Lesezeichen
 

„Afghanistan ist unser Test!“

Phänomen Obama: Der neue US-Präsident wird in Europa für Forderungen beklatscht, für die sein Vorgänger ausgebuht worden wäre

„He has got the whole world in his hands“, darf Lisa Doby zur Einstimmung singen. Die Folkgitarristin ist Afroamerikanerin und lebt seit zehn Jahren im Elsaß. Die menschgewordene neue transatlantische Harmonie, mit anderen Worten. Ihre zarten Gitarrenklänge füllen die Luft der Straßburger Sporthalle, in der gut 4000 Schüler aus Deutschland und Frankreich auf Barack Obama warten. Eigentlich ist der zum Nato-Gipfel hier. Aber der US-Präsident kennt, wie eine amerikanische Diplomatin sagt, „den Hunger der Europäer nach ihm und seinen Botschaften.“ Und den wolle er stillen. „There is love“, singt Lisa Doby, „yeah, there is love!“

Aber da ist auch Krieg. Ein Krieg, den die Nato zu verlieren droht. Und das will auch Obama nicht. Deswegen fordert er mehr Gewalt. Mehr Gewalt gegen die Taliban, die Hilfstruppen von al-Qaida. Aber dieser Ruf nach mehr Feuerkraft stört die jugendlichen Tausenden, unter deren Jubel er jetzt in die Halle einzieht, kein bisschen. Wenn Obama es möchte, dann, scheint es, ergibt plötzlich auch der Krieg am fernen Hindukusch wieder einen Sinn.

Nach einigen Artigkeiten („Oft sieht man bei diesen Gelegenheit alles ja nur aus dem Fenster. Deshalb wollte ich gerne hier mit Euch sprechen.“), kommt Obama auf das Thema zu sprechen, dass jenseits seines ersten Europabesuches dieses Gipfelwochenende beherrscht. Kann der Westen Afghanistan noch gewinnen?

„Ich höre manchmal die Frage: Was soll das alles?“, sagt Obama unter Anspielung auf die Kritiker, die die Mission in Afghanistan allmählich für sinnlos halten. „Und ich antworte: Wir würden diese Mission nicht unternehmen, wenn wir sie nicht für unverzichtbar für unsere Sicherheit hielten.“ Schließlich müsse man annehmen: „Wenn es weitere al-Qaida-Attacken gibt, dann gibt es sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in Europa.“

Sicher: Rhetorik, moralische Glaubwürdigkeit und – vor allem – die Afghanistan-Strategie von Obama sind besser kalibriert als die seines Vorgänger. Aber überraschend ist dennoch, wie leichthin es dem neuen Präsidenten gelingt, seine Zuhörer von einer Kausalität zu überzeugen, für die es seit immer längerer Zeit immer weniger Anhaltspunkte gibt. Von einem Zusammenhang nämlich zwischen der Schlagkraft von al Qaida und der Lage in Afghanistan. Der islamische Terrorismus schließlich hat sich von Afghanistan längst entkoppelt.

„Wir haben kein Interesse, Afghanistan zu besetzen. Wir haben genug damit zu tun, Amerika wieder aufzubauen“, sagte Obama, und Applaus brandet auf. Seltsamerweise wird der Beifall noch heftiger, als er sagt: „Aber die Mission in Afghanistan ist ein Test dafür, ob wir gemeinsam Sicherheit für uns schaffen können. Europa, und das sage ich deutlich, sollte nicht erwarten, dass Amerika die Bürde (des militärischen Teils der Mission) alleine schultert!“

Hätte George Bush es gewagt, auf diese Weise von den Europäern mehr Kampftruppen zu fordern, das Publikum hätte sich mit Grausen und Entsetzen abgewendet.

Was macht Obama anders? Ja, er hat eine neue Strategie, eine des „vernetzten Ansatzes“, die auch Pakistan und den Iran als Partner einschließen soll. Ja, er gibt zu, Amerika habe über den Krieg im Irak den notwendigen „Fokus“ auf Afghanistan verloren.

Aber hat sich deswegen an dem Grundproblem der mangelnden Begründbarkeit des Einsatzes etwas geändert? Daran also, dass al-Qaida heute Afghanistan gar nicht mehr braucht, um Anhänger zu rekrutieren und Attentate zu planen? Weil dies mittlerweile sogar im Sauerland geht, per ideologischer Anleitung aus dem Internet und Bombenmaterial aus dem Baumarkt? Nein, hat es nicht.

Die Beschwörung eines abstrakten gemeinsamen Zieles, der Wichtigkeit eines Erfolges für die Nato, mag in der Honeymoon-Phase zwischen Obama und den Europäern noch ein paar Wochen lang Harmonie stiften. Aber je konkreter Obama gezwungen sein wird, ein wachsendes Engagement in Afghanistan zu begründen, desto deutlicher könnte zutage treten, dass die Europäer trotz aller Sympathie eine Einschätzung nicht teilen: Dass Afghanistan eine gemeinsame Herzensangelegenheit sei.

 

Good bye, Putin

Wenn Russland es erst meint mit seiner außenpolitischen Doktrin, dann hat es in der westlichen Staatengemeinschaft keinen Platz

Hastings Lionel Ismay, der erste Generalsekretär der Nato, hat einmal prägnant formuliert, wozu das westliche Verteidigungsbündnis ursprünglich da war: „To keep the Americans in, to keep the Russians out, and to keep the Germans down.“

Sechzig Jahre später hat sich das Selbstverständnis der Allianz – was den dritten Punkt betrifft – gründlich gewandelt. Die Nato will die Deutschen nicht mehr am Boden halten; im Gegenteil mahnt der Generalsekretär die Bundesrepublik bei jeder Gelegenheit, endlich ihren Verteidigungshaushalt zu erhöhen.

Amerika, ja natürlich, soll Stützpfeiler der transatlantischer Sicherheit bleiben.

Und Russland?

