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LEGIDA läuft wieder – Zeit für eine Bestandsaufnahme

 

Zeitweise trennten LEGIDA und die Gegenproteste nur wenige Meter und eine Polizeikette. Mehrfach flogen Böller in die Menge der LEGIDA-Gegner.  © D. Lima
Zeitweise trennten LEGIDA und die Gegenproteste nur wenige Meter und eine Polizeikette. Mehrfach flogen Böller in die Menge der LEGIDA-Gegner. © visual.change

Am gestrigen Montag liefen 850 LEGIDA-Teilnehmer durch Leipzig. Sie konnten trotz Blockaden durchgehend laufen. Die Beteiligung aus NPD und Kameradschaftsszene ist im Vergleich zur letzten Woche gestiegen. Dies war der fünfte LEGIDA-Aufmarsch – Zeit für eine kurze Bestandsaufnahme und Auseinandersetzung mit der Teilnehmendenstruktur, den Inhalten und der möglichen zukünftigen Ausrichtung.

Stagnierende Teilnehmendenanzahlen

Wie die LEGIDA-Veranstalter auf 1400 Teilnehmer kommen, verwundert bei genauem Hinsehen.  © D. Lima
Wie die LEGIDA-Veranstalter auf 1400 Teilnehmer kommen, verwundert bei genauem Hinsehen. © visual.change

Als LEGIDA am 12. Januar startete, konnte der Leipziger PEGIDA-Ableger bis zu 6.000 Personen versammeln. Doch schon bei der bei der dritten Veranstaltung nahmen lediglich 1.700 Personen teil. Die geplante vierte Kundgebung musste aufgrund mangelnder Polizeikräfte abgesagt werden. Dennoch wurde eine Spontandemonstration von vereinzelten LEGIDA-Anhängern durchgeführt, bei der auch Vertreter des Organisationsteams anwesend waren. Am 16. Februar ist LEGIDA bereits auf ein Zehntel der Anfangsgröße geschrumpft und es versammelten sich nur noch 650 Teilnehmende zu einer Kundgebung auf dem Augustusplatz. Durch den Rückgang der Teilnehmendenzahlen auf beiden Seiten, wurde für die fünfte, gestrige Versammlung wieder ein „Spaziergang“ genehmigt, was ein Anwachsen der LEGIDA erwarten ließ. Jedoch kamen nur wenig Menschen mehr als zuvor. Somit ist davon auszugehen, dass die Attraktivität der Aufmärsche nachlässt und sich deren Größe auch zukünftig kaum wieder erhöhen wird.

Wechselhafte Inhalte

Der Herausgeber des Compact-Magazins Jürgen Elsässer beklagt die "antideutsche Politik von Angela Merkel und Burkhard Jung".  © D. Lima
Der Herausgeber des Compact-Magazins Jürgen Elsässer beklagt die „antideutsche Politik von Angela Merkel und Burkhard Jung“. © visual.change

Bei LEGIDA wird eine Offenheit gegenüber neonazistischen Einstellungen sichtbar, wie zum Beispiel die Ablehnung des sogenannten „Kriegsschuldkultes“. Die Inhalte der Leipziger sorgten anfangs auch bei der Ursprungsorganisation PEGIDA in Dresden für Verunstimmung. Diese distanzierte sich zunächst von den Leipziger Forderungen. Doch spätestens nach der Dresdner Trennung in zwei Organisationen wird der Schulterschluss zwischen den beiden sächsischen Großstädten praktiziert, nicht zuletzt durch die Veröffentlichung der sogenannten „Dresdner Thesen“ am 15. Februar, die an Kirchen in Chemnitz, Dresden und Leipzig angebracht wurden.
Die Thesen sind nicht neu, sondern eher eine Collage des ersten 19-Punkte-Programms aus Dresden, welches zwischenzeitlich auf sechs Punkte verkürzt wurde. Mittlerweile einigte man sich auf zehn gemeinsame Thesen. Sei es Wechselfreudigkeit oder Unentschlossenheit der GIDAs, es zeigt sich, dass sie durch ihre Positionspunkte versuchen, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten und jeden Verdacht des Neonazismus, Rassismus, oder der Islamfeindlichkeit von sich weisen wollen.

