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„Rechts und aktionsorientiert“

 

Großen Einfluss auf die Neonazi-Szene in Brandenburg hat die Splitterpartei "Der III. Weg" - hier im April bei einer Kundgebung in Werder (Havel). © Anton Lommon
Großen Einfluss auf die Neonazi-Szene in Brandenburg hat die Splitterpartei „Der III. Weg“. Auch am kommenden Wochenende will die Partei wieder im Land wie hier im April in Werder (Havel) demonstrieren. © Anton Lommon

Brandenburgs Neonazi-Szene wird wieder gewaltbereiter. Ein Rechtsextremist, der einen Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingsheim in Zossen verübte, war am Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Weimar beteiligt. Am Wochenende marschieren die Neonazis in Brandenburg wieder gegen Asyl auf.

Von Alexander Fröhlich und René Garzke, Potsdamer Neueste Nachrichten

Potsdam/Zossen/Kloster Lehnin – Brandenburgs Sicherheitsbehörden beobachten eine Zunahme „aktionsorientierter rechter Gewalt“. Seit 2014 sei es vermehrt zu politisch motivierten Gewaltdelikten der rechtsextremistischen Szene gekommen. Dabei handele es sich im Schwerpunkt um fremdenfeindlich beziehungsweise rassistisch motivierte Straftaten. Zugleich gebe es eine Zunahme von Straftaten bei rechten Demonstrationen, wie es aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage von SPD-Landtagsfraktionschef Klaus Ness hervorgeht. Im ersten Halbjahr 2015 ist die Zahl rechtsextremer Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte rapide gestiegen.

NPD-Nachwuchs und III. Weg konkurrieren um Einfluss in der Szene

Den größten Einfluss auf die Neonazi-Szene in Brandenburg haben nach PNN-Recherchen derzeit die „Jungen Nationaldemokraten“, also der NPD-Nachwuchs, sowie die Splitterpartei „Der III. Weg“. Das bestätigt nun auch das Innenministerium. Beide Gruppen würden einen sozialrevolutionären Kurs vertreten, hieß es. Wie berichtet hat insbesondere der „III. Weg“ in den vergangenen Monaten an Einfluss gewonnen. Unter dem Eindruck der zunehmenden Konkurrenz in der Neonazi-Szene hat sich auch der NPD-Nachwuchs weiter radikalisiert und sogar einen Kampf um die Straße propagiert.

III. Weg plant Aufmärsche am Wochenende in Zossen und Damsdorf

Nun plant die rechtsextreme Splitterpartei „Der III. Weg“ für den kommenden Samstag, 1. August, eine Kundgebungstour durch Brandenburg. Nach einem Aufmarsch in Zossen (Teltow-Fläming) wollen die Neonazis, eine weitere Versammlung in Damsdorf, einem Ortsteil von Kloster Lehnin (Potsdam-Mittelmark), abhalten. Das erfuhren die PNN aus Sicherheitskreisen. In beiden Orten sind neue Flüchtlingsunterkünfte geplant.

Im Zossener Orteil Wünsdorf errichtet das Land in bisherigen Gebäuden der Landesverwaltung eine neue Erstaufnahmeeinrichtung. Ab Anfang 2016 sollen dort 500 Asylbewerber untergebracht werden, bis 2017 sollen es 1200 werden. Noch vor einigen Jahren galt die Stadt als Hochburg der rechten Szene. Erst am 16. Mai wurde auf das Heim ein Brandanschlag verübt – die Polizei ermittelt gegen zwei polizeibekannte Neonazis.

Zossener Brandstifter war bei Attacke auf DGB in Weimar dabei

Wie nun durch die Antwort des Innenministerium bekannt wurde, war einer der beiden Neonazis auch an dem Neonazi-Angriff auf eine DGB-Kundgebung im thüringischen Weimar am 1. Mai beteiligt. Er hatte die NPD im Wahlkampf 2014 unterstützt. Zudem bestätigte das Ministerium nun offiziell bisherige PNN-Berichte, wonach der Bundesvize und Landeschef der JN, Pierre Dornbrach (26), an dem Überfall beteiligt war.

Ebenfalls dabei war nach PNN-Informationen Patrick N., der in Luckenwalde (Teltow-Fläming) für die Anmeldung von rechten Aufzügen gegen ein dortiges Asylbewerberheim verantwortlich sein soll. Ein weiterer Angreifer war Mark Michalski. Er sitzt für die NPD in der Gemeindevertretung von Halbe, führt als Vorsitzender den NPD-Ortsverband im Amt Schenkenländchen und ist auf rechten Veranstaltungen als Liedermacher aktiv.

Der Angriff war von langer Hand geplant

Bislang war bekannt, dass zehn Brandenburger an der überfallartigen Attacke von etwa 40 Neonazis in Weimar beteiligt waren. Nun korrigierte das Ministerium nach oben. Demnach waren 17 Neonazis aus Brandenburg bei dem brutalem Übergriff dabei, der nach PNN-Recherchen vom JN-Bundesvorstand von langer Hand geplant war. Das Landeskriminalamt in Thüringen ermittelt wegen der Attacke von Weimar wegen Landesfriedensbruchs.

