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Spaß an der Globalisierung

 

Griechischer Rock’n’Roll, Folkfunk aus Anatolien, iranischer Soul – das britische DJ-Kollektiv B-Music kompiliert dermaßen wild, dass es eine wahre Freude ist

Cover

 
B-Music – Drive In, Turn On, Freak Out
 
Finders Keepers Records (2009)
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Vielfalt! Im Zusammenhang mit Musik mag man das Wort nicht mehr hören. Besetzt halten ihn die Radiostationen, die ihren eintönigen Dudelfunk damit bewerben. Wie soll man also die Mannigfaltigkeit des Musizierens auf dem ganzen Planeten benennen?

Die GEMA teilt in E- und U-Musik, findige Elektroniker aus Lüneburg wagten die Kreuzung, das Ergebnis nannten sie Ü-Musik. Was kommt als Nächstes?

Ein DJ-Kollektiv aus England veröffentlicht seit einiger Zeit B-Music. Das Wort Schublade enthält nicht umsonst die Silbe „bla“ und so muss man auch solche Schublablabladisierung mit einem Augenzwinkern betrachten. Sicher ist nur: Die Augen von B-Music zwinkern so schnell, da hilft kein Schüssler-Salz.

Aus dem Dickicht schießen sie mit Kanonen und Kompilationen. Musik aus aller Welt, abseits des Mainstreams. Ungewöhnliche Klänge und Grooves, fern der High-End-Studios des Westens aufgenommen, frei vom Gestus der Avantgarde. Ihre Schrägheit ist kein Kunstgriff, sie ist der Studiotechnik geschuldet, an der es im Kosmos von B-Music grundsätzlich mangelt. Oder gar dem Konsum von Drogen: Funk aus der Türkei, Progressive Rock aus Island, iranische Soulmusik und vietnamesischen Pop graben sie hervor – aus Kisten in Hinterhöfen, Kellern ehemaliger Sammler und Plattenläden.

B-Music reflektiert Musiktrends und reichert sie mit Lokalkolorit an. B-Music ist die Rache der Enterbten. Den DJs scheint es eine Lebensaufgabe zu sein, so zog einer nach Bangkok und wandelt seither auf den Spuren der verlorenen Thai-Folk-Psych-Szene. Er wird wohl als Koryphäe auf diesem Gebiet nach Manchester zurückkehren.

Der selbsternannte Minister für unpopuläre Kultur Andy Votel und sein Kollege Dom Thomas wählten die meisten Stücke auf ihrer neuen Kompilation Drive In, Turn On, Freak Out aus. Aber worum geht es denn nun eigentlich? Um die fleißigen Kompilierer oder die entdeckten Schätze? 20 Stücke sind zu hören, 30 bis 40 Jahre alt, von 20 Künstlern aus ebensovielen Ländern. Ein brodelnder Stilmix ist das, im Einzelnen, wie im großen Ganzen. Beschwingt geht es zur Sache: Wir hören Sevil & Ayla, die Led Zeppelins Whole Lotta Love in psychedelischen Funk verwandeln. Oder Cheung Kam Chun, dessen Gesang die Herzen wärmt – über einen Beat, den eine amerikanische Soulkapelle aus der Hüfte geschossen haben könnte. Die iranische Sängerin Parva tut es ihm gleich. Ob griechischer Rock’n’Roll, spanischer Hardrock oder fließender Folkfunk aus Anatolien – jeder einzelne Moment ist erfrischend. So macht selbst die Globalisierung Spaß!

„B-Music – Drive In, Turn On, Freak Out“ ist auf CD und Doppel-LP bei Finders Keepers Records erschienen.

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