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Im Rhythmus der Waschtrommel

 

Die kenianisch-amerikanische Band Extra Golden begann als ein Experiment. Mit ihrem dritten Album „Thank You Very Quickly“ sind sie zu einer organisch musizierenden Einheit geworden, Rock und Benga sind gar nicht mehr auseinanderzuhalten

Extra Golden – Fantasies Of The Orient
 
Von dem Album: Thank You Very Quickly Thrill Jockey (2009)

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Als vor drei Jahren die erste Platte von Extra Golden erschien, war die Kombination aus amerikanischem Indierock und kenianischem Benga noch ungewöhnlich. Mittlerweile hat man sich an Indierocker, die mit afrikanischen Rhythmen arbeiten gewöhnt, Extra Golden klingen auch auf ihrem dritten Album Thank You Very Quickly noch besonders.

Die Band hat schon so Einiges mitgemacht: Einer der Bandgründer, Otieno Jagwasi, stirbt noch vor Erscheinen der ersten Platte Ok-Oyot System; während der Aufnahmen zu diesem Album wird die Wohnung von Ian Eagleson Schauplatz einer Drogenrazzia der berüchtigten kenianischen Polizei – die Ersparnisse der Band fließen in die Kaution. Und vor der ersten Tour in den Vereinigten Staaten gibt es Probleme mit den Visa. Barack Obama, damals noch Senator in Illinois, schaltet sich ein und ermöglicht die Auftritte. Den Dank sangen Extra Golden ihm mit Obama auf ihrem zweiten Album Hera Ma Nono.

Doch zurück zum Anfang: Im Jahr 2004 reist Ian Eagleson von den Indierockern Golden aus Washington D.C. für ein Jahr nach Nairobi, um für seine Doktorarbeit über den kenianischen Benga zu recherchieren. Benga ist eine elektrifizierte Form traditioneller kenianischer Musik und seit den Sechzigern in dem ostafrikanischen Land populär. Den Benga charakterisieren der meist zweistimmige Harmoniegesang, treibende Rhythmen, flexible Bässe und vor allem die frei perlenden Gitarrenläufe.

Zu dem Benga-Sänger und -Gitarristen Otieno Jagwasi hatte Eagleson schon im Jahre 2000 im Zusammenhang mit seinen Studien Kontakt aufgenommen. Gemeinsam mit dem Gitarristen Alex Minoff, ebenfalls Mitglied von Golden, und dem Schlagzeuger Onyango Woud Omari nehmen die beiden das Album Ok-Oyot System auf – das Gros der Stücke entstand in nur drei Stunden in einem Nachtclub in Nairobi. Instinktsicher fügen die beiden Amerikaner ihren entspannten Rock in den flirrenden Benga. Der Tod des Sängers erst weckt den Wunsch der drei Verbliebenen, die Lieder zu veröffentlichen.

Jagwasi wird auf der folgenden Tour durch Opiyo Biongo ersetzt, dessen Band Bilongo Golden Stars hatte Ian Eagleson produziert. Die Tour wird ein Erfolg und die Besetzung nimmt in den Bergen Poconos in Pennsylvania ein zweites Album auf. Auf Hera Ma Nono verschmelzen die Stile noch organischer als auf dem ersten Album. Das mag auch mit der längeren Produktionszeit – fünf Wochen statt drei Stunden – und dem besseren Gerät – Omaris Schlagzeug in Kenia war wohl reichlich derangiert – zusammenhängen. Onyango Jagwasi, der Bruder des verstorbenen Otieno, ist mittlerweile Teil der Band.

Inzwischen sind Extra Golden, allen Widrigkeiten zum Trotz, hörbar zu einer Einheit zusammengewachsen. Auf dem dritten Album Thank You Very Quickly spielen die Musiker so dicht wie noch nie. Schon das erste Stück Gimakiny Akia hat einen derart zupackenden Rhythmus, dass einem der Atem stockt. Die Gitarren sind geradezu aggressiv, das Schlagzeug füllt auch noch den letzten Winkel aus. Ian Eagleson sagt, der beengte Aufnahmeraum – die Waschküche seiner Eltern – habe für den dichten Rhythmus gesorgt. Fantasies Of The Orient ist etwas entspannter, gleichwohl erklingt auch hier diese neue Dringlichkeit. Der Rhythmus prescht nach vorn, der Bass spendet eine federnde Leichtigkeit. Die Strophen sind abwechselnd in Englisch und Dholuo gesungen. Und wer vermag bei den Gitarrenduellen noch zu sagen, welches Solo nun in der Tradition des amerikanischen Rocks steht und welches in der des Benga? Anyango erweitert die Klangpalette durch eine unterschwellig gurgelnde Orgel und einen eiernden Gitarrenklang, da hat die Platte plötzlich eine psychedelische Note.

Aus dem Experiment Extra Golden ist eine organische Band geworden, die mit Thank You Very Quickly sicheren Schritts neues Terrain erobert.

„Thank You Very Quickly“ von Extra Golden ist auf CD und LP bei Thrill Jockey/Rough Trade erschienen.

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