Ihm gegenüber verfolgte die Nato seit Ende des Kalten Krieges eine Politik der offenen Tür. Es ging ihr nicht mehr darum, Russland draußen zu halten. Tatsächlich waren es gerade die Amerikaner, die Russland geradezu einluden, sich dem Bündnis anzuschließen – vorausgesetzt, Moskau erfülle die politischen Eintrittskriterien. Diese haben die Außenminister des Bündnisses heute noch einmal eindringlich wiederholt:

Die Beachtung „der Prinzipien friedlicher Konfliktlösung gemäß der Helsinki Schluss-Akte, der Nato-Russland-Gründungsakte und der Erklärung von Rom.“ All diese Standards, so die Nato heute, habe Russland durch seinen Feldzug gegen Georgien verletzt.

„Wir können nicht so weitermachen, als wäre nichts passiert“, folgerten die 26 Außenminister, unter ihnen auch der deutsche Frank-Walter Steinmeier. Als erstes werde der Nato-Russland-Rat auf Eis gelegt, erklärt Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. „Solange russische Truppen weite Teile Georgiens praktisch besetzt halten, sehe ich nicht, dass der Rat zusammen treten kann.“

Angesichts der grundsätzlichen Verhaltens Moskaus sind allerdings Zweifel angebracht, ob der Kreml diese Sanktion als auch nur im entferntesten schmerzhaft empfinden wird. Wenn die unmittelbare Antwort des russischen Nato-Botschafter die Haltung seiner Regierung annähernd wiedergibt, dann ist das nicht der Fall. Seine Reaktion auf die Kontaktsperre des Bündnisses lautete ohne Witz: „Die Nato ist jetzt isoliert.“´

Die Rhetorik aus Moskau mag natürlich von Kampfeslust aufgepuscht sein. Aber die Kampfeslust selbst ist echt – und diese Tatsache muss die Nato vor eine größere Frage stellen. Sie lautet, ob es mit diesem Russland noch irgendeine Basis für einen konstruktiven Dialog, geschweigedenn eine Partnerschaft geben kann, ja, ob es noch Sinn hat, diesem Russland die Tür zum Westen offenzuhalten. Oder ob jetzt die Zeit für eine Renaissance des Russians-out gekommen ist.

Die Frage stellt sich in dieser Härte, weil der Kampfgeist aus Moskau aus einer Weltsicht rührt, die mit westlichen Überzeugungen von einem zivilisiertem globalen Miteinander schlicht inkompatibel geworden zu sein scheinen.

Dimitri Rogosin, erwähnter russischer Botschaft bei der Nato, hat zum Krisengipfel einen Artikel in der International Herald Tribune geschrieben, in dem er Amerika und der Nato Heuchelei vorwirft. Die russische Föderation, argumentiert er, habe in Südossetien lediglich ihr Recht auf Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta wahrgenommen.

Einen solchen Text schreibt der Botschafter nicht ohne Rückendeckung oder Auftrag aus Moskau. Sein Schlüsselsatz lautet:

„Was die Verteidigung von Bürgern außerhalb des Landes betrifft, so wird die Anwendung von Gewalt, um eigene Landsleute zu verteidigen, traditionell als eine Form der Selbstverteidigung betrachtet.“

Wenn diese Annahme tatsächlich die russische Doktrin für die Region zwischen Moskau und Warschau ist, dann sollte sich der Westen keine Illusionen über wahre Denkart der Kreml-Herrscher mehr machen. Dann ist Georgien nur der Auftakt gewesen für eine ganze potenzielle Reihe von russischen Befreiungskriegen, von der Ukraine bis nach Litauen. Dann muss sich Europa fragen, ob die berühmten Worte von Paul-Henri Spaak, dem ersten Vorsitzenden der UN-Generalversammlung, an die damalige sowjetische Delegation nicht immer noch stimmen: „Messieurs, nous avons peur de vous“ (Meine Herren, wir haben Angst vor Ihnen).

Der Nato-Botschafter Rogosin behauptet, auch andere Ländern hätten von Recht auf Verteidigung ihrer Landesleute im Ausland schon Gebrauch gemacht: Die Belgier 1965 im Kongo, die Amerikaner 1983 in Grenada und 1989 in Panama.

Mit diesem Vergleich allerdings liegt Rogosin völlig falsch, und vermutlich weiß er das. In all den genannten Operation haben zwar Spezialkräfte Staatsangehörige dieser Länder evakuiert – im Land verteidigt haben sie sie aber gerade nicht. In der Tat kennt das Völkerrecht die Möglichkeit, in einer punktuellen Nothilfeaktion die Souveränität eines Staates zu durchbrechen, wenn Schaden für Leib und Leben nicht anders abgewendet werden kann. Aber daraus folgt auf keinen Fall das Recht auf langanhaltende Intervention oder gar Besatzung.

Wenn die russische Regierung allen Ernstes versucht, ein Recht auf extraterritoriale Verteidigung eigener Staatsangehöriger herbeizuphantasieren, dann steckt dahinter mehr als völkerrechtliche Ungebildetheit. Es kommt einem Ethno-Imperialismus nahe. Rogosins Worte sind weniger mit der UN-Charta in Einklang zu bringen als mit der Doktrin der aggressiven Selbstverteidigung, die Katharina die Große ausgeprochen haben soll: „Um meine Grenzen zu verteidigen, bleibt mir nur den Weg, sie auszudehnen.“

Wer solch ein Prinzip zur Grundlage seiner Außenpolitik macht, sprengt die Kerngrundsätze, die internationale Völkerregime seit dem Westfälischen Frieden von 1648 geprägt haben. Einer von ihnen lautet, dass die territoriale Integrität von definierten Staaten gefühlten nationalen Vereinigungsgelüsten vorausgeht.

