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Auf Englisch noch blöder

 

Guns n‘ Roses, Queen, Whitney Houston und Daft Punk haben etwas gemeinsam: Ihre Stücke werden von dem Kölner Duett Wolke nachgespielt

„Ich will mich befreien, ich will mich be-he-freien! Ich will mich befreien, denn du brauchst nur dich selbst, deine Lügen die brauch ich nicht. Ich muss mich befreien, Gott weiß, ich will mich befreien.“ Das klingt irgendwie bekannt? Freddy Mercury schmachtete diese Zeilen vor dreiundzwanzig Jahren ins Mikrofon – auf englisch natürlich: I Want To Break Free. Im Hintergrund litt sich seine Band Queen nicht weniger leidenschaftlich durch ein bombastisches Rockstück. Und hier? Ein Klavier spielt ein sanftes pling-pling-pling-pling, dazu ein freundlicher Bass und ein elektronischer Rhythmus, zurückhaltend, fast weinerlich gesungene Worte. Was ist das?

Ich will mich befreien ist das Titelstück eines Minialbums des Kölner Duetts Wolke. Sie interpretieren darauf fünf sehr unterschiedliche Lieder aus sehr unterschiedlichen Richtungen. Da sind zu hören Stücke von Queen, den kalifornischen Rockern Guns n’ Roses, dem Soulpopsternchen Whitney Houston, von Daft Punk aus Frankreich und der Frankfurter Tanzkombo Snap.

Wolke, das sind Oliver Minck und Benedikt Filleböck. Ihre behutsam arrangierte Popmusik tragen sie mit Bass und Klavier vor, dazu singen sie, ein programmiertes Schlagzeug ploppt die Rhythmen. Der Name passt, bei Wolke klingt alles leicht. Zwei Alben haben sie bisher veröffentlicht, Sušenky (2005) und Möbelstück (2006), Sušenky ist tschechisch und heißt Süßigkeit, auch das passt.

Ein Xylophon gibt den Takt vor in Um die Welt rum, dazu werden ein paar Akkorde auf dem Bass geschrammelt, später klatscht es programmiert, jemand spielt Harmonium. Die französische Band Daft Punk schrieb das Original, Around The World. Viel zu übersetzen gab es in diesem Fall nicht, sie singen nur immer wieder „Um die Welt rum“, zweiundvierzig Mal. Es fällt auf, wie übertrieben lang die Originale sind. Around The World muss nicht sieben Minuten dauern, Wolke kommen mit drei Minuten aus.

Sweet Child O’ Mine kürzen sie von sechs auf viereinhalb Minuten und nennen es Mein süßes Kind. Das Gitarren-Gezeter des Guns n’ Roses Gitarristen Slash wurde vor einigen Jahren vom amerikanischen Magazin Guitar World unter die besten einhundert Gitarrensoli gewählt, das einleitende Gitarrenmuster galt den Lesern des britischen Magazins Total Guitar als das beste aller Zeiten. Es hilft alles nichts, Wolke ersetzen es durch ein gesäuseltes „Badada, Badada, Badada, Badada“.

Das flotteste Stück in der Sammlung ist Ich will mit jemandem tanzen, Whitney Houstons I Wanna Dance With Somebody. „Ooh, ich will mit jemandem tanzen, ooh, ich will mit jemandem die Hitze spüren. Mmh, ich will mit jemandem tanzen, aah, mit jemandem, der mich liebt.“ Köstlich.

Wolke nehmen das ernst, was sie machen, das ist sehr angenehm. Die Süßlichkeit und Leichtigkeit ihrer Lieder ist nicht ironisch. Auch die nachgespielten Stücke auf Ich will mich befreien leben nicht nur vom Kalauer. Die Übersetzungen sind – soweit es eben geht – lyrisch, den Pathos der Originale lassen sie meist weg. Nur bei In Ewigkeit, ihrer Version von Snaps The First, The Last, Eternity legt sich Oliver Minck mehr ins Zeug und brüllt die Texte mit rauchiger Stimme. Aber wie sollte er mit dem dick Aufgetragenen auch sonst umgehen? „Ganz egal, wo ihr herkommt, ich habe euch was zu erzählen. Und ich will, dass ihr mir zuhört, dass ihr mit mir geht. Macht euch keine Sorgen, gute Nachricht ist unterwegs. Und so wie alles anfing wird es auch zu Ende gehen.“ Das klingt im englischen Original sogar noch blöder.

Aber was hätten sie auch davon, sich nur lustig zu machen? Wenig. Denn wie oft kann man lachen, wenn eine Band wie die Original Deutschmacher eine sinnlose Übersetzung eines internationalen Hits nach dem anderen singt? Wenn sie You Keep Me Hanging On von den Supremes bzw. Kim Wilde mit „Du lässt mich hängen an“ übersetzen? „Setz mich frei, warum nicht Säugling? Geh aus meinem Leben, warum tust du’s nicht, Säugling? Weil du nicht wirklich liebst mich, du nur lässt mich hängen an!“ Nun, ja, einmal. Wenn überhaupt.

Die liebevollen Neubearbeitungen von Wolke kann man immer wieder hören.

Hören Sie hier „Ich will mich befreien“

„Ich will mich befreien“ von Wolke ist als CD erschienen bei Tapete Records

Wolke auf Tour:
18.04.07 Aachen (Raststätte)
19.04.07 Luxembourg (D:qliq)
20.04.07 Duisburg (Buschbrand)
21.04.07 Berlin (Maschinenhaus)
26.04.07 Köln (Studio 672: Unplugged bei Lagerfeuer deluxe)
27.04.07 Nürnberg (K4)
28.04.07 Karlsruhe (Nun Cafe)
17.05.07 Düsseldorf (Pretty Vacant)
18.05.07 Frankfurt (Das Bett)

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