Der neunte „Tag der deutschen Zukunft“ in Karlsruhe ist für die rechtsextreme Szene zum Reinfall geworden. Von den anvisierten 1.000 Neonazis kamen am Samstag nur knapp 300, vorwiegend aus Südwestdeutschland, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Nur vereinzelt kamen Teilnehmer aus anderen Bundesländern. 2018 wollen sie dann in Goslar marschieren.
Bereits die internen Auflagen, die Blockbildung und schwarze Fahnen untersagten, dürften Teile der erlebnisorientierten Autonomen Nationalisten abgeschreckt haben. Neonazis aus Hessen beschwerten sich zudem, dass ihnen Informationen vorenthalten worden waren. Sie fuhren nach Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten wieder nach Hause.
Auch die Versammlungsbehörden hatten Auflagen: Sie untersagten zwölf Neonazis das Reden vom Lautsprecher-Lkw und ließen einige Ordner nicht zu. Grund waren „einschlägige“ Reden und bekannte Gewalttäter unter den Ordnern, denen man nicht zutraute, auf andere potenzielle Gewalttäter mäßigend einzuwirken. So waren der Anmelder Manuel Mültin (Landesvorsitzender der Partei Die Rechte Baden-Württemberg), Christian Worch als Co-Anmelder und Bundesvorsitzender der Partei Die Rechte sowie eine unbekannte Frau die einzigen Redner an diesem Tag. Der Aufmarsch verzögerte sich, da die Versammlungsbehörde die nachträglich benannten Ordner erneut genau prüfte.
Unter wenigen Rufen und ohne größere Probleme zog der Aufmarsch die Route entlang. Die Demonstranten erreichten kaum Anwohner, teilweise ging es durchs Industriegebiet von Karlsruhe-Durlach. Mehr als 3.000 Polizisten sicherten die Demonstrationsroute mit Sperrgittern, zahlreichen Beamten und Wasserwerfern ab. Dennoch konnten am Rande immer wieder Gegendemonstranten in Hör- und Sichtweite ihren Protest äußern. Auch direkt an der Route fanden sich einige Sprühereien und Plakate an den Häuserwänden.
Laut Polizei nahmen rund 2.000 Menschen an einer zentralen Kundgebung gegen den Aufmarsch teil. Dort sprach unter anderem der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). Er ist Mitglied im Netzwerk Karlsruhe gegen Rechts. Weil Mentrup angekündigt haben soll, sich nicht gemeinsam mit „der Antifa“ auf eine Bühne stellen zu wollen, sorgte er für eine Spaltung innerhalb der Gegenproteste. Auch einige Parteien drohten für diesen Fall, nicht zu erscheinen. Namentlich wurde dabei die Interventionistische Linke erwähnt, die „kein geklärtes Verhältnis zur Gewalt“ habe.
Immer wieder versuchten autonome Linke an verschiedenen Stellen, vor allem in der Nähe des Turmbergs, die Absperrungen der Polizisten zu durchbrechen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit den Beamten, bei denen nach Polizeiangaben vier von ihnen verletzt worden seien. In der Pressemitteilung der Polizei ist die Rede von einer geringen Anzahl von Blessuren aufseiten der Gegendemonstranten. Die Gegendemonstranten sprachen von rund 100 Verletzten auf ihrer Seite. Die Polizei nahm 19 Demonstranten in Gewahrsam, darunter drei aus dem rechten Spektrum.
Eine umfangreiche Dokumentation des rechten Aufmarsches und der Gegenproteste war für Journalisten kaum möglich. Erst nach Anmeldung bei Pressebeamten am Bahnhof Durlach durften sie den abgesperrten Bereich der Neonaziroute betreten. Nur 20 Journalisten durften auf der Route laufen, ausschließlich mit einem Abstand von 30 Metern vor dem Fronttransparent. An der Seite des Aufmarsches durften sie sich nicht aufhalten, weil es laut Polizei zu gefährlich sei. Statt gegen potenzielle Störer vorzugehen und so die Pressefreiheit zu schützen, wurden die Journalisten bei ihrer Arbeit beschränkt. Auch Proteste vor Ort konnten das nicht ändern.
Polizisten schafften es nicht, Übergriffe von Neonazis auf Journalisten zu verhindern. Bereits bei der Auftaktkundgebung spuckte ein Neonazi einem Fotografen vor den Augen der Beamten ins Gesicht und entfernte sich. An einer anderen Stelle bauten Neonazis mit Regenschirmen einen Sichtschutz auf und stachen mehrfach in Richtung der Köpfe und Oberkörper der Journalisten. Danebenstehende „szenekundige Beamte“ des Landeskriminalamtes schritten nicht ein. Während der Zwischenkundgebung kam es ebenfalls zu Handgreiflichkeiten und Bedrohungen seitens der Neonazis gegenüber Journalisten. Auch dort schritten Polizeikräfte nicht konsequent ein. Neonazis mit Pressewesten und ohne Presseausweis konnten sich dagegen frei bewegen.
Am Ende des Aufmarsches wurde Neonazis aus dem niedersächsischen Nordharz das Transparent des „Tags der deutschen Zukunft“ übergeben. Der nächste Jubiläumsmarsch findet 2018 in Goslar statt, auf der Gegendemonstration wurde bereits zum Protest aufgerufen.