Den verzweifelten Ruf eines britischen Journalisten nach der „Türkei?“ überhörten Javier Solana und Jaap de Hoop Scheffer geflissentlich. Kaum hatten sie ihre gestanzten Botschaften zur EU- und Nato-Zusammenarbeit in Afghanistan, Bosnien und dem Kosovo abgeliefert, traten sie am Montag eilends vom Pressepodium des Brüsseler Ratsgebäudes ab. Der Einmarsch der Türkei, immerhin ein Nato-Partner, immerhin ein EU-Beitrittskandidat, in den Nordirak am Wochenende, er war weder für den EU-Außenbeauftragten noch für den Nato-Generalsekretär ein Thema.
Ein Diplomat, der an dem vorhergehenden Treffen der beiden teilgenommen hatte, bestätigte, die Großoffensive gegen die PKK sei in den Gesprächen nicht behandelt worden. Auch im Hauptquartier der Nato, so ist zu hören, sei die Invasion in keinem Gremium ein Thema gewesen. Solange die Türkei sich weder auf Artikel 4 des Nato-Vertrages (Konsultationen bei Bedrohungen der territorialen Unversehrtheit) noch auf Artikel 5 (Bündnisfall wegen bewaffneten Angriffs) berufe, werde wohl auch niemand ohne Not die Lage ansprechen.
Als ob am Rande Europas, auf dem Boden eines der gefährlichsten Staaten der Welt, nicht gerade ein neuer Krieg anschwellte.
Aber irgendwie gehört die Türkei ja doch nicht so recht zu Europa. Und irgendwie ist sie ja auch ein bisschen Mitschuld an diesem Kurdenproblem. Also ist das Ganze doch eher eine innere Angelegenheit.
So darf man den Subtext der derzeitigen Brüsseler Nicht-Debatte um die Türkei wohl zusammenfassen.
Freilich, auch die PKK steht auf der Liste der 48 Vereinigungen und 54 Personen, die Brüssel als terroristisch einstuft. Deswegen aber gilt sie Europa noch lange nicht als Terrorgruppe erster Güte. In den Köpfen der EU- und Nato-Diplomaten bombt die Kurdische Arbeiterpartei eben nicht in einer Schublade mit einer Gama’a al-Islamiyya oder den Hisbollah-Mudschaheddin. Wenig hilft es, wenn türkische Generale bei der Nato immer wieder versuchen, die PKK unter dem Tagesordnungspunkt „Terrorismus“ in die Runde zu bringen. Auf diese Einsortierung des Kurdenproblems, so ist zu hören, ließen sich Amerika, Großbritannien und Deutschland nur solange ein, wie die Scharmützel auf das „eigene Gebiet“ der Türkei begrenzt blieben.
Gefühlt gehören die anatolischen Underdogs eben eher in die Rubrik Rebellentum. Eher zur Kategorie IRA denn al-Qaida. Zuwenig Islamismus, zu viel Sozialismus, mit anderen Worten, um einen Antiterror-Schulterschluss des Westens zu bewirken. Auch dann nicht, wenn die Guerillas grenzübergreifend zu Felde ziehen.
Die türkische Regierung, scheint’s, muss ihr Selbstverteidigungsrecht – ein bisher weithin anerkanntes Prinzip – zweimal abwägen. Außenpolitisch, nach Osten, und EU-politisch, nach Westen. „Ein militärisches Vorgehen der Türkei im Irak ist mit einem EU-Beitritt nicht vereinbar“, stellt der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, fest – und damit zugleich eine ganz neue antimilitaristische Beitrittsbedingung auf.
Denn seltsam: Rumänien und Bulgarien, die seit 2004 militärisch im Irak vorgehen, wurde aus dergleichen 2007 kein EU-Beitrittsverbot gedreht. Und dabei waren diese beiden Länder nicht einmal von Bombenkampagnen gegen ihre Bürger überzogen worden, konnten sich also keineswegs auf ein Selbstverteidigungsrecht berufen.
Nun hat diese Art von Brüsseler Doppelmoral dummerweise einen wahren Kern. Denn die Türkei hat in der Vergangenheit zu wenig getan, um der PKK ihre politische Legitimationsgrundlage zu entziehen. Zuletzt hat sie ihren Anführer, Abdullah Öcalan, nicht hingerichtet. Das war zwar gut, kostete aber wenig moralische und innenpolitische Energie. Die EU erwartet zu Recht einen kraftvolleren Schutz der kurdischen Minderheit. Im ihrem letzten Fortschrittsbericht über die Türkei vom November 2007 heißt es:
„Die Türkei hat im Bereich der kulturellen Rechte keine Fortschritte erzielt. Umfangreiche weitere Anstrengungen sind erforderlich, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung anderer Sprachen als Türkisch im Rundfunk, im politischen Leben und bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen.“
Derweil zeigt sich der für die Türkei zuständige Erweiterungskommissar flexibel. Mitte Dezember, nach den ersten Luftangriffen der türkischen Armee auf PKK-Stellungen, war aus dem Umfeld des Finnen Olli Rehn noch zu hören, jede Reaktion auf kurdische Terrorangriffe müsse angemessen sein; vereinzelte Luftschläge seien dies wohl gerade noch. Nicht aber eine großangelegte Bodenoffensive. Nun äußert Rehns Sprecherin doch Verständnis für die Invasion. Schwere Tage, wackliger Boden für die Türkeifreunde in Brüssel.