Wenn Russland in allem Ernst glaubt, das pannationale Russentum sei als Zivilisationswert höher einzustufen als die neue Staatlichkeit ihrer ehemaligen Vasallenstaaten, dann hat es in der westlichen Friedensordnung keinen Platz. Gut möglich, dass Russland diese Prinzipien der modernen Weltordnung (sie stammen übrigens von einem Deutschen aus Königsberg) noch nie verstanden hat, denn schließlich war noch nie eine aufgeklärte Demokratie. Gut möglich auch, dass wir Russland noch nicht richtig verstanden haben. Aber dann sollte uns der Ausspruch des britischen Premierministers Nivelle Chamberlaine zu denken geben, der 1938, als Nazi-Deutschland das Sudentenland in der Tschechoslowakei annektierte, das Urteil abgab, dies sei “ein Streit in einem weit entfernten Land zwischen Leuten, über die wir nichts wissen.”

Der Westen sollte für erste aufhören, Putin-Russland wie einen verantwortungsvollen Erwachsenen zu behandeln. Und ihm lieber mit aller angemessenen Autorität des Älteren helfen, seine Pubertät ohne weiteres Blutvergießen zu bewältigen.

 

Zurück in den Kalten Krieg?

Die Spannungen an Russlands Rändern stellen die Nato vor eine Richtungsentscheidung

Zwischen der ukrainischen Hauptstadt Kiew und Georgien hat sich in den vergangenen Tagen eine hektische Pendeldiplomatie entwickelt. Zum einen will die ukrainische Regierung ihrem ebenfalls postsowejtischen Nachbarn im Südosten Solidarität zeigen. Zum anderen sorgt sich die ukrainische Regierung selbst um ihre Sicherheit. Der Ausfallschritt Moskaus in den Ex-Vasallenstaat Georgien muss nicht der einzige bleiben, fürchtet manch einer in Kiews Regierungsstuben. Der Ruf nach einer Nato-Mitgliedschaft wird deshalb immer lauter.

Über die Frage, ob und wann Georgien und die Ukraine in die Allianz aufgenommen werden sollten, entspinnt sich immer wieder Streit zwischen zwei Lagern innerhalb des Bündnisses. Er dürfte durch das aggressive Ausgreifen Russlands in sein „nahes Ausland“ nun befeuert werden.

Amerika und die osteuropäischen Nato-Staaten drängen darauf, die ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken so schnell wie möglich aus dem sicherheitspolitischen Niemandsland in den Westen zu ziehen. Deutschland dagegen mahnt zusammen mit anderen Westeuropäern zur Zurückhaltung; das Bündnis solle aufpassen, keine Konflikte mit Russland zu importieren.

Auf dem Nato-Gipfel im April 2008 in Bukarest einigten sich beide Seite einstweilen auf eine Lösung, die alle zufrieden stellen sollte – und keinem wirklich gefiel. Georgien und die Ukraine, so der Beschluss der 26-Nato-Regierungschefs, sollen vorerst zwar nicht in den so genannten Membership Action Plan (MAP), das Beitrittsprogramm zur Nato, aufgenommen werden. Eine Botschaft aber sprachen sie den beiden Anwärtern dennoch aus: „Wir haben uns heute darauf geeinigt, dass diese Länder Mitglieder der Nato werden“ (Org.: We agreed today that these countries will become members of NATO), laute der entscheidende Satz im Abschluss-Communiqué von Bukarest. Im Dezember wollen die Staatschefs nun ihre Außenminister darüber beraten lassen, ob die Zeit reif ist für MAP.

Nach der russischen Aggression gegen das Nato-Patenkind Georgien werden die Spannungen um die Interessen der Allianz zunehmen. Denn beide Lager, die Erweiterungsbefürworter wie ihre Gegner, fühlen sich durch den Krieg im Kaukasus bestätigt.

Russland, so sagen Diplomaten aus Osteuropa, habe den weichen Ausgang des Bukarest-Gipfels als „grünes Licht“ verstanden, Georgien zu attackieren. Hätte die Nato die Nachbarländer fester umarmt, dann hätte sich Moskau diesen Angriff niemals getraut. Aus Amerika mehren sich die Stimmen, die eine „Jetzt erst recht“-Nato-Erweiterung als Gegenmittel zum russischen „Neoimperialismus“ fordern. Mit einer schnellen Aufnahme Makedonien zum Beispiel (es ist schon seit 1999 MAP-Mitglied) könne der Westen Putin und Medwedew beweisen, dass er sich von Ausfallschritten des Kreml nicht einschüchtern lasse.
Es fügt sich ins Bild, dass der polnische Regierungschef Donald Tusk die nunmehr schnelle Einigung mit Amerika über den Bau einer Abschussbasis für Abfangraketen in seinem Land auch als Folge des Georgienkrieges wertet. „Am wichtigsten ist für uns, und das zeigen die Erfahrungen gerade der jüngsten Tage, dass unser Territorium im Falle eines Konflikts von der ersten Stunde an geschützt wird“, sagte Tusk.

Deutschland hingegen, munkeln Nato-Diplomaten in verschiedenen Fluren des Brüsseler Hauptquartiers, werde nach dem Ossetien-Schock wohl „umso mehr auf Partnerschaft und Einbindung gegenüber Moskau machen.“

Kurzum, die Nato steht, pünktlich zu ihrem 60. Geburtstag (zu dem sie sich ohnehin eine neue Strategie geben will), vor einer Richtungsfrage. Will sie wieder deutlicher als kollektives Verteidigungsbündnis ausrichten, mit dem latenten Feindbild Russland? Sollte Moskau tatsächlich sein Militär einsetzen, um Pipelines und Öl unter seine Kontrolle zu bringen, könnte sich diese Rückentwicklung zum Blockbündnis schneller vollziehen als man es heute ahnt. Auf der anderen Seite steht zwar das starke neue Verständnis der Nato als globale Interventionsallianz.

Aber die Domäne des uniformierten Friedensstifters macht ihr immer mehr die Europäische Union streitig; auf dem Balkan, im Nahen Osten, in Afrika – kurz, überall dort, wo die Nato als amerikanische Hegemonialtruppe unwillkommen ist. Demnächst vielleicht im Kaukasus?