So spaziert sich’s bei LEGIDA

© D. Lima
„Ansammlung von Nazis, Hools, ressentimentgeladenen Wendeverlierern und Edel-Rassisten, mit denen kein Dialog möglich ist“, so Grünenabgeordneter S. Striegel. © visual.change

In den letzten Wochen versammelten sich regelmäßig bekannte NPD-Kader bei den Aufmärschen in Leipzig, wie beispielsweise Enrico Böhm, Safet Babic, Rolf Dietrich und Christian Bärthel oder weitere Nazis wie Alexander Kurth (Die Rechte) und Dieter Riefling. An diesem Montag waren ebenso Anhänger der „Brigade Halle“ vor Ort. Mindestens einmal wurde auch an diesem Abend der Hitlergruß gezeigt. Des Weiteren hat die Beleidigung der politischen Gegner mittels von Nazidemos bekannten Sprechchören, wie etwa „Hasta la vista, antifascista“ und „Antifa Hurensöhne“, in ihrer Häufigkeit längst die anfänglich dominierenden „Wir sind das Volk“-Rufe abgelöst.
Neben den Beleidigungen und Drohungen gegen Politiker sowie den Leipziger Polizeipräsidenten Merbitz, hat sich der Bachmannsche Sprachstil in Form von „Dreckspack“, „Viehzeug“ und „Gelumpe“ auch gegenüber den Teilnehmenden von Gegenprotesten durchgesetzt. Beispielsweise schlägt ein Teilnehmer, als der Aufzug aufgrund einer Blockade stoppen muss, vor, einen „Flammenwerfer gegen das ganze Viehzeug“ einzusetzen, was ja dem „Wohle der Allgemeinheit“ dienen würde.
Auch die Rolle von Frauen wollen die männerdominierten LEGIDA-Teilnehmer gelegentlich festschreiben. So verabschiedet man sich bisweilen von Gleichberechtigung in emanzipatorischer Hinsicht zu Gunsten ihrer Version einer Gleichberechtigung der Frau: „Jede Frau zehn deutsche Kinder!“

Ungeahndete Übergriffe auf Journalisten und andere Straftaten

Immer wieder kommt es zu zahlreichen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, wie etwa durch Vermummung und sogenannte passive Bewaffnung.  © D. Lima
Regelmäßig kommt es zu zahlreichen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, wie etwa durch Vermummung und sogenannte passive Bewaffnung. © visual.change

Waren es bei der ersten LEGIDA noch Drohungen und vereinzelte Attacken, kam es bei dem zweiten Aufmarsch zu organisierten Übergriffen auf Journalisten durch Hooligan-Gruppen aus dem Aufzug heraus. In der darauf folgenden Woche kam es erneut zu mehreren Übergriffen auf Pressevertreter, doch diesmal nicht durch die Kundgebungsteilnehmenden, sondern durch Polizeibeamte. Weiterhin ist fragwürdig, warum seit Beginn der LEGIDA-Aufzüge die zahlreichen Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Körperverletzungen und Beleidigungen durch LEGIDA-Anhänger nicht umgehend durch die Polizei geahndet wurden. So konnten auch an diesem Montag zahlreiche vermummte Personen unbehelligt an Polizisten vorübergehen und Böller aus der islamfeindlichen Versammlung auf Gegendemonstranten geworfen werden.

Die Gegenproteste

© Sarah Ulrich
Trotz widriger Verhältnisse versuchen sich immer wieder Menschen mit zivilem Ungehorsam dem Aufmarsch zu widersetzen. © Sarah Ulrich

Doch nicht nur auf LEGIDA-Seite stagnieren die Teilnehmendenzahlen. Waren es anfänglich noch mehrere zehntausend Gegendemonstranten, beteiligten sich am Montag wie in den vergangenen Wochen nur noch etwa 1.000 Menschen an den ermüdeten Protesten. Es gab vier Blockadeversuche, von denen einer erfolgreich die Route der LEGIDA ändern konnte. Insgesamt gab es an vielen Stellen direkten Protest in Hör- und Sichtweite. Am Johannisplatz kamen sich LEGIDA-Teilnehmer und Gegendemonstranten derart nah, dass sie nur durch eine Polizeireihe getrennt waren. Nichtsdestoweniger konnte LEGIDA verhältnismäßig ungestört laufen.
Die Gegendemonstrationen haben über die Wochen an Umfang verloren. Dies scheint insbesondere mit Blick auf die Struktur der LEGIDA-Anhänger ein gefährliches Zeichen zu sein, denn die islamfeindlichen Aufmärsche werden mehr und mehr zu einer „Ansammlung von Nazis, Hools, ressentimentgeladenen Wendeverlierern und Edel-Rassisten, mit denen kein Dialog möglich ist“, so der Grünenabgeordnete Sebastian Striegel über den „Naziaufmarsch 2.0.