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Die tiefbraune Szene vereint

 

Karl-Heinz Statzberger (l.), ein verurteilter Rechtsterrorist, rief dazu auf, „jede Stadt und jedes Dorf zu Freital“ zu machen. © Hardy Krüger
Karl-Heinz Statzberger (l.), ein verurteilter Rechtsterrorist, rief dazu auf, „jede Stadt und jedes Dorf zu Freital“ zu machen. © Hardy Krüger

Die rechtsextreme Splitterpartei „Der III. Weg“ marschiert in Zossen und Damsdorf auf. Immer deutlicher zeigt sich ihre Anziehungskraft in der zerstrittenen rechten Szene.

Von Hardy Krüger und René Garzke, Potsdamer Neueste Nachrichten

Zossen/Kloster Lehnin – An zwei Kundgebungen der rechtsextremen Splitterpartei „Der III. Weg“ in Zossen (Teltow-Fläming) und Kloster Lehnin (Potsdam-Mittelmark) nahmen am vergangenen Samstag Dutzende Neonazis teil – vor allem der harte Kern der brandenburgischen Neonazi-Szene war es, der für einen „Ausländerstopp“ und gegen in beiden Orten geplante größere Flüchtlingsunterkünfte demonstrierte: Dabei waren Gewalttäter, Rechtsterroristen und sogenannte Freie Kräfte.

Angemeldet waren beide Versammlungen – an denen bis zu 50 Neonazis teilnahmen – von Maik Eminger aus Grabow, der als bundesweite Szenegröße gilt. Zuletzt hatte der Bruder des im Münchner NSU-Prozess mitangeklagte André Eminger immer wieder versucht, die rechte Szene Brandenburgs zu vereinen – organisierte ein Solidaritäts-Fußballturnier für inhaftierte Rechtsextremisten, veranstaltete nächtliche Fackelmärsche und meldete mehrere Kundgebungen an, an denen sich Neonazis über Parteigrenzen hinweg beteiligten. Das wurde abermals in Zossen und Kloster Lehnin deutlich: Neonazis, die von Szenebeobachtern den Freien Kräften zugeordnet werden, trugen „III. Weg“-Shirts, die NPD-Funktionärin Manuela Kokott hielt Reden, Mitglieder des Landesverbandes der Partei „Die Rechte“ – vorrangig aus Ostbrandenburg – waren angereist, auch verurteilte Gewalttäter standen hinter den Transparenten. So beteiligte sich etwa Sascha L., der 1996 in Brandenburg/Havel den Punk Sven Beuter zu Tode prügelte, abermals an einer Aktion vom „III. Weg“.

Maik Eminger gilt als bundesweite Szenegröße. Zuletzt versuchte er immer wieder, die rechtsextreme Szene Brandenburgs zu vereinen. © Hardy Krüger
Maik Eminger gilt als bundesweite Szenegröße. Zuletzt versuchte er immer wieder, die rechtsextreme Szene Brandenburgs zu vereinen. © Hardy Krüger

Rechtsextreme Kundgebung: Freital solle Vorbild sein
Als Redner trat auch Karl-Heinz Statzberger auf. Er war Mitglied einer rechtsterroristischen Vereinigung und wurde zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, weil er an der Planung für den versuchten Anschlag auf die Münchner Synagoge im Jahr 2003 beteiligt war. Statzberger rief dazu auf, „jede Stadt und jedes Dorf zu Freital“ zu machen, wo seit Wochen ausländerfeindliche Proteste gegen ein Asylheim abgehalten werden.

Mit Patrick D. war zudem der Frontmann der Potsdamer Rechtsrock-Band Preussenstolz dabei. Der ehemalige Bad Belziger NPD-Stadtverordnete Pascal Stolle – der im März zum „III. Weg“ wechselte und daraufhin sein Mandat aufgab – mischte sich in Zossen unter die Gegendemonstranten und versuchte, diese zu fotografieren. Nachdem er erkannt wurde, wurden durch die Polizei seine Personalien festgestellt und er erhielt für alle Versammlungen – sowohl in Zossen als auch in Damsdorf – einen Platzverweis.

„III. Weg“ rekrutiert parteilose Neonazis
Auffällig bei der Aktion am Wochenende war, dass vergleichsweise viele Personen, die den parteilosen Neonazis – also Freien Kräften – in Potsdam zugerechnet werden, T-Shirts vom „III. Weg“ trugen. Die Potsdamer Neonazis treten unter dem Label „Licht & Schatten“ auf, auf ihrer Webseite haben sie alle Aktionen der Splitterpartei frühzeitig beworben. Kurz vor dem Verbot des braunen Netzwerks „Freies Netz Süd“ im Juni 2014 gründeten Neonazis in Bayern die Partei „Der III. Weg“. „So glaubt man sich vor Verbotsmaßnahmen auf Grundlage des Vereinsrechts sicher. Schließlich kann die rechtskräftige Verfassungswidrigkeit von Parteien nur durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden“, erklärte Bandenburgs Innenministerium.

Dirk Wilking, Geschäftsführer des Instituts für Gemeinwesensberatung, bestätigte im „Neuen Deutschland“ Bemühungen der Partei, Personal der NPD abzuwerben. Außerdem solle Klientel außerhalb klassischer Szenekreise wie Rocker für den „III. Weg“ rekrutiert werden, um weitere Strukturen aufzubauen. Schon längst wird auch in Sicherheitskreisen davor gewarnt, dass sich die Neonazi-Szene durch die Konkurrenz vom „III. Weg“ mit seiner offen zur Schau getragenen Militanz und unverholenen Nähe zur NSDAP-Tradition weiter radikalisiert. Der NPD-Nachwuchs JN hat bereits die Rückkehr zum Kampf um die Straße propagiert, mehrere Mitglieder waren in diesem Jahr an Gewalttaten beteiligt.

Mehr als 200 Zossener stellten sich in ihrer Stadt dem "III. Weg" entgegen. © Hardy Krüger
Mehr als 200 Zossener stellten sich in ihrer Stadt dem „III. Weg“ entgegen. © Hardy Krüger

200 Gegendemonstranten in Zossen
Sowohl im Zossener Stadtteil Wünsdorf als auch im Kloster Lehniner Ortsteil Damsdorf blieben die Kundgebungen der Kleinstpartei nicht unerwidert. In Zossen-Wünsdorf waren es am Vormittag 200 Personen, die sich den Neonazis entgegenstellten, mittags in Damsdorf 30. Den Zossenern gelang es – mit Trillerpfeifen und dem Glockengeläut der angrenzenden Kirche –, die Neonazis zeitweise zu übertönen. Jörg Wanke, Sprecher der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ erklärte: „Wir lassen nicht zu, dass Flüchtlinge auf welche Art auch immer von Fremdenfeinden attackiert werden.“ Nach Polizeiangaben verliefen alle Versammlungen friedlich. Augenzeugenberichten zufolge sollen noch vor Beginn der Kundgebung in Zossen Gegendemonstranten am Bahnhof von Neonazis angegangen worden sein – unter anderem von Pascal Stolle, der erst kürzlich eine Geldstrafe in Höhe von 900 Euro zahlen musste, weil er auf Facebook Hitler verehrt hatte. (mit Alexander Fröhlich)

Weitere Fotos finden Sie beim Presseservice Rathenow.