere Auflagen hielten sich viele der Neonazis nicht. So gab es durchaus auch immer wieder verbotene Parolen zu hören. Bei der Abreise sangen einige von ihnen sogar ganz offen das U-Bahn Lied, ohne das die Polizei einschritt.

Die 12.Division der Waffen SS war die Division "Hitlerjugend" © Danny Marx
Die 12.Division der Waffen SS war die Division „Hitlerjugend“ © Danny Marx

Als weitere Redner traten der ehemalige Dortmunder Feuerwehrchef Klaus Schäfer und Neonazis aus Bulgarien vom „Bulgarischen Nationalbund“ auf. Abschließend sprach Christian Worch, Parteivorsitzinder der Partei “Die Rechte”. Die Teilnehmer reisten aus dem gesamten Bundesgebiet an und setzen sich Spektren übergreifend, zum Teil aus Neonazis, die sich den freien Kameradschaften zuordnen, aber auch aus Partei-Neonazis vom 3.Weg, der NPD und die Rechte zusammen. Auch Sympathisanten von “Die Republikaner” und andere vermeintliche besorgten Bürger kamen zum „Tag der deutschen Zukunft“. Ebenso vor Ort waren mindestens zwei Neonazis, die im Umfeld des NSU agierten. Marko Gottschalk, einer der Mitbründer der Combat-18 Zelle  „Oidoxie Streetfighting Crew“, und Sänger der Band „Oidoxie“, sowie Robin Schiemann. Eine weitere illustre Figur aus rechtsterroristischen Kreisen.

Die Demonstration verlief soweit störungsfrei, da die Polizei weder Vermummung noch verbotene Parolen ahndete. Als Dankeschön verlängerte die Polizei die Demonstrationsstrecke zum Ende noch, um die Neonazis zu einem S-Bahnhof zu leiten. Dort wurde eine S-Bahn beschlagnahmt, damit die Neonazis “geschlossen” abreisen konnten, nur damit sie sich im Hauptbahnhof wieder ohne Polizeiaufsicht aufteilen und frei bewegen konnten.

Die "Helden" von Stalingrad © Danny Marx
Die „Helden“ von Stalingrad © Danny Marx

Der ruhige Tag war einigen Neonazis wohl doch noch zu langweilig. Am Abend kam es zwischen Neonazis und der Polizei noch zu heftigen Auseinandersetzungen. Von einigen stellte die Polizei die Personalien fest. Auslöser war das Zünden von pyrotechnischen Gegenständen durch Neonazis, die für ein Foto posierten.

Natürlich ist die Neonazi-Demonstration nicht ohne Protest von statten gegangen. Etwa 5000 Menschen demonstrierten im kompletten Stadtgebiet gegen den Aufmarsch der Rechten. Besonders bemerkenswert war der Einsatz von den sogenannten Spiegelwürfeln. Ein Künstlerkollektiv produzierte aufblasbare Würfel, die auf einer Seite spiegeln. Man wolle den Rechten und auch der Polizei den Spiegel vorhalten.

Immer wieder nutzen Polizisten die Spiegelwürfel als Deckung © Danny Marx
Immer wieder nutzen Polizisten die Spiegelwürfel als Deckung © Danny Marx

Der Polizei missbilligte die Spiegelwürfel stellenweise und deklarierte sie als Schutzbewaffnung. Sie ging mit Gewalt gegen hunderte Aktivisten auf dem Sunderweg vor, zerstörte einige Würfel und kesselte diese Gruppe für mehrere Stunden. Eine bürgerlichere Demonstration konnte vom Dortmunder U aus in Richtung Dortmund Dorstfeld demonstrieren. Diese Demonstration verlief völlig störungsfrei. Knapp 4000 Polizistinnen und ein riesiger Fuhrpark, angereichert mit etlichen Wasserwerfern, verwandelten die Stadtteile Dorstfeld und Huckarde in hermetisch abgeriegelte Sperrbezirke. Und so blieben auch wieder Anwohner mit langen Gesichtern zurück, die schlichtweg ihren Ausweis nicht dabeihatten und stundenlang nicht in ihre Wohnungen konnten.

Der “Tag der deutschen Zukunft” war vermutlich in seiner Außenwirkung nicht ansatzweise so stark wie es sich die Neonazis erhofft hatten. Das lag mitunter natürlich auch an der Route durch wenig bewohnte Gegenden. Die Innenwirkung hingegen war vermutlich immens. Das geht vom Mythos Nazikiez, in dem Hitler-Transparente den ganzen Tag ohne Probleme hängen können, über die Selbstsicherheit an einem Mahnmal für NS-Opfer demonstrieren zu können, während der Redner vom 1000 jährigen Deutschland fabuliert. Auch die Umstände der Abreise sind eine Bestätigung für die Rechten. Ein roter Teppich ist ein roter Teppich ist ein roter Teppich.