Der australische Bioethiker Peter Singer erhält heute Abend in der Berliner Urania einen Preis – den nach ihm benannten „Peter-Singer-Preis für Strategien zur Tierleidminderung“ eines neu gegründeten gleichnamigen Fördervereins. Doch Peter Singer ist keinesfalls unumstritten.
In seinem Buch Muss dieses Kind am Leben bleiben? erläutert der Wissenschaftler, warum es legitim sein könne, behinderte Neugeborene in den ersten 28 Tagen nach der Geburt umzubringen. Die Neugeborenen hätten keine Selbstwahrnehmung. Über die Lebensqualität behinderter Kinder und deren Weiterleben soll seiner Ansicht nach ein Gremium entscheiden. Erst im April hatte Singer in einem Radiointerview mit einem US-Sender gesagt, dass es durchaus angemessen sei, wenn der Staat oder private Versicherer die Behandlung behinderter Kinder ablehnen würden.
Protest
So ist es nicht überraschend, dass vor allem behinderte Menschen und ihre Organisationen die Preisverleihung an Peter Singer scharf kritisieren und zu Protestaktionen am Tag der Preisverleihung aufgerufen haben. Sie halten Singer für jemanden, der die Lebensqualität und das Lebensrecht behinderter Menschen in unzulässiger Art und Weise infrage stellt. Trotzdem will eine Gruppe Wissenschaftler, Aktivisten und Tierschützer dem Professor der US-amerikanischen Princeton University den Preis verleihen. Die Laudatio sollte Michael Schmidt-Salomon von der Giordano-Bruno-Stiftung halten. Dieser hat aber nun bekannt gegeben, er werde als Laudator nicht mehr zur Verfügung stehen. Grund ist ein aktuelles Interview mit Singer, das die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) veröffentlichte. „Peter Singer hat in diesem Interview Positionen vertreten, die meines Erachtens nicht nur im Widerspruch zu einem humanistisch-emanzipatorischen Politikverständnis, sondern auch im Widerspruch zu seinen früheren Standpunkten stehen“, sagte Schmidt-Salomon. „In dieser Situation muss ich die Reißleine ziehen, denn ich kann keine Laudatio auf einen Preisträger halten, bei dem ich nicht einschätzen kann, welche Positionen er tatsächlich vertritt.“
Singer hat bereits den Ethik-Preis der Giordano-Bruno-Stiftung erhalten. Auch damals gab es scharfe Kritik und Proteste vonseiten der Behindertenbewegung.
Abgeordnete empört
Aber auch Politiker fordern über Parteigrenzen hinweg eine Absage der Veranstaltung. „Hier wird einem Mann ein Podium geboten, der behinderten Menschen – insbesondere Säuglingen – das Lebensrecht abspricht. Das geht gar nicht“, kommentierte der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Uwe Schummer. Die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen, Corinna Rüffer sagte: „Dass jemand, der die Tötung behinderter Säuglinge legalisieren will, ausgerechnet in Deutschland zum wiederholten Mal einen Preis bekommt, treibt mich vor Wut auf die Palme.“ Die Bundestagsabgeordnete Katrin Werner (Linke) kritisierte die Berliner Urania dafür, dass sie ihre Räumlichkeiten für solch eine Preisverleihung zur Verfügung stelle.
Auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe ist entsetzt. Bundesvorsitzende und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Ulla Schmidt (SPD) schrieb einen offenen Brief an die Preisverleiher, die Laudatoren und die Verantwortlichen der Urania:
„Uns ist unverständlich, dass bei der Auslobung des Preises und der Wahl Peter Singers für die Preisverleihung ganz offensichtlich nicht bedacht wurde, dass Herr Singer sich zwar um die Förderung der Tierrechte verdient gemacht hat, dabei aber das Lebensrecht von Menschen mit schweren Beeinträchtigungen in einer Weise infrage stellt, die einer solchen Ehrung diametral entgegensteht. Peter Singer, der den in Deutschland grundrechtlich und in der internationalen Staatengemeinschaft menschenrechtlich gewährleisteten Schutz des Lebens jedes Menschen bezweifelt und in der Folge ein uneingeschränktes Lebensrecht von Menschen aufgrund ihrer Beeinträchtigung und dem damit einhergehenden Fehlen von Rationalität, Autonomie und Selbstbewusstsein bestreitet, mit einem Preis auszuzeichnen, der noch dazu seinen Namen trägt, lässt jede Sensibilität für die Gleichwertigkeit menschlichen Lebens, für die Gleichheit der Menschen vermissen. Nicht zuletzt führt diese Auszeichnung zur Diskriminierung von Menschen mit schweren Beeinträchtigungen, die im Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes, der Grundlage unseres demokratischen Staates verboten ist.“
Dem ist wohl nichts hinzuzufügen…