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Würstchen hinter Gittern

 

Die "Freien Patrioten" konnten nur wenige Teilnehmer mobilisieren. Foto: René Garzke
Die „Freien Patrioten“ konnten nur wenige Teilnehmer mobilisieren. Foto: René Garzke

Am Potsdamer Luisenplatz blieb es am Samstag ruhig. Statt 700 kamen nur 50 Rechte, aber mehr als 300 Gegendemonstranten. Und die „Patrioten“ grillten.

Von René Garzke, Potsdamer Neueste Nachrichten

Potsdam – Das Szenario klang bedrohlich: Der Pogida-Klon „Freie Patrioten Potsdam“ hatte angekündigt, am Samstag auf dem Luisenplatz zu demonstrieren – sechs Stunden lang mit 700 Teilnehmern. Linke Gruppen riefen im Internet dazu auf, Chaos zu stiften. Zeitgleich hatte die Polizei in Potsdam das DFB-Pokal-Spiel des SV Babelsberg 03 gegen den Bundesligisten SC Freiburg und die Schlössernacht abzusichern – das Ganze auch wegen der Urlaubszeit mit einer dünnen Personaldecke. Dabei hatte die erste Pogida-Demonstration im Januar gezeigt: Ist die Polizei mit nur wenigen Kräften vor Ort, gibt es Krawall.

Nur 50 statt 700 „Patrioten“ demonstrierten in Potsdam

Dennoch blieb es am Samstag weitgehend ruhig. Statt 700 „Patrioten“ waren es nur 50. Die meisten Ingewahrsamnahmen gab es, bevor überhaupt eine der Kundgebungen angefangen hatte. 25 Personen aus dem linken Spektrum hatten sich schon um 11 Uhr, drei Stunden vor Beginn der Kundgebungen, am Luisenplatz getroffen, um dort zu frühstücken und den Platz zu besetzen, wie es hieß. Als die Polizei anrückte, verzogen sie sich in den Brunnen auf der Mitte des Platzes. Der wurde dann kurzerhand von Polizei und Feuerwehr leer gepumpt, die Blockierer abgeführt und in Gewahrsam genommen. Gegen sie wurden Ordnungswidrigkeitsanzeigen gestellt. Im Laufe der Versammlungen wurden zudem die Personalien einer 16-jährigen Gegendemonstrantin aufgenommen. Nach Polizeiangaben hatte sie Beamte bespuckt und gegen die Feststellung ihrer Personalien Widerstand geleistet. Sie wurde ihren Eltern übergeben.

Insgesamt nahmen an den Gegenprotesten über 300 Personen teil, das städtische Anti-Rechts-Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ hatte eine Kundgebung neben dem Brandenburger Tor angemeldet. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der auch Vorsitzender des Bündnisses ist, sagte dort: „Wir wollen deutlich machen, dass Potsdam mit Rechtsradikalen – wie sie sich auch immer nennen – nicht in Verbindung gebracht werden soll.“ Die meisten Gegendemonstranten aber standen rings um den mit Gittern eingezäunten Luisenplatz und übertönten von dort die Reden der „Patrioten“ – mit Trillerpfeifen, Musik und Sprechchören. Vorbeifahrende Autos wurden zum „Hupen gegen rechts“ animiert. Die Satire-Partei „Die Partei“ versuchte, mit besonderen Items „Pokémon Go“-Spieler zu den Protesten zu locken.

Eher ein Grillfest

Die Kundgebung der „Freien Patrioten“ erinnerte dagegen eher an ein Grillfest. Der frühere Pogida-Anmelder Christian Müller brachte mit dem Taxi Getränkekisten, einen Grill und Bierbänke. Und das, obwohl selbst Pogida seinerzeit versucht hatte, sich wegen seiner häufigen Gewaltausbrüche von ihm zu distanzieren.

Zwar tragen die „Freien Patrioten“ Potsdam im Namen – aus der Landeshauptstadt kamen dennoch höchstens ein Dutzend der Teilnehmer. Die Redner waren allesamt aus anderen Städten angereist, etwa aus Dresden, Prag und Berlin. Auch der dortige Pegida-Ableger „Bärgida“ kann kaum noch Teilnehmer zu seinen Demos mobilisieren. Schon bei Pogida traten regelmäßig Redner von Bärgida auf, Christian Müller besuchte im Gegenzug die Märsche in Berlin.

Inhaltlich knüpften die „Freien Patrioten“ am Samstag vor allem an Positionen der sogenannten Reichsbürger an. So wetterte Anmelder Eric Graziani Grünwald gegen eine vermeintliche Besetzung Deutschlands durch die USA und eine „BRD-Diktatur“. Die übrigen Teilnehmer stimmten während seiner Rede in ein gemeinsames „Ami go home“ ein. Außerdem gab es während der Kundgebung ein Gedenken an die Opfer islamistischer Gewalt.

Unter diesem Motto sollte auch der anschließende kurze Marsch durch die Innenstadt stehen. Vor allem aber riefen die Teilnehmer Beleidigungen in Richtung der Gegendemonstranten. Von der Schopenhauerstraße ging es über die Breite Straße und die Zeppelinstraße zurück zum Luisenplatz. Dabei wurden sie von Gegendemonstranten flankiert. Einzelne versuchten, vor den Marsch der „Patrioten“ zu gelangen und Sitzblockaden zu errichten. Die Polizei griff jedoch schnell ein und verhinderte das. Das aufgefahrene schwere Gerät – zwei Wasserwerfer aus Berlin und einen Räumpanzer – musste die Polizei nicht einsetzen, wenngleich ein Hubschrauber lange Zeit über der Innenstadt kreiste.

Polizei und Stadt zufrieden mit dem Einsatz

Für sich genommen sind die Einsätze bei Schlössernacht, Demonstrationen und Fußballspielen Routine für Brandenburgs Polizei. Dass drei Großveranstaltungen auf einen Tag zusammenfallen, war aber eine neue Lage. 700 Polizisten waren im Einsatz. Am Ende des Tages zeigten sich Oberbürgermeister Jakobs und Peter Meyritz, Leiter der Polizeidirektion West, zufrieden mit dem weitgehend friedlichen Verlauf. Ziel war es auch, dass die Gäste der Schlössernacht problemlos über den Luisenplatz zum Eingang am Grünen Gitter gelangen können. Meyritz sagte: „Die sehr gute Einsatzvorbereitung der letzten Wochen hat dazu beigetragen, dass die Polizei heute das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für die Teilnehmer der beiden politischen Versammlungen gewährleisten konnte.“ Kleine Zwischenfälle im Vorfeld der Versammlungen seien durch rasches und konsequentes Eingreifen der Bereitschaftspolizei beendet worden. Ausdrücklich dankte der Polizei-Chef den Gästen des Pokalspiels in Babelsberg: „Mein Dank geht auch an die Fußballfans, die wie versprochen einen Einsatz der Polizei nur für Verkehrsmaßnahmen notwendig machten und ein friedliches Fußballfest feierten.“ Jakobs erklärte: „Wir haben den nur 50 Rechten mit gewaltfreien Mitteln erneut gezeigt, dass sie in der Landeshauptstadt nicht willkommen sind.“ Einzig die „Freien Patrioten“ waren nicht zufrieden. „Ich hatte mit mehr Teilnehmern gerechnet“, sagte einer der Organisatoren.