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Smells Like Jazz Spirit

 

So klingt Jazz, der mit der Zeit gegangen ist, sagt Robert Glasper. Sein neues Album „Black Radio“ jedenfalls hat Amerika erobert, nicht zuletzt dank der Hilfe von Mos Def und Erykah Badu.

© EMI

Jazz langweile ihn, hat Robert Glasper mal gesagt. So geht’s vielen, könnte man antworten. Aber Glasper ist von Beruf Jazzpianist. Er ist bei Blue Note unter Vertrag, dem renommierten Jazzlabel, und hat dort gerade sein viertes Album aufgenommen, an den Tasten, als Komponist, Bandleader und Produzent. In seinem Job ist Langeweile gefährlich.

Jazz, das sei zu oft Geschichtsunterricht, findet Glasper, das sei Museum. Immer nur über 50 Jahre alten Standards zu jammen, sei wie den Opa auf den Spielplatz zu schicken. Also hat Glasper jeden Purismus tief in den Sümpfen des Mississippi versenkt, sich einen Haufen Gäste aus Pop und Soul und Rap eingeladen und neben eigenen Werken und Standards wie Afro Blue Coverversionen von Nirvana, David Bowie und Sade eingespielt.

Das Ergebnis heißt Black Radio und enthält mehr als nur Spuren von Hip-Hop, R’n’B, Soul und Funk. Wenn ihn jemand fragt, ob das alles noch Jazz sei, sagt Glasper: „So klingt Jazz heute. Wenn er sich weiter entwickelt hätte und alles mit seiner Evolution in Ordnung wäre, dann wäre er heute genau da, denke ich: eine Mischung von allen Sorten Musik, wie eigentlich immer schon.“ Smells like Jazz Spirit.

Der 1979 in Houston, Texas, geborene Musiker verfiel dem Hip-Hop, als er in New York Jazz studierte. Er jammte mit Größen wie Mos Def, der inzwischen Yasiin Bey heißt und auf Black Radio zu hören ist, spielte Keyboards für Q-Tip, hatte Kanye West als Überraschungsgast auf der Bühne und tourte mit dem R’n’B-Sänger Maxwell. Die L. A. Times schrieb, er sei einer der wenigen Pianisten, die eine J-Dilla-Referenz in ein Thelonius-Monk-Cover streuen könnten.

Das Vorgänger-Album Double Book (2008) zerfiel in zwei Hälften: eine mit seinem schon renommierten Akustiktrio eingespielt, die andere mit seiner elektrischen Band Robert Glasper Experiment, mit der er jetzt Black Box bestreitet. Jetzt ist Schluss mit akustisch. Die Band-Musiker Casey Benjamin (Vocoder, Saxofon), Derrick Hodge (Bass) und Chris Dave (Drums) sind ausgewiesene Jazzer, aber auf der langen Gästeliste stehen Namen, die mit Jazz gar nichts zu tun haben: Lupe Fiasco, Ledisi, Bilal, Erykah Badu, Lalah Hathaway, Meshell Ndegeocello, Bilal, Musiq Soulchild, Shafiq Husayn, Stokley Williams.

„Im Herzen sind wir alle Jazzmusiker“, sagt Glasper. Auch wenn sich kaum konventionelle Soli auf dem Album finden, ist Jazz sein Rückgrat. Glaspers Spiel auf Klavier und Fender Rhodes hält die Beiträge so vieler Künstler zusammen.

Der Albumtitel ist ein Wortspiel. Nicht nur ein ideales schwarzes Radio ist gemeint, auch der Flugschreiber, die Black Box eines Flugzeugs, die Yasiin Bey im Titeltrack besingt: „Big bird falling down on a mountain pass / Only thing to survive the crash / Black Radio„. Das Einzige, was überlebt, wenn der große Vogel auf einem Gebirgspass abstürzt, ist dieses Radio.

Black Radio, in den USA schon erschienen, stieg dort vor allem dank der Single Ah Yeah in den Charts auf Platz 15 ein und hat es in der Jazzsparte bei iTunes an die Spitze geschafft. Große Besprechungen in Blättern wie der New York Times leisteten ihren Beitrag. Glasper klappert die Fernsehshows ab, war bei David Letterman und Jay Leno. Sowas schafft sonst nur Esperanza Spalding. Jetzt kommt Black Radio auch bei uns raus, im Mai tourt Glasper durch die Republik.

„Black Radio“ von Robert Glasper Experiment ist erschienen bei Blue Note/EMI.

Glasper in Deutschland: 16. Mai, Art Babel, München; 17. Mai, Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld; 18. Mai, Frankfurt, Zoom; 19. Mai, Berlin, Festsaal Kreuzberg; 26. Mai, Hamburg Elbjazz, Festival; 27. Mai, Moers, Moers Festival