„Die EU steht bereit, sich zu engagieren“, sagt eine ranghohe EU-Diplomatin. Voraussetzung sei allerdings, dass aus der Waffenruhe in Georgien ein echter Waffenstillstand werde. Wie genau die EU in der Krisenregion aktiv werde könne, sei zwar noch zu früh zu sagen, aber denkbar sei Vieles, sagt die Diplomatin. „Wir könnten Polizisten schicken, eine Beobachtermission – oder eine andere Form von Präsenz zeigen.“ Soldaten aus Brüssel, Abschreckungsrhetorik und Abfangraketen aus Washington – ist das womöglich die neue Doppelnatur westlicher Sicherheitspolitik?

 

„Endlich Freiheit”

Zum Abschied gab’s Applaus von den versammelten Journalisten im Theatersaal des Bukarester Parlamentspalastes. Ja, ein bisschen professionelle Wehmut schien diesem Präsidenten fast hinterher zu wehen, als er von der Bühne abtrat. Schließlich war Wladimir Putin während seiner zehnjährigen Amtszeit immer für eine dramatische Schlagzeile gut.

Nur heute nicht.

Wladimir Putin gab bei seinem letzten großen Auftritt vor der Weltpresse ganz den Versöhner. “Es gibt keine ethischen Trennlinien in Europa”, sagte der russische Präsident, der Anfang Mai sein Amt an den Nachfolger Dimitri Medwedew übergibt. “Wirklich nichts, was uns trennt.”

Das vielleicht am häufigsten gebrauchte Wort in seiner Rede lautete “Partner”. Freundlich und konstruktiv habe er mit seinen “Partnern” von der Nato geredet. Er freue sich auf das morgige Treffen mit seinen amerikanischen Partnern (George W. Bush wird mit Putin in Sotschi zusammenkommen, um über Großthemen zu sprechen, für die beim Nato-Gipfel keine Zeit war). Er sprach von seinen iranischen “Partnern”, die nun einmal das “legitime Recht auf die Entwicklung ziviler Kernenergie” hätten. Und er stellte klar, dass ohne den Partner Russland auch für die Nato wenig liefe. Sowohl im Kampf gegen Proliferation und Terrorismus wie auch bei der Mission in Afghanistan sei der Westen auf sein Land angewiesen.

“Deswegen kooperieren wir mit der Nato.”

Kein Wutausbruch über die Nato-Perspektive, die das Bündnis der Ukraine und Georgien am Abend zuvor ausgesprochen hatte. Lediglich sein – abstraktes – Mantra gegenüber einer Nato, die noch immer keine klare Zukunftsaufgabe definiert habe, wiederholte der Präsident: „Das Erscheinen eines mächtigen Militärbündnisses an Russlands Grenze würde als direkte Bedrohung betrachtet“, sagte er.

Doch je konkreter Putin wurde, desto diplomatischer erschienen seine Positionen. So zeigte er sich über den gestrigen Beschluss der Allianz, die amerikanischen Pläne für Raketenabwehrstellungen in Osteuropa zu unterstützen, nicht einmal mehr irritiert. Vielmehr sprach er offen von möglichen Kooperationen auch auf diesem Gebiet. Für das Missile Defense-Programm, erklärte der Präsident, müsse als Nächstes einmal eine gemeinsame Bedrohungsanalyse erarbeitet werden. Er stelle sich dabei vor, die Befehlsstrukturen “demokratisch” zu gestalten. So könne das System womöglich aus zwei Hauptquartieren gesteuert werden, “eines in Moskau, eines in Brüssel.”

Kein Wort mehr von der angeblichen Bedrohung, die die Raketenabwehr für Russlands Nuklearpotenzial darstelle. Über die vermeintlich kräfteverzerrende Wirkung des ABM-Systems hatte sich Putin noch bei seinem legendären Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 in einer Weise erzürnt, die manchen Beobachter an einen neuen Kalten Krieg zwischen Russland und der Nato glauben ließ.

Überhaupt, München. Es sei doch alles nicht so ernst zu nehmen gewesen, was er dort gesagt habe, stellte der Kreml-Chef klar.

“In München habe ich auf einer internationalen Konferenz gesprochen, deren Format einen bestimmten, wenn Sie so wollen, polemischen Ton erforderte, und die es mir erlaubte, sehr frei zu reden”, antwortete Putin auf die Frage eines Journalisten, ob er sich hinter den Kulissen des Bukarester Gipfels ähnlich erregt habe wie damals. Neinnein, so Putin, warum denn?

Um allerdings hinzuzufügen:

“Diese (Münchner) Konferenz hat uns vorangebracht.” Russland werde endlich wieder als Global Player ernstgenommen, sollte das heißen.

“Heute sind wir in einer völlig anderen Situation als damals”, so Putin über die Stimmung nach dem Gewitter. Die Stimmung habe sich gewandelt.

Bei aller altersmilder Rhetorik offenbarte Putin dennoch große Empfindlichkeit angesichts des aus seiner Sicht noch immer wachsenden Machtungleichgewichts, das zwischen der Nato und Russland herrsche. Auf die Frage, warum er Angst habe, wenn sich die Nato als Gemeinschaft demokratischer Staaten bis an die Grenzen seines Landes erstrecke, antwortete er ein wenig angespannt:

“Die Nato ist kein Demokratisierungsapparat! Erweiterungen lösen nicht automatisch Probleme.” Litauen etwa sei bis heute kein demokratischer Staat. Dort würden noch immer Tausende von Russen diskriminiert.

Als ungerecht bezeichnete Putin es auch, dass insbesondere die Baltenstaaten die erneuerte Fassung des Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) noch immer nicht ratifiziert haben.

Ziel des KSE-Regimes ist es, das Arsenal bestimmter schwerer Waffen von den ehemaligen Flanken zwischen Nato- und Warschau-Pakt-Gebieten zu verbannen. Die Nato-Staaten lehnen eine Ratifizierung des Abkommens von 1999 seit dem Jahr 2000 ab. Nach Russlands Einmarsch in Tschetschenien fürchteten sie weitere militärische Ausfallschritte gegen abtrünnige Republiken und verlangten deshalb, dass Russland zunächst seine Truppen aus Georgien und Moldawien abzieht. Dieser Stillstand hält bis heute an.

