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Protest gegen jährlichen Neonazi-Aufmarsch in Remagen

 

Demo von NS-Verherrlichung stoppen (Foto: Melanie Kuhn)
Demo von NS-Verherrlichung stoppen (Foto: Melanie Kuhn)

Am vergangenen Samstag, dem 22.11.2014, befand sich die Kleinstadt Remagen (zwischen Bonn und Koblenz) wieder einmal im Ausnahmezustand. Zum mittlerweile sechsten Mal infolge marschierten dort bundesweit angereiste Neonazis. Mit nur 140 Teilnehmern war der Aufmarsch jedoch deutlich kleiner als noch im Vorjahr, als 250 Rechte gekommen waren. Mehr als 700 Polizeibeamte sicherten den Aufmarsch und sorgten für eine räumliche Trennung von extrem Rechten und Gegendemonstranten.

Begonnen hatte der Tag mit einer Gegendemo unter dem Motto „NS-Verherrlichung stoppen“, an der in diesem Jahr über 500 Antifaschisten teilnahmen. Die Demo zog lautstark von der Innenstadt zur Remagener Fachhochschule, wo sie sich der Kundgebung vom „Bündnis Remagen Nazifrei“ anschloss. Auf dem Weg dorthin kamen sie auch am Altersheim vorbei, dessen Bewohner ihre Ablehnung gegenüber den extrem Rechten mit Plakaten an der Außenfassade zum Ausdruck brachten. Außerdem hielten die Demonstranten eine Zwischenkundgebung am jüdischen Friedhof ab und legten eine Schweigeminute im Gedenken an die von den Nazis ermordeten Juden ein.

Die Kundgebung von Remagen Nazifrei an der FH. (Foto: Melanie Kuhn)
Die Kundgebung von Remagen Nazifrei an der FH. (Foto: Melanie Kuhn)

Die Kundgebung an der Fachhochschule wuchs zwischenzeitlich auf bis zu 600 Teilnehmer an. Die Neonazi-Demo war vom Bahnhof aus losgelaufen und einige Gegendemonstranten versuchten auf die Route zu gelangen. Die Polizei verhinderte dies mit harten Mitteln. Das Bündnis „NS-Verherrlichung stoppen“ berichtete auf Twitter von Polizeiübergriffen im Wohngebiet und gezielten Schlägen auf den Kopf von Gegendemonstranten.

Zu tumultartigen Szenen kam es erneut, als die extrem rechte Demo die Kundgebung an der Hochschule passierte. Nach Polizeiangaben wurden von dort aus Böller, Steine und Obst in Richtung der rechten Demo geworfen. Daraufhin stürmte die Polizei ohne Vorankündigung die Kundgebung. Sie drängten die Demonstranten zurück und machten dabei auch vom Schlagstock Gebrauch. Zahlreiche Gegendemonstranten mussten von Sanitätern behandelt werden. Währenddessen konnten die Rechten ihre Kundgebung wenige Meter weiter nahezu ungestört abhalten.

Die Polizei bedrängt Demoteilnehmer auf dem Kundgebungsgelände. (Foto: Melanie Kuhn)
Die Polizei bedrängt Demoteilnehmer auf dem Kundgebungsgelände. (Foto: Melanie Kuhn)

Angemeldet wurde der rechte Aufmarsch von Christian Malcoci, federführend in der Organisation zeigte sich in diesem Jahr die JN-Ahrtal, eine Jugendorganisation der NPD, in der nun ehemalige Mitglieder des verbotenen Aktionsbüros Mittelrhein (ABMR) wieder aktiv sind. Auch Angeklagte aus dem Prozess gegen das ABMR zeigten sich offen auf der Demonstration. Als Redner traten unter Anderem Sven Skoda (Angeklagter im ABMR Prozess), Ralph Tegethoff sowie Mathias und Christoph Drewer (Die Rechte) auf. Bei der Zwischenkundgebung an der „Schwarzen Madonna“ sprach auch ein Vertreter der Gruppe, die den jährlichen Trauermarsch in Dresden organisiert. Auffällig war in diesem Jahr auch das akribische filmen der eigenen Aktionen, sowie Anti-Antifa Fotografen, die unter den Augen der Polizei gezielt Gegendemonstranten abfotografieren konnten.
Hintergrund zum ABMR Prozess.

 

Die „Rheinwiesenlager“

Anlass für den „Trauermarsch“ der Neonazis sind die sogenannten Rheinwiesenlager, Kriegsgefangenenlager der Alliierten, die 1945 entlang des Rheins bestanden. Die rechten sprechen hier von einer systematischen Ermordung Deutscher und insgesamt einer Million Toten. Tatsächlich sind laut seriösen Rechnungen zwischen 5.000 und 10.000 Menschen in den Rheinwiesenlagern ums leben gekommen, was hauptsächlich an den nach Kriegsende herrschenden Versorgungszuständen lag. Zu dieser geschichtsrevisionistischen Umdeutung kommt die Tatsache, dass in Remagen ein vom NS-Künstler Adolf Wamper geschaffene Skulptur, die „Schwarze Madonna“, als Mahnmal an die Rheinwiesenlager erinnert. Diese befindet sich den der Friedenskapelle vor der die Rechten jedes Jahr ihr Heldengedenken abhalten und Kränze niederlegen.
Mehr zum Hintergrund hier und hier.

Die Sicht auf die "Schwarze Madonna" in der Friedenskapelle wurd wie jedes Jahr abgeschirmt. (Foto: Melanie Kuhn)
Die Sicht auf die „Schwarze Madonna“ in der Friedenskapelle wurd wie jedes Jahr abgeschirmt. (Foto: Melanie Kuhn)

 

Die Rechte Demo vor der Friedenskapelle. (Foto: Melanie Kuhn)
Die Rechte Demo vor der Friedenskapelle. (Foto: Melanie Kuhn)

Angeklagte im ABMR Prozess auf der Demo, darunter Sven Skoda (2.vl.) (Foto: Melanie Kuhn)
Angeklagte im ABMR Prozess auf der Demo, darunter Sven Skoda (2.vl.) (Foto: Melanie Kuhn)

Die Rechten haben schon während der Demo erklärt, bereits am 24.12. wieder nach Remagen kommen zu wollen. Wie viele Teilnehmer sie dann mobilisieren können bleibt abzuwarten. Aber auf zahlreiche Gegenproteste können sie sich jetzt schon einstellen.