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Angriff der Antidemokraten – Die völkische Rebellion der Neuen Rechten

 

Der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn legt mit seinem neuen Buch ein starkes Plädoyer für eine wehrhafte Demokratie und gegen eine völkische Rebellion vor. Trotz kleiner Schwächen ist das Buch ein lesenswerter Aufruf für ein demokratisches Engagement.

Als die AfD 2013 gegründet wurde, taten sich die Politologen und Analysten zunächst schwer mit einer Einschätzung der jungen Partei. Wenig war jenseits der Führungsfiguren über deren Personal und Inhalte bekannt. Gleichzeitig unterlag die AfD einem ständigen Machtkampf und war auch programmatisch in Diskussionsprozessen eingebunden. Schritt für Schritt wurde in den vergangenen Jahren die Ausrichtung der Partei und ihres Umfeldes immer sichtbarer und damit auch die Analysen vielfältiger. Viele der zumeist politikwissenschaftlichen oder historischen Publikationen haben sich vor allem auf die ideologischen Wurzeln von weiten Teilen der AfD und deren historische Vorläufer konzentriert: Die „Neue Rechte“ und die „Konservative Revolution“.

 

Mit dem rund 200 Seiten starken Buch „Angriff der Antidemokraten. Die völkische Rebellion der Neuen Rechten“ hat nun auch der Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperte Samuel Salzborn eine weitere Publikation vorgelegt. Sie ist nicht allein Analyse, sondern in weiten Teilen auch Plädoyer für eine wehrhafte Demokratie und gegen völkische Positionen als Teil der politischen Kultur. „Es geht darum“, schreibt Salzborn, „wie der Angriff der Antidemokrat(inn)en erfolgt, warum ihre Ziele antidemokratisch und demokratiefeindlich sind [und] wie die Bezugnahmen auf völkische Bewegungen erfolgen“. Im Verständnis des Autors versteht sich das Buch als „dezidiertes Plädoyer […] an alle Bürgerinnen […] alles dafür zu tun, um weitere Erfolge der völkischen Rebellen am rechten Rand der Gesellschaft zu verhindern“. Damit geht Salzborn über die üblichen politikwissenschaftlichen Analysen hinaus und bezieht deutlich Stellung. Dies im Selbstverständnis einer Politikwissenschaft, „die sich als Aufklärungswissenschaft versteht“ und „klar Stellung nehmen muss für Aufklärung und Demokratie“.

Ein Blick in Geschichte und Gegenwart

Neurechter Vordenker Götz Kubitschek am 9. Feburar 2015 als Pegida-Redner in Dresden © dpa / Arno Burgi

Die mit nur rund 200 Seiten eher wenig umfangreiche Publikation ist in insgesamt zehn Kapitel unterteilt, die sich analytisch sowohl den historischen Vorläufern der AfD und der „Neuen Rechten“ widmen, als auch einen Blick in aktuelle Debatten werfen. Darunter Abschnitte zur „Konservativen Revolution“, die „Neue Rechte“ in der Bundesrepublik, Analysen zu Carl Schmitt, der Bedeutung von Religion für die „Neue Rechte“, den antisemitischen Tendenzen der Denkrichtung oder auch dem „Hass auf die Gleichheit“. Im Kern der Kapitel geht es darum, einerseits zu zeigen, dass die „völkische Rebellion“ eine dezidiert antidemokratische Strömung ist, die sich auf einem Feldzug gegen den parlamentarische Demokratie befindet. So schreibt Salzborn zur Kontinuität von Schmitt und der aktuellen „Neuen Rechten“:

„Im Kern geht es bei dem antiparlamentarischen Affekt der populistisch agierenden extremen Rechten um das, was eben schon Schmitt als einer der zentralen Wegbereiter des Nationalsozialismus gefordert hat: eine gelenkte Demokratie auf Basis eines erfühlten (d.h. von den Rechten diktierten) ‚Volkswillens‘, der auf völkische Homogenität und einem kategorialen und militarisierten Freund-Feind-Denken basiert. Dass dieses Denken in die Barbarei führt, kann man heute wissen“

Andererseits will Salzborn neben der Analyse zeigen, dass eine wehrhafte, pluralistische Demokratie völkische Ideologen nicht unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit am Diskurs teilhaben lassen muss: „Und zum Konzept des Pluralismus gehört, klar zu sagen, was nicht demokratisch, was antidemokratisch und was demokratiefeindlich ist“.

Als die drei „Schlüsselinstrumente“ des Angriffs der Antidemokraten sieht Salzborn die „Schaffung von (hochemotionaler) Daueröffentlichkeit für die eigenen Positionen“, die „Suggestion einer ungerechtfertigten Ausgrenzung von völkischen und rassistischen Positionen aus der öffentlichen Debatte“ und die „Stilisierung der eigenen Positionen als ein Kampf gegen alle anderen, die dann als ‚Etablierte‘, ‚Systemparteien‘ o. ä. tituliert werden“. Gegen jene Strategien fordert Salzborn ein deutliches Agieren im Sinne einer wehrhaften Demokratie. So müsse die Demokratie „um ihrer selbst willen, diese Forderungen konsequent ausgrenzen und – mehr noch – die völkischen Rebell(inn)en als das bekämpfen, was sie sind: nicht einfach Gegner, sondern Feinde der Demokratie“. Außerdem dürfe man unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit keine demokratiefeindliche Hetze akzeptieren und müsse Fakten klar von Meinungen unterscheiden. So sei beispielsweise die Leugnung des Holocaust keine Frage von Meinungsfreiheit, sondern schlicht eine Lüge. Hier seien sowohl die Medien gefordert, als auch die Strafverfolgungsbehörden, die auch im digitalen Raum konsequent geltende Gesetze umsetzen müssen, wenn online Hass verbreitet werde. Zuletzt fordert Salzborn die Rückkehr des demokratischen Streits in der politischen Auseinandersetzung. „Kern der Demokratie ist der Konflikt“, schreibt der Politikwissenschaftler.

„Um dies wieder kenntlicher werden zu lassen, müssen alle demokratischen Parteien sich von einer falschen Fiktion einer politischen Mitte verabschieden und wieder klar und deutlich sehen und artikulieren, welche sozialen, ökonomischen und politischen Interessen sie vertreten“.

Pegida als Teil der völkischen Rebellion © Felix M. Steiner

Kleines Buch mit kleinen Schwächen

Insgesamt legt Salzborn ein sehr lesenswertes Buch zur „völkischen Rebellion“ vor, welches besonders durch die deutlich artikulierte Haltung des Autors hervorsticht. Damit ist ihm in der Tat ein gutes Plädoyer für eine wehrhafte Demokratie gelungen, die sonst selten in politikwissenschaftlichen Publikationen anzutreffen ist. Dem ein oder anderen Kapitel hätte mehr Platz für ausführlichere Beschreibungen gut getan und besonders die Ausführungen zu Carl Schmitt sind in ihrer Komplexität und Kürze teils etwas schwierig lesbar. Dies tut aber dem insgesamt schlüssigen Konzepts des Buches keinen Abbruch.