Ankara hat am Wochenende einen Zweifrontenkrieg begonnen. Für jeden Schuss, den er nach Osten abfeuert, sollte Ministerpräsident Erdogan jetzt eine Botschaft nach Westen schmettern. Darüber, wie er gedenkt, den Kurdenkonflikt in Zukunft politisch beizulegen. Ansonsten dürfte er in Europa, besonders und Deutschland, bald abgeschrieben sein. Als der große Desintegrierer. Erst von Köln, und jetzt auch noch von Kirkuk.
Also der Artikel ist wirklich lustig geradezu grotesk.Jetzt wird doch tatsächlich die Türkei dafür angegriffen dass sie die PKK ,der Definition nach waschechte Terroristen, im Nordirak angreift und ausgerechnet die USA/NATO wollen sie darin beschränken ? Andere Länder zu überfallen ist natürlich ein Privileg der USA oder NATO wie im Falle des Kosovos,des Iraks und Afghanistan.Im Gegensatz zur PKK sind dabei auch keine fadenscheinigen Gründe, erlogene PR Kampagnen und angebliche Bedrohungen nötig.Wie wäre es wenn sich der Reporter mal den Balken aus dem eigenen Auge zieht bevor er sich an den Splitter der Türken wendet.
Es wäre zumindest nett wenn Sie einmal auch euf europäischer Ebene tun, was auf nationaler Ebene Selbstverständlichkeit ist: Eine Parteienmeinung nicht mit einer offiziellen Meinung der Institutionen durcheinanderbringen.
Erstens sind die christlichen Fraktionen (in Brüssel und auch in Deutschland) schon seit Jahren gegen eine Aufnahme der Türkei, es ist daher nicht verwunderlich, dass sie auch jetzt wieder ein Argument finden, das ihre Position untermauert.
Zweitens gibt es eine offizielle Meinung (in diesem Fall vom Herrn Rehn), die auch hier besagt, dass ein militärische Offensive kein Ausschlusskriterium ist.
Ihren Vorwurf der „Brüsseler“ Doppelmoral widerlegen Sie damit sehr effektiv selbst.
Erstens: Stellt der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, keine ganz neue antimilitaristische Beitrittsbedingung auf. Das Kapitel 31 „Außenpolitik, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurde noch nicht eröffnet, muss also noch verhandelt werden. Im Vorfeld der Verhandlungen (und als Vorbedingung) hat die Türkei allerdings sowohl eine Vereinbarung mit der irakischen Regierung über die Vertiefung der Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich unterschrieben, als auch sich den Standpunkten, Erklärungen und Demarchen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU angeschlossen.
http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2007/nov/turkey_progress_reports_courtesy_transl_de.pdf
Das aktuelle Vorgehen der Türkei (unabhängig von dessen politischer und/oder moralischer Bewertung) wurde unter Bruch dieser Vereinbarungen/Erklärungen weder mit der irakischen Regierung, noch mit der EU koordiniert, was die Beitrittsverhandlungen damit doch tangiert.
Zweitens: Erdogan ist nicht der große Desintegrierer, sondern der große Integrierer. Nach der Verfassungsänderung zugunsten des Kopftuchs in den Hochschulen sah es so aus, als würden die Kemalisten odentlich Rabbaz machen. Mit dem Einmarsch in den Nordirak gibt es nun keine Islamisten oder Kemalisten mehr, es gibt nur noch Türken, hurra! Somit hat es Erdogan mal wieder geschafft, die tief gespaltene türkische Gesellschaft zu einen und die kemalistische Opposition durch eine patriotische Kampagne zu integrieren.
Merke: Um das Kopftuch durchzusetzen, schreckt Erdogan auch vor einem Krieg nicht zurück.
Bombenpolitik: Die Offensive der Türken im Nordirak wird das Kurdenproblem in der Türkei nicht lösen. Im Gegenteil: Die neue Militäraktion könnte der PKK eher nützen als schaden. Dabei ist der Zeitpunkt günstig für politische Maßnahmen. Herr Erdogan soll nicht nur Reformen zu gunsten einer nicht nur schleichenden sondern gallopierenden Islamisierung des Landes durchsetzen sondern auf wirkliche Reformen, die Meinungs- und Religionsfreiheit garantieren. Nicht nur Reformen auf Papier bringen sondern auch für die Implementierung sorgen.