“Wir sind das einzige Land, das den KSE-Vertrag umgesetzt hat”, sagte Putin ein wenig erregt. “Der Westen dagegen verlegt weitere Truppen an unsere Grenzen.” Im Dezember 2007 setzte Moskau den KSE-Vertrag aus. Jetzt, sagte Putin, sei erst einmal der Westen an der Reihe.

Doch mit diesem Konflikt muss sich nun bald Putins Nachfolger herumschlagen. Er sei froh, aus dem Amt zu scheiden, antwortete der Präsident auf die abschließende Frage einer Journalistin. “Ich freue mich, die Bürde des Amtes auf die Schultern meines Nachfolgers zu legen”, bekannte er mit freundlicher Miene. “Das bedeutet für mich nach zehnjähriger Präsidentschaft endlich die langerwartete Freiheit.”

Wenn das einmal für alle Russen gölte.

 

Schlappe für Bush? Von wegen

Wie schnell sich Deutschlands öffentliche Meinung doch nach bekannten Mustern formt. George W. Bush ist also der große Verlierer des Nato-Gipfels. Trotzig wie ein Kind sei er gegen den erklärten Widerstand der Europäer angerannt mit seinem Wunsch, die Ukraine und Georgien in die Nato aufzunehmen. Und habe sich zum Ausstand von der Allianz eine bittere Schlappe eingefangen.

So weit, so oberflächlich.

Tatsächlich hat Bush mehr von seiner Position durchsetzen können als die Deutschen von ihrer. Das Ziel der Amerikaner war es nie, die Ukraine und Georgien schon morgen in die Nato aufzunehmen. Sie drängten vielmehr darauf, die beiden Staaten in den Membership Action Plan (MAP) aufzunehmen, in eine intensive Dialog- und Kooperationsphase, an deren Ende irgendwann die Mitgliedschaft stehen könnte. Dieser Prozess kann viele Jahre dauern.

Ziemlich genau das hat der Nato-Gipfel nun auch beschlossen. Nur, dass das Kind nicht so heißt. Zu sehr hätte man mit einem offiziellen MAP das ohnehin gekränkte Russland vergrätzt, lautete die deutsche Sorge. Offiziell berief sich die Bundesregierung darauf, in Georgien bestünden noch zwei ungelöste Regionalkonflikte, mit Abchasien und Südossetien. Und die Ukraine sei in der Frage der Nato-Mitgliedschaft tief gespalten, man dürfe der Bevölkerung keinen fremden Willen aufdrängen. Das Problem ungelöster Regionalkonflikte galt allerdings 1999, als Mazedonien in den MAP aufgenommen wurde, nicht. Der Staat, ein Zerfallsprodukt des ehemaligen Jugoslawiens war damals noch politisch zerrissen und stand kurz vorm Bürgerkrieg. Und wäre es nach dem Willen der Deutschen gegangen, dann wäre die Bundesrepublik 1955 wohl kaum der Nato beigetreten. Schließlich galt es als Zweck der Bündnisses „To keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“. Adenauer setzte die Mitgliedschaft trotzdem durch – mit keineswegs unwillkommenen Folgen.

Und nun? Was ist das Resultat von Bukarest?

Russland ist natürlich auch so vergrätzt. Denn die Nato hat genau das getan, was Moskau befürchtet hat: Sie hat der Ukraine und Georgien eine klare Beitrittsperspektive gegeben. In dem Kommuniqué, das die 26 Staatschefs unterzeichneten, heißt es „dass beide Länder einmal Mitglieder der Nato werden“. (Org.: We agreed today that these countries will become members of NATO.*) Das ist MAP ohne es MAP zu nennen – bloß mit negativen diplomatischen Folgen.
„Sie können sich vorstellen, dass das nicht die Formulierung ist, die wir uns gewünscht haben“, sagt ein deutscher Diplomat unter Hinweis auf den starken amerikanischen Einfluss in den Beratungen. Immerhin sei es aber gelungen, das „Symbol“ des MAP nicht auszusenden. Dies sei das Ziel Deutschlands gewesen.

Doch um welchen Preis hat Deutschland dieses Ziel erreicht? Es hat dafür ein großes Stück seiner moralischen Glaubwürdigkeit drangegeben, glaubt der Kommentator der International Herald Tribune, John Vinocur:
„Von Angela Merkel nahm man lange an, sie sei in der Lage, einer anti-demokratischen Macht strategische Symbole vorzuenthalten. Was sich stattdessen durchsetzte, waren Deutschlands Wirtschaftsinteressen, privilegierte Deals und der Wunsch der Kanzlerin angesichts der Wahlen im kommenden Jahr nicht die Vorstellung einiger ihrer sozialdemokratischen Koalitionspartner in Zweifel zu ziehen, wonach der beste Platz für Deutschland in einer Äquidistanz zwischen den Vereinigten Staaten und Russland besteht.“

Zudem ist dieser „Erfolg“ allenfalls taktisch. Schon im Dezember sollen die Nato-Außenminister nun erneut über den Status von Georgien und der Ukraine beraten. Laut Beschluss des Gipfels sind sie ermächtigt, über die Anwendung von MAP gegenüber den beiden Aspiranten zu entscheiden („Foreign Ministers have the authority to decide on the MAP applications of Ukraine and Georgia.„).

Regelrecht peinlich für die europäische Diplomatie ist zudem, dass es ihr nicht gelungen ist, im Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien einen Kompromiss auszuhandeln. Aus kleinkarierten Gründen wollte Athen nicht, dass der Nachbarstaat unter seinem längst gewohnheitsmäßig gebrauchten Namen, sprich: Mazedonien der Allianz beitritt. Denn eine nordgriechische Provinz heißt genauso. Nun muss das Land tatsächlich draußen bleiben, während Kroatien und Albanien eine Beitrittseinladung in die Nato erhielten. So viel zum Konsenskünstler Europa.

