Anhänger einer esoterischen Bewegung wollen die Landwirtschaft umkrempeln. Doch hinter ihrer Vision stecken Rassismus und Verschwörungstheorien.
Von Sebastian Lipp
Felder und Wälder, die sattgrüne Weite des Allgäus. Eine Familie in Hippie-Klamotten, die Räder auf einer Wiese schlägt. Das Werbevideo des Mutterhofs im ostallgäuischen Unterthingau platzt vor Naturromantik. Zwischen den kitschgeladenen Bildern taucht Inhaber Robert B. mit wallendem Haar und langem Bart auf. Er redet von seinem Ziel eines „bedürfnisorientierten, glücklichen Lebens aus und in der Fülle“ dank nachhaltiger Landwirtschaft.
Für diese Vision, ein Konzept namens Permakultur, sucht B. Mitstreiter – und Spenden. Doch was im Werbevideo als Pionierprojekt für den ökologischen Wandel daherkommt, ist in Wahrheit geschickt verpackte braune Esoterik. Der Mutterhof hat sich einer Ideologie verschrieben, die als Anlaufpunkt für Anhänger von Rassenlehre und Reichsbürgerthesen gilt. Das animierte den Verfassungsschutz bereits vor zwei Jahren, ein Auge auf den Betrieb zu werfen.
Bauer B. ist Vertreter der Anastasia-Bewegung, die den Ideen einer Romanreihe des russischen Autors Wladimir Megre folgt. Esoterisch aufgeladen wird darin von der mystischen Heilsbringerin Anastasia erzählt. Rassistische, antisemitische und verschwörungsideologische Aussagen sind in eine scheinbar ökologische Utopie eingebunden.
„Was der Führer gesagt hat“
Was das für die Mitstreiter bedeutet, wird in einem aufgezeichneten Gespräch deutlich, das B. Ende Juli mit dem Brandenburger Neonazi Frank Willy Ludwig führte. Der Landwirt redet darin über seine „Aufgabe für den Stamm, für das Volk, für das Heil der Erde und das Heil der Wesen auf der Erde“. Am Ende des Gesprächs spricht Ludwig von einer „Verantwortung der weißen Rasse“. In einer seiner Schulungen, die auch B. durchlaufen hat, gab er unter anderem diese Parole aus: „Kümmert euch um eure Frau. Zeugt Kinder. Schafft euch einen Garten an, fertig. Das ist es doch, was der Führer auch gesagt hat. Blut und Boden. Kraft durch Freude.“
Unter dem quasi-religiösen Überbau der Anastasia-Bewegung sammeln sich nicht nur harmlose Träumer, die ihre sogenannten Familienlandsitze im Einklang mit Ahnen und Natur aufbauen wollen. Im Öko-Anzeigenblatt Nachhaltiges Allgäu ergänzt ein Autor 2013 einen Bericht über eine Veranstaltungsreihe auf dem Mutterhof mit den Worten: „Quintessenz: Den Rechtsstaat BRD gibt es nicht und damit auch keine Demokratie in Deutschland.“ Reinstes Reichsbürger-Gedankengut.
Seit Jahren teilen Bewohner des Mutterhofs online rechte Propaganda. B. behauptete unterdessen, er sei kein Anastasia-Anhänger. Zugleich stellt er jedoch infrage, dass sich hinter der Buchreihe überhaupt eine rassistische und antisemitische Gedankenwelt verbirgt.
Im Ort bröckelt die Unterstützung
In der Gegend spricht sich langsam herum, was es mit dem Mutterhof auf sich hat. „Das möchten wir in keiner Weise unterstützen“, sagt etwa der Geschäftsführer eines Unternehmens, der anonym bleiben will. Von der Recherche sei er überrascht, denn B. habe ihm gegenüber „nie eine Ideologie verbreitet“. Der Bauer locke „viele Jüngere an, die Alternativen suchen“. Viele dieser jungen Menschen schätzt der Unternehmer „sogar eher links“ ein; sie merkten anfangs nicht, was hinter dem Traum vom ökologischen Leben steht. Ebenso zurückgezogen hat sich ein Tonstudio, das einst für den Mutterhof arbeitete.
Tatsächlich kommt das Projekt jedoch gerade in Ökokreisen weiterhin an. Auf dem Hof betreibt B. den rege genutzten Wochenmarkt des Dorfes. Im Imagefilm ist zu sehen, wie eine große Zahl Schüler, Studierende und andere an Kursen des Mutterhofs teilnehmen. Auch außerhalb hält der Inhaber Vorträge über Permakultur und die Idee des Mutterhofs mit seinen Familienlandsitzen.
Auch die Regionale Wirtschaftsgemeinschaft Allgäu, in der sich ökologische Projekte der Region zusammengeschlossen haben, lädt B. regelmäßig zu Seminaren ein. Bemerkenswert ist das schon, weil sich die Genossenschaft laut Statut auf ihrer Website für den „Frieden und die Harmonie unter uns sowie mit den Menschen, mit denen wir Berührung haben“ einsetzt. Allerdings übernehme man „keine Verantwortung für die Weltanschauung unserer Mitglieder und Besucher“. Diese Erklärung habe man eigens wegen der „Anfeindungen“ gegen Robert B. veröffentlicht, heißt es auf Anfrage. Rechte Sprüche habe man von ihm nie gehört. Darauf vertraue man – „und nicht darauf, mit wem er eventuell Umgang pflegt“.
„Irgendwas mit Rassen“
Andere distanzieren sich bestenfalls halbwegs: „Ein enger Vertrauter bin ich schon lange nicht mehr“, sagt Jochen Koller, Herausgeber von Nachhaltiges Allgäu, über B. Die beiden Permakultur-Enthusiasten galten als enge Vertraute. Und dennoch warb sein Magazin weiter für den Mutterhof. Die Ideen aus der Anastasia-Buchreihe beschreibt er weiterhin als maßgeblich für seine „Vision“.
Widerstand gibt es nur da, wo klare ideologische Grenzen existieren, wie bei der Genossenschaft Kulturland aus Niedersachsen. Sie kauft bundesweit Land, um es als Gemeingut für eine bäuerlich geführte ökologische Landwirtschaft zu sichern. Koller strebte jüngst eine Zusammenarbeit mit der Initiative an. Doch Kulturland beschloss: Es könne keine Kooperation geben mit rechten Siedlern, der Anastasia-Bewegung und „Initiativen, die eine ausdrückliche Stellungnahme zu fraglichen ideologischen Hintergründen – sei es aus Vorsatz oder aus Naivität – vermissen lassen“.
Andere bleiben dem Mutterhof gerade wegen der Idee dahinter treu – wie Daniel O., der im nahen Aitrang den Grasser Hof betreibt und saisonales Gemüse anbaut. Die Zusammenarbeit mit B. sei „unproblematisch“, sagt der Biobauer – „mit rechts hat das nichts zu tun“. Auch er habe die Anastasia-Bücher gelesen und finde sie gut: „Nur weil da mal irgendwas mit Rassen steht, heißt das ja nichts.“