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Reaktionärer Umweltschutz – Wie extreme Rechte systematisch Umweltthemen besetzen

 

Neonazis agitieren völkisch-nationalistisch gegen Atomkraft © Getty Images
Neonazis agitieren völkisch-nationalistisch gegen Atomkraft © Getty Images

Udo ist Braunkohle-Gegner. Dem Klischee entsprechend stellt man sich nun vielleicht einen jungen Mann mit Rasta-Locken, gebatiktem T-Shirt und Sandalen vor, vor allem aber mit grünem Parteibuch. Udo sieht etwas anders aus: Kurzhaarschnitt, dazu meist Anzug und Krawatte. Udo Pastörs ist stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD.

Von Robert Fisher für den Störungsmelder

Pastörs wurde im April 2005 Gründungsmitglied einer mecklenburgischen Anti-Kohle-Initiative und blieb lange unerkannt, bis er wiederholt versuchte, dem Protest eine anti-amerikanische Richtung zu geben. Er flog zwar auf, konnte sich aber im letztlich erfolgreichen Landtagswahlkampf 2006 als Kohle-Gegner profilieren. Dass gerade die NPD oder Akteure aus ihrem Spektrum populäre Umweltthemen besetzen, ist keine Seltenheit.

Völkische Ökos in der Geschichte: der Artamanenbund

Anders als man vielleicht vermuten mag, ist die Beheimatung von Umweltthemen im vergleichsweise „linken“ Lager nicht althergebracht. Lange vor der Entstehung der Grünen war Umweltbewusstsein oftmals an völkisch-nationales Gedankengut geknüpft. Ein Beispiel für eine besonders extreme Ausprägung ist der 1926 gegründete Artamanenbund. Unter dem Motto „Gläubig dienen wir der Erde und dem großen Stirb und Werde“ siedelten sich bis zur Spaltung 1929 rund 2000 Bewohner in 300 autarken Quartieren an. Getrieben von ihrer völkischen Blut-und-Boden-Ideologie versorgten sie sich auf Basis von Freiwilligenarbeit vollständig selbst. Zu den bekanntesten Mitgliedern zählten unter anderem der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß, der Landesbauernführer für Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Lübeck Walter Granzow und nicht zuletzt der spätere Reichsführer-SS Heinrich Himmler. Seit den 1990er-Jahren gibt es in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns wieder Siedlungsbestrebungen, die an die Artamanen erinnern und in der Öffentlichkeit lediglich als „Ökos“ wahrgenommen werden.

1940 verlieh auch der Geschäftsführer des 1975 in den BUND übergegangen „BUND Naturschutz“ einem stark völkischen Heimatbegriff Ausdruck. Er sah es als Aufgabe, „die Heimat und die Natur sauber und schmuck zu erhalten und zu gestalten an dem Tag, wo das Heer der deutschen Soldaten aus Blut und Krieg heimkehrt in das gerettete Vaterland“.

Grün-Braune Esoterik: Baldur Springmann 

Doch ganz so sehr muss man gar nicht zurückschauen, um braunes Gedankengut im Umweltschutz auszumachen. Auch die Grünen waren zu Gründungszeiten noch nicht die aufgeklärte, antirassistische Partei die sie heute sind. Ihre Positionierung im linken Lager erfolgte erst nach einigen Auseinandersetzungen, unter anderem mit dem völkischen Öko-Landwirt Baldur Springmann. Dieser war zu NS-Zeiten Teil der SA und SS und lebte nach Kriegsende bis 1950 im Exil. Nach seiner Rückkehr nach Schleswig-Holstein, begann er sich für ökologischen Landbau und in der Anti-AKW-Bewegung zu engagieren. In den siebziger Jahren war er unter anderem Vorsitzender des rechtsextremen „Weltbund zum Schutz des Lebens“ und bis zu ihrer Auflösung zugunsten der Grünen 1978 auch Landesvorsitzender der „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“. Nachdem er Gründungsmitglied der Grünen wurde, ließ Springmann sich 1979 auf Platz vier der Liste zur Europawahl aufstellen, trat jedoch schon im Juni 1980, nachdem die Parteilinken sich eine Mehrheit im Bundesvorstand sicherten, frustriert wieder aus. 1982 wurde Springmann Mitgründer und stellvertretender Vorsitzender der Ökologischen Partei Deutschlands (ÖDP), nachdem er jedoch auch hier parteiintern auf Widerstand stieß trat er auch hier aus. Bis zu seinem Tod im Jahr 2003 war der braune Öko-Esoteriker noch Mitglied in obskuren Gruppen wie dem „Bündnis für Volksabstammung“ und der „deutschen Aufbauorganisation“.

Die NPD und der Umweltschutz

Auch die NPD versucht fortwährend Umweltthemen zu besetzen. So veranstaltet die Partei Aktionen, bei denen im Kollektiv Müll aufgesammelt und Wälder gereinigt werden. NPD-Kreise nutzen Ökologische Themen, um völkisch-nationalistische Agitation zu betreiben. So schürte die NPD beispielsweise im Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern 2011 unter dem Slogan „Atomtod aus Polen“ Angst vor zwei geplanten polnischen Atomkraftwerken. Auch der Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“, der den obskuren Heimatbegriff der NPD gut zusammenfasst, wird in Wahlwerbung und sonstiger Propaganda häufig genutzt. Zu großer Bekanntheit erlangte in der Vergangenheit auch die NPD-nahe Umweltzeitschrift „Umwelt & Aktiv“ gebracht.

Kein Raum für rechte Ökos

Ob dieser zahlreichen Beispiele stellt sich manch einem vielleicht die Frage, ob hinter den umweltpolitischen Aktivitäten der NPD nun blanker Populismus oder ehrliche Motivation mit völkischem Hintergrund steckt. Die NPD wird weiterhin versuchen, Teil eines ernsthaften und seriösen umweltpolitischen Diskurses zu sein. Nichtsdestotrotz darf ihnen auch in diesem Rahmen kein Raum für rechtsextreme Propaganda gegeben werden.

Der Autor empfiehlt als weiterführende Lektüre die Publikation „Braune Ökologen“ der Heinrich-Böll-Stiftung und das Buch „Rechte Ökologie. Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus“ von Oliver Geden.