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„Braune Straße“ am Ende

 

Der ehemalige Neonazitreff "Zum Henker" nach seinem Auszug.  © Theo Schneider
Der ehemalige Neonazitreff „Zum Henker“ nach seinem Auszug. © Theo Schneider

Antifa-Gruppen und zivilgesellschaftliche Initiativen in Berlin haben Grund zum Jubeln. Die jahrelang als Hochburg der Neonaziszene gehandelte Brückenstraße im Ortsteil Niederschöneweide verliert ihre zentralen Treffpunkte.  Das kontinuierliche Engagement der Antifaschisten zwang die rechten Strukturen in die Knie. Deren Dreh- und Angelpunkt, die rechte Szenekneipe „Zum Henker“ zog am Wochenende aus.

Doch auf Solidarität konnte „Henker“-Wirt Paul Barrington nicht setzen, scheinbar wird sie in der rechten Szene kleingeschrieben. Anders lässt sich kaum erklären warum beim Auszug des einst überregional populärsten Berliner Neonazitreffpunkts am vergangenen Samstag und Sonntag helfende Hände Mangelware waren.  Barrington musste seinen Laden mit wenigen Helfern fast alleine leerräumen. Seit seiner Eröffnung 2009 prägte die Kaschemme den Berliner Ortsteil Niederschöneweide nachhaltig, lockte auswärtige Rechte an und immer mehr Neonazis zogen in den Kiez. Die Kneipe wurde schnell zum überregionalen Treffpunkt, regelmäßig verkehrten dort verbotene Gruppierungen wie der „Frontbann 24“ und  immer wieder wurden Menschen durch die Straße gejagt und verletzt. Weitere rechte und rechtsoffene Einrichtungen folgten. Selbst der amtierende NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke zog mit seiner damaligen Lebensgefährtin Maria Fank in die Straße, die schnell den Ruf der „braunen Straße von Berlin“ bekam. Doch offenbar ist damit jetzt Schluss.

Der „Henker“ ist weder die erste, noch die letzte Szeneeinrichtung die durch anhaltende Proteste aus Schöneweide verschwindet. Schon dem von einem NPD-Aktivisten betriebenen „Sozialen Buchladen“ wurde nach mehreren Demonstrationen von Vermieter gekündigt. Ebenso erging es dem rechten Rocker-Club „Dark7Side“. Zwar wurde auch dem Militarialaden „Hexogen“ des Berliner NPD-Chefs Schmidtke direkt nach der Eröffnung gekündigt, jedoch klagte er erfolgreich dagegen. Allerdings half ihm das nichts: Aufgrund der Stigmatisierung blieb die Kundschaft weg, der Laden rentierte sich nicht. Schmidtke hat mittlerweile den Mietvertrag von sich aus gekündigt und demnächst seinen Auszug angekündigt.

Damit kommt der Berliner Neonaziszene binnen kürzester Zeit der Großteil ihrer Strukturen abhanden. Der lange Atem von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Antifa-Gruppen, die unter anderem mit Demonstration mit mehreren tausend Menschen Druck auf die Einrichtungen und ihre Vermieter ausübten, zahlt sich aus. Doch Entwarnung will Kati Becker vom Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick nicht geben, obwohl sie sich über den Erfolg freut: „Dass wir als Zivilgesellschaft durch unseren Druck tatsächlich die Schließung nahezu aller rechter Läden erreichen würden, haben wir nicht erwartet und sind nun um so glücklicher, dass dieser Schritt gemacht ist. Die rechte Szene ist aber noch immer in Schöneweide zu Hause und wird sich andere Treffpunkte und Aktionsfelder suchen.“