Ich liebe diese Stadt, wirklich. Aber ihre Ureinwohner tun manchmal alles, um das zu verhindern. Gestern war ich mal wieder mit meinem Kollegen Falko im Zeitungsladen. An der Kasse stand die berüchtigt unfreundliche Verkäuferin, eine waschechte Berlinerin. Für eine Recherche waren wir auf der Suche nach Modezeitschriften, in die wir vor dem Kauf einen Blick werfen wollten. So blätterten wir uns also munter durch die bunte Hochglanzwelt.
Die Verkäuferin begann daraufhin zunächst, sich bei einem anderen Kunden lautstark über diejenigen zu beschweren, „die allet durchblättern und zerknittern, ihre Fettfingerabdrücke in die Zeitungen ‘rinn machen und am Ende doch nüscht koofen.“ Als Stammkunden waren wir zuerst ein bisschen beleidigt, entschieden uns dann aber, einfach auf stur zu schalten und in aller Ruhe weiterzublättern. Bis die Verkäuferin auf einmal neben uns stand. Wir erwarteten einen mahnenden Kommentar, stattdessen behandelte sie uns, als ob wir unsichtbar wären und kletterte energisch auf eine kleine Trittleiter, um ein großes neongelbes Schild aufzuhängen, auf das sie Folgendes geschrieben hatte: „Aus hygienischen Gründen ist das Durchblättern der Zeitschriften strengstens untersagt!“ Zuerst waren wir einfach baff, dann mussten wir uns das Lachen verkneifen. Mit hoch roten Köpfen gingen wir zur Kasse, um zwei der „erlesenen“ Zeitschriften zu bezahlen. Die Verkäuferin verzog keine Miene.
Heute früh war ich wieder im Laden. Das Schild war weg. Aber auch ohne diesen sichtbaren Hinweis ist mir ein für allemal klar: hier ist der Kunde nicht König, sondern ein Hygieneproblem und als solches hat man eine angemessene Demutshaltung einzunehmen. So was kann man nirgends besser erleben als in dieser Stadt.
Rana Göroglu