Die Angreifer hatten auf der DGB-Kundgebung das Mikrofon an sich gerissen und rechte Parolen skandiert. Sie hatten Besucher der Kundgebung attackiert, drei Menschen leicht verletzt. Zudem beschimpften sie Gewerkschafter als „Arbeiterverräter“. Die Tat hatte einen Hintergrund: Am 2. Mai 1933 stürmten Nationalsozialisten in ganz Deutschland die Gewerkschaftshäuser und zerschlugen mit den freien Gewerkschaften den letzten institutionalisierten Widerstand gegen ihre Machtergreifung.

Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz

Zu elf der 17 Beteiligten aus Brandenburg liegen den Sicherheitsbehörden Informationen vor, dass sie der NPD oder der JN angehören oder sie zumindest unterstützen – teilweise in „verantwortlicher Position“. Die elf Neonazis sind bei der Polizei mit einer Reihe von Straftaten registriert: Es geht um Volksverhetzung, Körperverletzung, Brandstiftung, Landfriedensbruch, Raub, Bedrohung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz. Viele der Neonazis stammen aus der Region Teltow-Fläming, Dahme-Spreewald und Oder-Spree. Je vier wohnen in Baruth und Halbe, je zwei in Zossen, Königs Wusterhausen und Groß Köris, jeweils einer in Wildau, Storkow und Nauen.

„III. Weg“ greift mit Aufmarsch in Zossen direkt in JN-Gebiet ein

Mit seinem Aufzug in Zossen greift die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ nun direkt in bisheriges NPD -und JN-Gebiet ein. Die Anhänger der Partei wollen Samstagvormittag ab 10 Uhr vor dem Zossener Rathaus für einen „Ausländerstopp“ demonstrieren. Ab etwa 13.30 Uhr plant „Der III. Weg“ eine Kundgebung in Damsdorf. Dort will der Landkreis Potsdam-Mittelmark in einer ehemaligen Bundeswehrkaserne bis zu 600 Asylbewerber unterbringen. Wegen der Skepsis in der Bevölkerung hoffen die Neonazis dort auf Zuspruch. Bei einer Bürgerversammlung hatten Vertreter der Neonazi-Partei vor dem Gebäude ausländerfeindliche Flyer verteilt, im Saal war die Stimmung hitzig.

Ende Mai wollten Neonazis in Kloster Lehnin für inhaftierte Rechtsextremisten Fußball spielen. Weil die Polizei ihnen zuvorkam, mussten sie nach Grabow ausweichen. © Screenshot
Ende Mai wollten Neonazis in Kloster Lehnin für inhaftierte Rechtsextremisten Fußball spielen. Weil die Polizei ihnen zuvorkam, mussten sie nach Grabow ausweichen. © Screenshot

Ebenfalls in Kloster Lehnin versuchten Ende Mai Dutzende Neonazis – von denen einige auch beim „III. Weg“ mitwirken – ein Solidaritäts-Fußballturnier für inhaftierte Rechtsextremisten zu veranstalten. Weil dieses auf einem öffentlichen Sportplatz stattfinden sollte, hatte die Polizei das Turnier auf Geheiß der Gemeinde allerdings unterbunden. Gekickt haben die Neonazis dann in Grabow – auf einem etwas abseits im Wald gelegenen Fußballplatz (PNN berichteten).

Die Splitterpartei um Maik Eminger vertritt einen strammen Neonazismus

Die Splitterpartei wird in Brandenburg maßgeblich von Maik Eminger geführt, dessen Zwillingsbruder André Eminger Mitangeklagter im NSU-Prozess ist. Der Verfassungsschutz misst ihm eine bundesweite Bedeutung in der Neonazi-Szene bei. Zuletzt versuchte er immer wieder – wie mit dem Fußballturnier in Grabow – die sonst zerstrittene rechtsextreme Szene zu vereinen. Bei bisherigen Aktionen der Splitterpartei war Eminger auch stets Versammlungsleiter und Redner. Die Partei vertritt einen strammen Neonazismus in der nationalrevolutionären Tradition, beschreibt sich selbst als „national, revolutionär, sozialistisch“ und ist europaweit bestens vernetzt. Das Programm ist stark an das der NSDAP angelehnt, der Name erinnert an das Dritte Reich.

In Zossen formiert sich Gegenprotest

Zumindest in Zossen formiert sich Gegenprotest. Wie Jörg Wanke von der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ sagte, soll in Hör- und Sichtweite zum „III. Weg“ protestiert werden: „Wir wollen klarmachen, dass wir Aktivitäten von Neonazis nicht unwidersprochen stehen lassen. Vor allem wollen wir, dass die Rechtsextremen nicht wieder in der Form wie in den Jahren 2009 und 2010 aktiv werden können.“ Damals hatten Neonazis einen Brandenanschlag auf das „Haus der Demokratie“ und mehrere antisemitische Propagandaaktionen verübt. An den Protesten wollen sich auch die Flüchtlingshilfe Zossen und die evangelische Kirche beteiligen.