Vinyl in Segeltuch gehüllt, mit geteertem Tau verschnürt: Wer einem Musikfreund ein besonderes Geschenk machen will, kann bei Clouds Hill Records Exklusivität kaufen. Aber lohnt sich das wirklich?
Sie haben einen Freund, der Platten sammelt? Und am liebsten solche Werke in sein Regal einsortiert, die etwas Besonderes zu sein scheinen? Sie suchen noch ein Weihnachtsgeschenk für diesen Freund? Wie klingt das: Segeltuch, Gekritzel in Vinyl, einhundert geteerte Taue? Arg exklusiv, na klar!
Kurz erklärt: In Hamburg gibt es ein schickes Studio namens Clouds Hill Recordings, betrieben von Johann Scheerer und Thies Mynther. Letzteren könnten Sie kennen, weil er in einer Handvoll Bands spielt, etwa Phantom/Ghost und Superpunk. Auf dem Wolkenberg gibt es auch ein Label, dass immer mal wieder in dem Studio aufgenommene Lieder als Vinyl-Singles veröffentlicht, Scheerer trifft hier gemeinsam mit Sebastian Nagel die Entscheidungen.
Jede dieser Singles erscheint in einer Auflage von 500 Stück, anderswo seien die Lieder nicht erhältlich, verspricht Clouds Hill. Die Singles sind nur einseitig bespielt, in die Rückseite ist das Logo des Labels geritzt. Welch Luxus, welch Aufwand – auch finanziell. Fünf, sechs Euro bezahlen für ein einziges Lied? Das muss dann schon ein sehr gutes sein!
Neun Scheibchen veröffentlichte Clouds Hill im ausklingenden Jahr, 500 Käufer fand offenbar keine davon. So betreibt man nun, kurz vor Weihnachten, einen noch höheren Aufwand, um die Reste unter die Leute zu bringen. Alle Neune zusammen in ein Segeltuch eingeschlagen – bedruckt mit dem Logo des Labels, womit sonst. Darum ein frisch geteertes Tau geknotet, alles zusammen in einen Stoffbeutel des Labels gepackt. Noch dabei: Neun Codes, mit deren Hilfe die neun Lieder als hochwertige Audiodateien vom Labelserver gesaugt werden können. Als wav-Datei, nicht als Mp3.
Einhundertmal wurde dieses Bündel geschnürt und mit Filzer von 1 bis 100 durchnummeriert. Knapp 40 Euro kostet die Exklusivität. Und, lohnt die Investition? Das stinkende Tau und den mitstinkenden Beutel in den Keller, Platten aufgelegt:
Bei den meisten Liedern haben die drei Label- und Studiobosse ihre Finger selbst an den Instrumenten, ansonsten nur am Mischpult. Unter dem Namen The Ape nahmen Scheerer und Nagel zwei der Singles auf. Licht aus (mit 1000 Robota) und You’re An Ape sind zwei solide Indierockstampfer, getrieben von wuchtiger Elektronik. So klänge Moby wohl, wenn er nicht ein gar so trauriger Typ wäre. Nicht schlecht.
An anderer Stelle nennen sich Scheerer und Nagel auch mal Karamel – und klingen dann ein bisschen mehr nach Hamburger Schule. im Stück Ich weiß, dass du traurig bist rumpeln und fauchen die Instrumente, dass es eine Freude ist. Am Ende möchte man die Scheibe umdrehen – aber da ist ja nichts. Im Sommer erschien die dritte CD von Karamel, Maschinen, darauf ist auch – oh Schreck! – Ich weiß, dass du traurig bist. Licht aus findet sich ebenso auf dem Album von The Ape. Ist das mit der Exklusivität womöglich – ein Luftschloss?
Auch Phantom/Ghost sind Teil der Familie, besteht die Band doch aus Dirk von Lowtzow und Thies Mynther. St. Lawrence ist ein feines Klavierstück im Klange ihres letzten Studioalbums Thrown Out Of Drama School. Ganz anders tönen Stella, eine weitere Band Mynthers. Körperlose Elektrorhythmen, hektische Perkussion, wildes Gezwirbel im Hintergrund. Und singt Elena Lange hier japanisch?
Die Höhepunkte der Serie steuern Faust und Kraków Loves Adana bei, zwei wunderbar getragene Poplieder. Fausts Lady Sorrow ist vertrackt sehnsüchtig, verhallt und von einem sanften Rhythmus vorangeschoben. Ein ganz winziges bisschen erinnert Geraldine Swaynes distanzierte Stimme an die große Nico.
Und Pearls Bring Tears von dem Freiburger Duo Kraków Loves Adana klingt gar nicht erst, als sei es in einem Studio aufgenommen. Fein gezupfte Gitarre, eine geschlechtslose Stimme, auch sehnsüchtig, auch sanft. Und ein ganz und gar hübscher Refrain. Die beiden waren – und da schließt sich der Kreis – schon auf dem bereits angesprochenen Album von Karamel zu hören. Auch von Kraków Loves Adana wünscht man sich mindestens eine Rückseite. Eher mehr.
Aber lohnt sich das jetzt alles? Der Ökonom schreit: „Nie und nimmer!“ Der Sammler insistiert: „Von 100 muss eine mir gehören!“ Der Musikliebhaber aber mag sich nicht entscheiden. „Fünf mal ja, vier mal nein. Eigentlich also schon, oder?“
Das von Clouds Hill geschnürte Bündel mit 9 einseitig bespielten Vinylsingles ist exklusiv erhältlich bei Hanseplatte (in Hamburg und im Internet).