Zum ersten Mal seit dem Beginn der Auseinandersetzungen zwischen PKK und dem türkischen Stadt vor fast einem Vierteljahrhundert gibt es in der internationalen Gemeinschaft viel Verständnis dafür, dass sich die Türkei gegen die aus dem Nordirak kommenden Angriffe der PKK wehren muss. Dieses Wohlwollen wird verschwinden, wenn Ankara den Eindruck erweckt, beim militärischen Aspekt der Terrorbekämpfung schnell zur Sache zu kommen, auf der politischen Seite aber untätig bleibt. Die Kurdenfrage ließe sich mit einer Autonomie oder Recht auf Selbstverwaltung kurz und mittelfristig lösen.
meine herren es kann ja sein das die türkei sich auf selbstverteidigung beruft,aber hat das kurdische volk kein recht auf selbstverteidigung???das kurdenproblem in der türkei kann auf seiten der kurden nicht auf gandhis pfaden bestritten werden, deswegen ist die pkk erst entstanden und ein schwerwiegendes problem der türkei geworden.meinen sie die pkk hätte einen so regen zulauf,wenn sie nicht für die grundbedürfnisse eines jeden volkes stehen würde nämlich die freiheit und das recht auf selbstbestimmung.aber dennoch stimme ich dem artikel nicht ganz zu, denn die ira steht theoretisch für andere ziele und nicht für die freiheit des irischen volkes.irland ist frei und nicht okkupiert wie das siedlungsgebiet der kurden,demnach würde ich die pkk mit der plo gleichsetzen.yassir arafat hat gezeigt das auch eine guerilla was erreichen kann auch wenn es nur eine autonomie ist.zuguterletzt möchte ich mich an meine deutschen mitbürger richten die die pkk als terroristisch einstufen.bevor es die pkk überhaupt gab hat die türkische regierung einen terrorfeldzug gegen mein volk gerichtet und terror kann nur mit gewalt erwidert werden.deswegen akzeptiere ich das man unsere freheitskämpfer als rebellen gar als separatisten bezeichnet aber keinesfalls als terroristen.
Herr Firat für dich sind die Kindermörder keine Terrosristische Organisation (…)! Kurden sind unsere Brüder aber PKK ist was anders! Brüssel interresiert uns nicht! was die sagen sind garnichts ausser unsinn! wie würden sie verhalten wenn eine Terroristische Gruppe eine Bombenanschlag in Brüssel verübt? Werden sie dann die gleiche Kommentare geben?
(…)
DIESER KOMMENTAR WIRD WEGEN BELEIDIGENDER INHALTE GEKÜRZT WIEDERGEGEBEN
Es ist schon richtig, dass die EU eine perverse Doppelmoral besitzt. Auf der einen Seite unterstützen sie die USA beim Kampf gegen den Terrorismus auf fremdem Territorium und auf der anderen Seite kritisieren sie die Türkei für die gleiche Sache. Das ist widerlich.
Die Türkei hat das Recht sich gegen TERRORISTEN zu verteidigen. Menschen, die Anschläge auf unschuldige Zivilisten ausüben, sind Terroristen und keine Rebellen oder sonst was. Das ist genauso perverse Doppelmoral des Westens.
Der Einmarsch von türkischen Bodentruppen in den Nordirak ist scharf zu verurteilen. Die Bodenoffensive stellt eine Verletzung der Souveränität des irakischen Staates und des kurdischen Autonomiegebietes dar. Sie ist eine völkerrechtswidrige Besatzungsaktion der Türkei.
Dies wird den „Kurdenkonflikt“ weiter anheizen und zu einer weiteren Destabilisierung des Nahen Ostens führen. Tayyip Erdogan, der sich gerne als stabilisierender Faktor in der Region gibt, hat eine fatale Aktion angeordnet.
Nachdem das Parlament der Regierung im Oktober freie Hand für Militäreinsätze im Nordirak gegeben hatte, war die Eskalation des Konfliktes nur eine Frage der Zeit. Aus den vergangenen Jahrzehnten sollte man jedoch gelernt haben, dass das „Kurdenproblem“ nicht militärisch zu lösen ist. Es ist zu befürchten, dass Zivilisten im Nordirak zu Schaden kommen und der Konflikt weiter an Schärfe gewinnt. Die antikurdische Hetze in der Türkei und in Europa wird zunehmen. Rechtsextreme türkische Organisationen werden versuchen, den Konflikt wieder nach Deutschland zu tragen.
Ziel aller demokratischen Kräfte, auch in Deutschland, muss es sein, dass die Militäroperation schnellstmöglich ein Ende findet und der Konflikt auf demokratischem Wege gelöst wird
Die Tuerkei sollte sich auf den Natovertrag berufen. Dann muessten auch die Deutschen im Irak kaempfen.Waere interessant die Reaktionen der Deutschen in dem Fall zu erleben.
Ich als Türke bin auch nicht sehr glücklich, darüber das die türkische Armee in den Nordirak einmarschiert. Dennoch ist es leider erfoderlich, den weder die Amis noch die Irakische
Regierung geht aktiv gegen PKK ein. So muss mein Land sich selbst verteidigen.
Wir wollte auch nicht, dass es so kommt aber irgent wann
reicht es auch.
Es ist klar das diese offensive ,das Problem mit den terroristen nicht beenden wird. Es wird aber die Pkk schwächen.
Ich sehe zwischen einen Kurden und Türken keinen unterschied wir leben in dem selben Land und haben auch zusammen in Canakkalene darum gekämpft.
Leider gibt es diese Terror Gruppe die kleine Kurden
„verarschen“ und sie gegen ihr eigenes Land aufhezen.