Einen völlig ungeahnten Sieg konnte George W. Bush derweil bei seinen Plänen eines Raketenabwehrsystems in Europa erzielen. Die Nato-Staatschefs haben sich darauf geeinigt, das US-System zu befürworten, das eine Radarstation in Tschechien und eine Abfangstellung mit 10 Interzeptor-Raketen in Polen vorsieht. „Wir erkennen den wesentlichen Beitrag für den Schutz der Verbündeten von Langstreckenraketen an, den die geplante Errichtung von Europa-basierten US-Anti-Raketenstellungen bietet“, heißt es in dem Abschlusskommuniqué.**

Das Zustandekommen dieser Erklärung muss die Deutschen nicht nur überraschen (vor dem Gipfel gingen sie davon aus, die Missile Defense würde allenfalls am Rande angesprochen), es ist aus ihrer Sicht auch eine mittelschwere Katastrophe. Bisher hatte sich Berlin – ebenfalls aus Rücksicht auf Russland – erfolgreich um eine klare Haltung zur Raketenabwehr herumgedrückt. Immerhin wird in dem Kommuniqué betont, dass es sich vorerst weiter um ein US-, kein Nato-System handeln solle. Ansonsten müsste Deutschland, wie es einer seiner Vertreter in Bukarest formuliert, „wahrscheinlich 20 Cent zu jeden Euro beisteuern, der dafür ausgegeben wird.“

Indes werden Angela Merkels Diplomaten sämtliche Energien aufbieten müssen, um die Errichtung des Systems für Russland verdaulich zu gestalten. Bisher hatte Putin das Missile Defense Programme, das gegen Langstreckenraketen aus Iran installiert werden soll, wider alle technischen Fakten zu einer Bedrohung für sein Nuklearraketenpotenzial aufgeblasen.

Erhellend waren in diesem Zusammenhang die Äußerungen, die der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses der Duma, Konstantin Kosachev, am Rande des Gipfels auf einer begleitenden Konferenz machte. Russland habe eigentlich gar nichts gegen die Raketenabwehr, bekannte er nach einigen Nachfragen. Es wolle nur gerne als ernst zu nehmender Partner eingebunden werden.

„15 oder 20 Abfangraketen in Polen stellen keine ernsthafte Bedrohung für Russlands Raketenpotenzial dar, natürlich“, sagte Kosachev auf einem Plenum des German Marshall Funds. „Russland und Europa teilen dieselbe Bedrohung“, ergänzte er mit Blick auf das iranische Raketenprogramm. Doch gegenüber dem nato-fixierten Europa habe Russland schlicht mit der Brechstange auf sich aufmerksam machen müssen.

„Der höfliche Ton gegenüber der Nato hat uns zehn Jahre lang nicht weitergebracht“, sagte Kosachev. Russland werde erst wieder wahrgenommen, seit Wladimir Putin auf der Müncher Sicherheitskonferent 2007 den Westen in rüdem Ton angegriffen habe. „Jetzt hört man uns zu!“, rief Kosachev. Er hoffe nun, dass George W. Bush und Wladimir Putin bei ihrem anstehenden Treffen in Sotschi zu einer Lösung für den Raketenschild kämen.

Ein Vertreter der Bundesregierung sagte der ZEIT dazu, damit biete sich die Chance, „aus der Missile Defense ein konstruktives Großprojekt für die USA, Europa und die Nato zu machen“ – mit Hilfe starker deutscher Vermittlung. Ein Vertreter der US-Regierung sagte der ZEIT, denkbar sei es, die Installationen des Raketenschildes in ähnlicher Weise überwachen zu lassen, wie es die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bei Nuklearanlagen tue, sprich mithilfe von Kameras und Sensoren.

Voraussetzung dafür wäre freilich, dass Wladimir Putin bei seinem mit Spannung erwarteten Auftritt in Bukarest nun nicht noch antiwestlichere Laune demonstriert als seinerzeit in München.

Aber das wäre dann selbstverständlich wieder die Schuld von George W. Bush.

* Die vollständigen entsprechenden Passagen in der Abschlusserklärung der Staatschefs lauten:

NATO welcomes Ukraine’s and Georgia’s Euro‑Atlantic aspirations for membership in NATO. We agreed today that these countries will become members of NATO. Both nations have made valuable contributions to Alliance operations. We welcome the democratic reforms in Ukraine and Georgia and look forward to free and fair parliamentary elections in Georgia in May. MAP is the next step for Ukraine and Georgia on their direct way to membership. Today we make clear that we support these countries’ applications for MAP. Therefore we will now begin a period of intensive engagement with both at a high political level to address the questions still outstanding pertaining to their MAP applications. We have asked Foreign Ministers to make a first assessment of progress at their December 2008 meeting. Foreign Ministers have the authority to decide on the MAP applications of Ukraine and Georgia.

(…)

Ballistic missile proliferation poses an increasing threat to Allies’ forces, territory and populations. Missile defence forms part of a broader response to counter this threat. We therefore recognise the substantial contribution to the protection of Allies from long‑range ballistic missiles to be provided by the planned deployment of European‑based United States missile defence assets. We are exploring ways to link this capability with current NATO missile defence efforts as a way to ensure that it would be an integral part of any future NATO‑wide missile defence architecture. Bearing in mind the principle of the indivisibility of Allied security as well as NATO solidarity, we task the Council in Permanent Session to develop options for a comprehensive missile defence architecture to extend coverage to all Allied territory and populations not otherwise covered by the United States system for review at our 2009 Summit, to inform any future political decision.

We also commend the work already underway to strengthen NATO‑Russia missile defence cooperation. We are committed to maximum transparency and reciprocal confidence building measures to allay any concerns. We encourage the Russian Federation to take advantage of United States missile defence cooperation proposals and we are ready to explore the potential for linking United States, NATO and Russian missile defence systems at an appropriate time.

 

“Wir schätzen Mut”

Schneidende Worte hat George W. Bush für seinen letzten Nato-Gipfel gewählt. In Bukarest trat er vor dem offiziellen Beginn des großen Allianztreffens vor kleinem, zumeist pro-atlantisch gesinntem Publikum ans Rednerpult. Wie erwartet, gab der amerikanische Präsident in Kurzform sein sicherheitspolitisches Vermächtnis zu Protokoll.

