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Kleenex und Ikea: Werbung mit behinderten Menschen

 

Ich habe ja eine Vorliebe für originelle Werbung, vor allem wenn behinderte Menschen darin vorkommen. Das passiert leider ziemlich selten und wenn, dann wird sich oft vieler Klischees bedient. Aber Tatsache ist auch, es gibt immer mehr Werbespots, in denen auch Menschen mit Behinderungen vorkommen und nicht alle sind so tränendrüsenfordernd wie der Spot von Kleenex in den USA.

Ein Rollstuhlfahrer hat einen behinderten Hund, der ebenfalls eine Art Rollstuhl hat. Ja, bitte schluchzen Sie jetzt, aber vergessen Sie nicht, vorher die Kleenex bereitzustellen.

Erste Wohnung ist wie eine Mondlandung

Früher nutzten auch Hilfs- und Behindertenorganisationen gerne die Tränendrüse, um für Spenden für ihre Projekte zu werben. Dass das auch anders geht, zeigt gerade die Kampagne der Lebenshilfe in Wien. Ich bin auf die Kampagne aufmerksam geworden, weil ich an dem Plakat vorbeikam und spontan stehenblieb. Wenn man spontan an einem Werbeplakat stehenbleibt und schmunzeln muss, hat die Agentur vieles richtig gemacht.

Kleenex und IKEA: Werbung mit behinderten Menschen

Die Kampagne zeigt, wie Menschen in ihrer ersten Wohnung und in ihrem ersten Job landen – in der Optik der berühmten Mondlandung. Als Spendenaufruf wurde der legendäre Satz des ersten Menschen auf dem Mond adaptiert: „21. Juli 2016: Philipp S. landet in seiner ersten Wohnung.“ Zu sehen ist ein junger Mann mit Down-Syndrom, der stolz vor einem Sofa steht mit einer Fahne in der Hand.

Ikea mit Gebärdensprache

Und noch eine Werbung ist mir in Österreich aufgefallen. Ikea wirbt gerade mit einem Paar, das ein Baby erwartet. Die beiden kommunizieren in Gebärdensprache und werben so für Ikea.

Leider gebärden beide sehr schlecht. Sowohl der Österreichische Gehörlosenbund als auch eine Gebärdensprachdolmetscherin haben mir das bestätigt.

„Uns ging es in diesem TV Spot darum, zu zeigen, dass das Zuhause dort ist, wo Menschen zusammenkommen, unabhängig davon, wer sie sind und in welcher Lebenssituation sie sich befinden“, sagte mir die Ikea-Sprecherin Barbara Riedl. „Dass wir damit auch zum Nachdenken anregen, ist ein gewollter Nebeneffekt.“

Während der Spot bei Hörenden ganz gut ankommt, kommt die Hauptkritik an dem Spot von gehörlosen Menschen. Der Österreichische Gehörlosenbund ist nach eigenen Angaben nur einen Tag vor dem Dreh von Ikea kontaktiert worden, um beratend zur Seite zu stehen.

Und so bestätigte mir Ikea, was viele schon vermuteten: Beide Darsteller sind im wirklichen Leben nicht gehörlos. Die Frau stellt allerdings laut Ikea sowieso eine Hörende dar. „Es handelt sich um Schauspieler, die von einer Gebärdensprachtrainerin unterwiesen wurden. Die Gebärden sind also echt“, teilt mir Ikea mit. Nur eben leider so schlecht gebärdet, dass die gehörlosen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, nicht sehr happy über den Spot sind.

Wer sich ein bisschen mit der Kultur gehörloser Menschen auskennt, weiß, dass diese sehr empfindlich reagieren, wenn ihre volle, umfassende Sprache – in diesem Fall die Österreichische Gebärdensprache – nicht authentisch dargestellt wird. Hörenden wird das vermutlich nicht auffallen, aber gehörlosen Zuschauern natürlich schon. Man lässt ja auch nicht einen Schauspieler einen Deutschen spielen, der nur sehr gebrochen Deutsch spricht, und hofft, es merkt niemand.

Ikea hat damit leider eine Chance vertan, auch die gehörlosen Kunden für den Spot zu begeistern. Diese haben eher den Eindruck, dass man sich nicht wirklich die Mühe gemacht hat, ihre Sprache korrekt wiederzugeben und vielleicht sogar gehörlose Darsteller zu finden. Es gibt gehörlose Schauspieler. Man muss sie aber eben auch engagieren. Ikea dazu: „Wir hatten in der Entstehungsphase des TV-Spots Kontakt zum Österreichischen Gehörlosenbund (ÖGLB) und haben natürlich auch darüber nachgedacht, einen Gehörlosen zu engagieren. Aus praktischen Gründen haben wir uns für Schauspieler entschieden.“ Schade, denn den Spot an sich sowie Gebärdensprache in der Werbung einzusetzen, halte ich für eine super Idee. Bitte weiter solche und ähnliche Werbeideen umsetzen, aber dann auch möglichst authentisch.