Wer wird sich denn über mangelnde Originalität empören, wenn eine junge Band so schöne Erinnerungen weckt: This Many Boyfriends huldigen Morrissey mit ihrem Debütalbum.
Wer es mit seinen Vorbildern ernst meint, ohne ihnen aufs Haar gleichen zu wollen, der sollte eine gewisse Distanz zu ihnen wahren – sonst sieht man am Ende aus wie seine Eltern oder Lady Gaga, arbeitet im Streifenwagen oder gar nicht, klingt wie eine beklagenswerte Jugendsünde oder schlimmer noch wie eine billige Kopie respektabler Popgruppen. This Many Boyfriends klingen wie The Smiths. Meistens. Manchmal klingen sie auch wie The Libertines. Aber öfter wie The Smiths.
Das ist erstmal keine sonderlich schmeichelhafte Zuordnung einer jungen englischen Indiepop-Band aus dem schmuddelig schönen Leeds. Gerade von jungen englischen Indiepop-Bands erwartet man ja meist nicht weniger als die Quadratur des Musikkreises, das nächste ganz große Inselding, die neuen Oasisblurpulp. Mindestens, nur eben total anders.
Dass This Many Boyfriends so sehr nach The Smiths klingen und manchmal nach den Libertines, könnte also ein Ausdruck mangelnder Kreativität sein, von fehlender Persönlichkeit oder niedrigen Ansprüchen. Um das herauszufinden, müsste man sie mal richtig kennenlernen, von Angesicht zu Angesicht. Im Grunde ist es aber völlig egal.
Denn anstatt die übliche Feuilletondebatte um Authentizität, Herkunft, Genese und Stil über diese Newcomer zu stülpen, kann man einfach fröhlich ausrufen: Wurde auch Zeit! Denn mal ehrlich – The Smiths haben sich 1987 aufgelöst. 1987! Nach nur fünf fantastischen Jahren wurde schnell noch mal das gesamte Schaffen auf Rank kompiliert, dem vielleicht besten Live-Album jenseits der Klassik – und fort waren die Grandseigneure des Britpop. Ersatzlos gestrichen, auf ewig unerreicht, vor allem in Ermangelung eines Charismatikers am Mikrofon wie Morrissey.
Und nun legt man also das Debütalbum von This Many Boyfriends auf, hört sich darauf Richards leicht snobistischen, vom Kern des Wesens her geschmeidigen Gesang an und The Smiths sind wieder da, als seien sie nie weg gewesen. Ach, Erinnerungen. Da kann man doch bitte mal mit einem Stirnrunzeln darüber hinweggehen, dass das alles nicht originär ist, dass die Querverweise fliegen vor lauter Ehrerbietung. Die selbstbetitelte Platte von This Many Boyfriends liefert die besten Smiths seit den Smiths, und das ist doch schon mal was.
Zumal Richard, Tom, Dan, Pete und – Achtung! – an den Drums, nicht am Bass: Laura durchaus etwas Symbiose wagen. Besonders zum Ende hin erinnern Stücke wie I Don’t Like You in ihrer schreddeligen Rockigkeit ein bisschen mehr an die Libertines und solche wie Everything eher an die Babyshambles, also alles ein wenig an jene Pete-Doherty-Begleitkollektive, die in den kurzen Blüten ihrer Existenz ja auch nur beschleunigte Erstanwärter auf den inoffiziellen The-Smiths-Gedächtnis-Preis waren.
Die Quintessenz der Zweitanwärter steckt aber doch in der ersten Hälfte der zehn Tracks, wo uns Richard gern mit sanfter Stimme von der Liebe erzählt und den Klamotten, die man dabei trägt, als zupfte Morrissey dabei sein Paisleytuch zurecht. Schön ist das. Vielleicht kommt demnächst ja eine eigene Komponente hinzu. Fürs Erste aber reicht die Reminiszenz.
„This Many Boyfriends“ von This Many Boyfriends ist erschienen bei Angular.