Es kulminierte in einem Bekenntnis, das die einen Verbündeten als Liebeserklärung begreifen durften. Gewisse andere liegen sicher nicht falsch, wenn sie es als endgültigen Ausdruck tief empfundener Bedeutungslosigkeit werten.

“Wir schätzen Mut”, bekannte Bush über die Washingtoner Weltsicht. “Wir schätzen Völker, die die Freiheit lieben. Und wir schätzen Menschen, die glauben, dass Freiheit zu Sicherheit führt.”

Dafür erntete der scheidende US-Präsident donnernden Applaus vor allem von den jungen Rumänen, die für den Vortrag ausgewählt und in den ersten Reihen platziert worden waren. Für viele Osteuropäer ist Amerika noch immer die Macht des anti-totalitären Guten, weshalb das entschlossene Engagement rumänischer Soldaten im Irak und Afghanistan an der Seite der US-Truppen deshalb unangezweifelt bleibt.

Den wenigen Vertretern Deutschlands im Saal hingegen fiel es sichtlich schwer, sich zum Beifall ebenfalls von ihren Stühlen zu erheben. Zu belastet ist das Verhältnis zu diesem weltenbrennerischen Neocon noch immer. Und zu sehr begreift manch Germane Bushs Worte als Anspielung auf ein Deutschland, dass hier in Bukarest schon im Vorfeld des eigentlichen Gipfels als lästiger Bedenkenträger und Entscheidungsbremser abgestempelt ist.

“Schon verstanden”, knurrte ein deutscher Regierungsvertreter auf dem Weg nach draußen.

Wirklich?

Was sich in Bukarest abzeichnet, ist – Bushs Abschied von der Weltbühne hin oder her – eine Neukalibrierung des westlichen Verteidigungsbündnisses. Deutschland droht, dabei in die Riege der unsicheren und deshalb unwichtigen Kantonisten abzusteigen.

Aller Voraussicht nach werden die 26 Staats- und Regierungschefs der Nato am Donnerstag die drei Balkanstaaten Kroatien, Mazedonien und Albanien als Neumitglieder ins Bündnis aufnehmen. Schon diese Erweiterung war für Deutschland schwer zu schlucken. Albanien, so ist aus Diplomatenkreisen zu vernehmen, sei aus Berliner Sicht für eine Nato-Mitgliedschaft eigentlich noch nicht reif.

Doch nun drängt die scheidende US-Regierung auch noch, Georgien und Ukraine einen Fahrplan für die Mitgliedschaft anzubieten. Deutschland ist zwar nur einer von mehreren europäischen Staaten, die diesen Schritt für verfrüht halten. Dennoch trifft die Deutschen in Bukarest die geballte Wut vieler Georgier, Osteuropäer und Amerikaner.

Der Grund dafür liegt nicht allein im Nein zu einer eurasischen Nato-Ausdehnung. Die vielen Neins und Jeins der Deutschen zu wichtigen Nato-Projekten addieren sich vielmehr allmählich zu einer Haltung, die von vielen Verbündeten als – freundlich ausgedrückt – verwunderlich begriffen wird. Oder, unfreundlicher: als schleichender Abschied Deutschlands aus den Kernstaaten der Allianz.

Das zweite und dritte Nein der Deutschen betrifft Afghanistan. Die Bundesregierung werde keine zusätzlichen Soldaten schicken, schon gar keine in den Süden, machte die Bundeskanzlerin kürzlich unmissverständlich klar. Bush sagte darauf hin in einem Interview mit der WELT, er werde von Deutschland keine Entscheidungen mehr fordern, die politisch unmöglich seien. Mit anderen Worten: Er schreibt die Germanen ab.

Auch an den weitreichenden Einsatzbeschränkungen für seine Truppen am Hindukusch will Deutschland nicht rütteln – obwohl der Nato-Generalsekretär ohne Unterlass die Abschaffung aller nationalen “caveats” fordert.

Ein klares Jein ringen sich die Deutschen zu den Raketenabwehrplänen ab, mit denen die USA Langstreckenraketen aus dem Iran abfangen wollen. Hier bestehe noch Prüfungsbedarf, wiederholen deutsche Diplomaten immer wieder gebetsmühlenhaft.

Ein weiteres Nichts ist aus Angela Merkels Ankündigung geworden, die Nato wieder zur wichtigsten Plattform für transatlantische Beratungen zu machen. Tatsächlich sind die Tagungen rund um den Bukarester Gipfel zwar von der ersten Regierungsriege vieler Nato-Partner besetzt. Die Bundesregierung hingegen hat es nicht geschafft, prominente Botschafter auf die wichtigen Plenen zu entsenden. “Dramatisch” nennt ein amerikanischer Beobachter die dünne deutsche Beteiligung an den Strategiedebatten.

Nicht nur den Amerikanern, auch den Osteuropäern drängt sich bei all dem der Eindruck auf, Deutschland leide unter einer geopolitischen Kompassstörung. Statt klarer Solidarität mit der Nato sei es Berlins erste Sorge, Moskau nicht zu vergrätzen. Ein Vertreter Georgiens sprach gar von deutschem “Appeasement” gegenüber Wladimir Putin.

Das mag überzogen sein. Aber das Label haftet. Deutschland, so viel ist sicher, gilt nicht länger als wichtigster transatlantischer Brückenpfeiler auf dem europäischen Kontinent. Für diese Aufgabe steht mittlerweile ein anderer bereit. Frankreichs Präsident Sarkozy wartet nur darauf, die Rochade zu vollenden, die Deutschland so sichtbar in Bukarest eingeleitet hat.

