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Blutiger Szenestreit in Berlin

 

Das Neonazipärchen Julia S. und Marco Oemus auf einem Aufmarsch in Berlin © Theo Schneider
Von den eigenen Leuten zusammengeschlagen: Das Neonazipärchen Julia S. und Marco Oemus abei einem Aufmarsch in Berlin 2012  © Theo Schneider

Fünf Neonazis haben am Wochenende offenbar einen ihrer eigenen „Kameraden“ mit Schlagstöcken angegriffen und verletzt. Auch die Verlobte des Angegriffenen wurde bei dem Überfall verprügelt. Sie erlitt einen Nasenbeinbruch.  Das Pärchen stammt aus dem Ortsteil Niederschöneweide. Die beiden Opfer Marco Oemus (33) und Julia S. (21) gehören selbst seit Jahren der Neonazi-Szene an. Sie sollen interne Abweichler sein. Der Angriff war offenbar eine Racheaktion.

Auf seinem Facebook-Profil schildert Oemus am Sonntagmorgen den Überfall: „Da stehen sie da mit fünf mann über mir und meiner frau mit keulen und som dreck.“ (Fehler im Original). Dass es sich bei den Tätern nicht um politische Gegner sondern um vermeintliche „Kameraden“ handelt, verdeutlicht der darauffolgende Satz: „ihr seit feiger als die bullen und die zecken zusammen“. Auch seine Verlobte Julia S., die ursprünglich aus Hessen stammt und seit einigen Jahren mit dem Treptow-Köpenicker Rechtsextremisten liiert ist, äußert sich in einem Kommentar zu der Attacke: „Still fucking alive ihr Wichser!!! Das Ding kommt zurück!!! Meine Nase mag gebrochen sein, mein Stolz NICHT!“ Der als Tätowierer tätige Oemus kündigt Rache an und droht: „jeden einzeln werd ich mir holen und glaubt mir jeder von euch wird sich wünschen die 3 min die ihr hattet besser genutzt zuhaben“, schreibt der wegen mehrerer, teilweise brutaler Gewaltdelikte vorbestrafte und für einige Jahre sogar inhaftierte Neonazi.

Marco Oemus schildert die Attacke auf Facebook © Screenshot
Marco Oemus schildert die Attacke auf Facebook © Screenshot

Die Berliner Polizei wollte oder konnte keine Angaben zu dem Vorfall gegenüber ZEIT ONLINE machen. Ein Sprecher sagte lediglich, dass nach der Anfrage „Ermittlungen laufen“.

Hintergrund der Auseinandersetzung dürfte offenbar das Verhalten von Oemus im Rahmen eines Gerichtsprozesses gewesen sein. Die Berliner Vorsitzende des NPD-Frauenverbands RNF, Maria Fank prangert im Internet den langjährigen Neonazi namentlich an und wirft ihm vor,  bei Gericht zu „quatschen“ und zu „spalten“. Von „einem abartigen Verhalten“ ist die Rede: „Aus allen Gruppen abgehauen und dann die Fresse über andere Leute aufreißen!? Ich frage mich ernsthaft, wieso mit jemanden zusammen gearbeitet wird, der öffentlich sagt ausgestiegen zu sein!!!“

Die Berliner RNF-Vorsitzende Maria Fank auf Facebook © Screenshot
Die Berliner RNF-Vorsitzende Maria Fank auf Facebook © Screenshot

Solche Vorwürfe wiegen in der Szene schwer, wie nicht erst der Überfall auf das Neonazipärchen am Wochenende zeigt. Immer wieder berichten Aussteiger aus der Szene, dass sie nach ihrem Schritt von ehemaligen Kameraden Morddrohungen erhielten und untertauchen mussten. Erst im März 2011 war der Aussteiger Kevin M. auf dem S-Bahnhof Berlin-Lichtenberg von ehemaligen Kameraden identifiziert worden, woraufhin sie unter Sprüchen wie „Verräterschwein, wir kriegen dich!“, Jagd auf ihn und seine Freundin machten. Auch im Fall Oemus ist bereits der zweite Kommentar unter dem Beitrag der Berliner RNF-Vorsitzenden eindeutig und fordert bis heute lesbar als Reaktion: „Strick um den Hals und ne Kugel in den Bauch“. An dem öffentlichen Mordaufruf auf ihrer Facebookseite scheint sich Fank nicht zu stören.

Verräter-Vorwürfe gegen Marco Oemus gab es bereits Anfang der 2000er. Um seine Haftzeit zu verkürzen soll er vor Gericht Aussagen getätigt und vom Aussteigerprogramm EXIT betreut worden sein. Offenbar nur ein taktischer Zug. Spätestens seit 2009 war er wieder regelmäßig in Berlin und überregional an Aufmärschen beteiligt, zum Teil als Ordner und eng verbandelt mit der mittlerweile verbotenen Kameradschaft „Frontbann 24“. Noch zur letzten größeren Aktion der NPD in Berlin, einem Aufmarsch zum 1. Mai 2013 mit Konzert in Berlin-Schöneweide, war Oemus zum Schutz der Bühnentechnik als Ordner eingesetzt.

Lange Gesichter bei den Neonazis am Vorabtreffpunkt © Theo Schneider
Marco Oemus (mitte) auf dem Weg zum Gedenkmarsch 2013 nach Magdeburg © Theo Schneider

Wie glaubwürdig neuerliche Beteuerungen von einem „Ausstieg“ sein sollen, verrät ein Blick in sein Facebook-Profil: Noch am Samstag teilte er die rassistischen Facebookseite „Nein zum Heim in Köpenick“ von örtlichen Neonazis auf seinem Profil, gibt unter Büchern Hitlers „Mein Kampf“ an und hat diverse Neonaziseiten in dem Sozialen Netzwerk mit „gefällt mir“ markiert.