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Durch barrierefreie Bahnen in den Ruin?

 

Bis 2022 sollen öffentliche Verkehrsmittel barrierefrei sein. So will es die EU. Dieses Ziel ist keineswegs überraschend. Immerhin gibt es barrierefreie Straßenbahnen und Busse nicht erst seit gestern, sondern seit mehr als 25 Jahren. Und obwohl das so ist, befürchten nun einige Städte, die verpflichtende Barrierefreiheit würde ihre Verkehrsbetriebe in den Ruin treiben. Das Ziel treibe die Straßenbahnbetriebe in Brandenburg in Existenznot, berichtete die Märkische Oderzeitung (MOZ) Anfang Oktober.

Gesucht: viel Geld für neue Straßenbahnen

Insgesamt müssten die Städte laut MOZ bis zu 170 Millionen Euro in die Hand nehmen, um den gesetzlichen Forderungen gerecht zu werden. Frankfurt an der Oder beispielsweise habe nur acht barrierefreie Straßenbahnzüge. Es müssten 13 neue Garnituren angeschafft werden. Veranschlagte Kosten: 32,5 Millionen Euro. In Cottbus wiederum müssten 20 Züge angeschafft werden. Jeder Zug kostet laut dem Zeitungsbericht 2,5 Millionen Euro.

Das hört sich nach einer riesigen Zumutung ab. Aber mein Mitleid mit den Städten hält sich in Grenzen. Denn eigentlich müsste die Zeitungsschlagzeile heißen: „Manche Städte ignorieren seit mehr als 20 Jahren die Barrieren ihrer Verkehrsinfrastruktur.“

Seit 1989 Stand der Technik

Ich habe nachgesehen, seit 1989 gibt es in Serie produzierte Niederflurstraßenbahnen in Europa. Seit der Wiedervereinigung also hätten die Städte überlegen können, wie sie künftig ihren Straßenbahnbetrieb auf Niederflurstraßenbahnen umstellen, so wie das andere Städte in den vergangenen 20 Jahren getan haben. Bei dieser Technik geht es nicht um irgendwelche neumodischen Wünsche technikbegeisterter Bahn-Enthusiasten, sondern darum, möglichst vielen den Zugang zum örtlichen Nahverkehr zu ermöglichen.

Nichts tun kann teuer werden

32 Millionen Euro muss Frankfurt an der Oder also jetzt in die Hand nehmen, um seine veralteten Bahnen endlich loszuwerden. Hätte man früher damit begonnen, hätte man die Kosten über die Jahre verteilen können. Barrierefreiheit stand bei vielen Städten nicht sonderlich weit oben auf der Prioritätenliste, und das gilt nicht nur für Städte in Brandenburg. Jahrzehntelang hat man behinderte und alte Menschen im Regen stehen lassen und wundert sich nun, dass die EU – mit viel Vorlauf – sagt, dass damit Schluss sein muss.

Nun wird nach dem Land als edlem Spender für die Bahnen gerufen. Den Bürgern wird es egal sein, woher das Geld kommt. Aber wer jahrzehntelang pennt, sollte dafür nicht vom Land belohnt werden.