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Renitenz und gute Laune

 

Die Beatsteaks nehmen mal wieder Kurs auf die Charts. Warum halten das eigentlich immer noch alle für Punkrock? Hier kommen lediglich die drei großen M der Erfolgsplanung zum Zug.

© Birte Filmer
© Birte Filmer

Punk und Punkrock zu verwechseln gehört eindeutig in die Top Ten der großen Missverständnisse zeitgenössischer Musik. Während Punk Teil einer vergleichbar unterkomplexen Attitüde ist (weshalb viele sagen: deren generelle Abwesenheit), zeigt sich Punkrock als Ausbeutung eines seiner Einzelaspekte: ein struktureller Nonkonformismus hinsichtlich Virtuosität, Harmonie und Massenkompatibilität bei gleichzeitiger Politisierung nach links. In dem Sinne verbindet populäre Bands von Bad Religion über Green Day bis Billy Talent zwar eine ästhetisch-ideologische Klammer, aber selten das komplette Zeichengeflecht des Punk.

Und da ist noch nicht mal von den Beatsteaks die Rede. Das Berliner Major-Quintett ist ungefähr so nonkonform wie ein Ramones-T-Shirt und ebenso rebellisch, aber immerhin ganz schön erfolgreich. Wenn auch eher trotz als wegen der sonst wenig PR-tauglichen Punkrock-Etikettierung.

Wenn das bandnamenbetitelte neunte Studioalbum ab heute also rasant in Richtung Hitparadenspitze fliegt, sollten wir an der Stelle kurz mal korrigieren, was Abertausend Google-Treffer der Kombination Punkrock plus Beatsteaks suggerieren. Letztere machen gar nicht ersteres. Aber was genau machen sie dann bloß – bisschen Ska? Bisschen mehr Metal? Bisschen viel Alternative? Richtig viel Hardcore? Dazu reichlich Punkrock? Also von allem nur etwas und nichts wirklich richtig? Was auch immer die einstige Vorband der Sex Pistols um den charismatischen Pork-Pie-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß tut – irgendwas davon muss ziemlich richtig sein. Und das ist so ein wenig das Problem.

Abseits einer langjährigen Historie mit freundschaftlich gewachsenen Strukturen lässt sich die Zugkraft der Beatsteaks nämlich vor allem mit den drei großen M des Erfolgs im Indiefach erfassen: gutes Marketing, Mainstreamaffinität, gemischt mit wohlfeilem Märtyrergestus. Sonst füllten ja nicht die sprechchorschmetternden Sportfreunde Stiller Stadien, sondern die musikalisch wegbereitenden Superpunk oder Tocotronic. Statt Cro und Sido würden all die unbekannten Kellerrapper mit echter Realness von Litfaßsäulen blicken. Und anstelle der Beatsteaks eben Captain Planet, Turbostaat, Jupiter Jones – die Liste weit besserer Bands ähnlicher Bauart ist lang.

Doch die Masse mit Geschmack dürstet nun mal nach einer gewissen Geschmeidigkeit im Kantigen, nach guter Laune im Gestus der Renitenz. Nach Gewohnheit. Dies alles liefern die Beatsteaks versiert wie sonst nur Die Ärzte. Deshalb landet seit Limbo Messiah verlässlich jedes Album der Beatsteaks im oberen Drittel der Top Ten – auch und weil sie in den vergangenen 15 Jahren mit ein paar Wellenbewegungen milder geworden sind, eingängig, was fürs Radio.

Damit soll nun nicht alles schlecht gemacht werden an dieser Gruppe. Im Zweifel verzichtet sie für jedes Antifa-Soli-Konzert auf ihre Gage. Der rhythmische, oft tanzbare Sound ist überaus unterhaltsam. Und unter den Genregrößen gibt es gewiss unsympathischere. Mit Punkrock hatte das allerdings höchstens in den Straßenjahren rings um Kreuzberg mal was gemein. It’s only Rock ’n‘ Roll.

„Beatsteaks“ von Beatsteaks ist erschienen bei Warner.

Lesen Sie hier das Interview mit Arnim Teutoburg-Weiß und Peter Baumann.