 

Liebesgrüße nach Moskau

natolaenderklein.jpg

Wann, der Färbung einer Europakarte nach, wäre eigentlich die Nachkriegszeit beendet? Nicht jedenfalls, solange die Ukraine und Georgien Teile einer Grauzone zwischen dem Westen und Russland bilden. So konnte man am Wochenende den Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer verstehen.

scheffer.jpg

Qua Amt eigentlich ein Moderator, zeigte sich Scheffer auf dem Brussels Forum des German Marshall Fund (GMF) überraschend provokant. „Solange es eine Lücke gibt zwischen den Orten, an denen Länder sind und Orten, nach denen sie sich sehnen, ist die Vereinigung Europas nicht abgeschlossen“, sagte der Niederländer. Und weiter:
„Solange einige Länder das Gefühl haben, dass sie nicht voll und ganz Herr ihres Schicksals sind, nicht zuletzt weil andere ihnen die freie Wahl verwehren, solange ist Europa nicht der Gemeinschaftsraum, der es nach unserem Willen sein soll.“

Klingt wie eine Erinnerung an George H.W. Bushs Schlachtruf aus den späten achtziger Jahren: „Europe whole and free!“ – Und soll es wohl auch sein.

Scheffer nannte die Ukraine und Georgien nicht ausdrücklich, aber der Bezug war klar. Der georgischen Regierung zufolge befürwortet die Mehrheit der Bürger einen Nato-Beitritt ihres Landes, und die ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko hofft auf eine Aufnahme ihres Landes in den so genannten Membership Action Plan (MAP), der den Beitrittsprozess einleiten würde.

Zusammen mit den – bereits offiziellen – Nato-Kandidatenländern Kroatien, Mazedonien und Albanien hoffen die Ukraine und Georgien für den bevorstehenden Nato-Gipfel in Bukarest (2. bis 4. April) auf Willkommensgrüße der Allianz.

Scheffers Rede könnte deshalb darauf gezielt haben, Russland schon vorab klar zu machen, dass die Nato den „neuen“ Osteuropäern die Tür ebenso selbstverständlich offen hält wie den „alten“ Osteuropäern des ehemaligen Warschauer Pakts, die nach 1990 zum Bündnis stießen. Es setzt jedenfalls einen deutlichen Ton gegen Moskau, wenn der Nato-Chef sagt, das Bündnis werde seine Mitglieder nicht allein lassen, wenn sie Opfer von „Cyber-Angriffen“ oder „Energieerpressung“ würden. Bloß, ob solche Präemptivrhetorik die Stimmung eher entspannt oder verschärft?

Wenn es schon in Brüssel knistert, dann könnten in Bukarest die Funken fliegen. Aller Voraussicht nach werden dort zwei Großpräsidenten aufeinandertreffen, die über die geopolitische Zukunft Westeuropas tief zerstritten sind. George Bush, der Erweiterer. Und Wladimir Putin, der Einheger.

Unter Bush II hat die Nato sieben neue Mitglieder aufgenommen, die Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen, Bulgarien und den jetzigen Gipfelgastgeber Rumänien, die allesamt aus der Erbmasse der ehemaligen Sowjetunion stammten. Putins Phantomschmerzen über den Verlust der imperialen Peripherie äußert sich in größtenteils irrationaler Ablehnung der US/Nato-Raketenabwehr für Europa, ebenso wie in ungeschminkter antiwestlicher Stimmungsmache, von München bis nach Mitrovica.
Putin spielt dabei gekonnt mit dem Anti-Amerikanismus vieler, gerade junger Europäer, die kein Gedächtnis mehr an den sozialistischen Totalitarismus in Osteuropa haben – wohl aber an die Bush’sche Kriegslust am Persischen Golf.

„Bushs transatlantisches Vermächtnis ist in Gefahr“, titelte die International Herald Tribune am Wochenende. Und ließ zwei nicht namentlich genannte US-Nato-Diplomaten frotzeln, es seien ausgerechnet wieder die Deutschen, die sich gegen die Erweiterung stemmten. Sie hätten, so die Diplomaten, wohl Angst, Russland zu vergrätzen.

Diese Angst hatten die Deutschen schon bei der ersten Ost-Erweiterungsrunde der Nato. Warum eigentlich?, fragt die Direktorin des Berliner GMF-Büros und geschätzte ehemalige ZEIT-Kollegin Constanze Stelzenmüller.

„Europas Eintreten für die Universalität von Menschenrechten sollte logischer Weise bedeuten, dass es die Rechte und Freiheiten von weißrussischen Dissidenten oder georgischen Journalisten und Richtern ebenso nachdrücklich verteidigt wie die der afghanischen Kriegsgefangenen in Guantánamo Bay.
Andererseits wird Instabilität und Einmischung durch ein zunehmend durchsetzungsstarkes Russland zuerst und am unmittelbarsten in Europa spürbar. Das gilt besonders für die Schwarzmeerregion. Sie bedeutet für Europas Energiesicherheit im 21. Jahrhundert das, was das Fuldatal* für seine territoriale Sicherheit im 20. Jahrhundert bedeutet hat.“

Östlich der EU färbt sich das Gelände nicht mehr rot, so viel steht fest. Aber blau auch noch lange nicht.

Und so könnte das Gipfeltreffen der Nato tatsächlich Anlass für Gefühlsausbrüche bildden. Immerhin treff dort zwei scheidende Großmachtführer aufeinander, von denen der eine, George W. Bush, schon vor dem Treffen klargestellt hat, dass er die Nato gern noch ein Stück weiter nach Osten treiben möchte – quasi als letzten Akt im Drama der
„Demokratieverbreitung“, bevor Bush von der Weltbühne abtritt.

Der US−Präsident, so machte er Anfang der Woche per Interview deutlich, möchte nicht nur die Kandidatenländer Kroatien, Mazedonien und Albanien so schnell wie möglich in die Nato eingliedern. Auch Georgien und die Ukraine sollen nach seinem Willen die Perspektive bekommen, der nordatlantischen Allianz beizutreten. Bei Russlands Präsident Wladimir Putin löst eine solche Neutünchung der eurasischen Landkarte Empörung aus. Er setzt die Ausdehnung der Nato schlicht gleich mit der Ausdehnung der amerikanischen Einflusssphäre auf die einstige Peripherie der Sowjetunion.

„Die Lust an Abschuldigungen im heutigen Russland erinnern an Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg, als die Deutschen sich über das ,Schanddiktat von Versailles‘ erregten, das einem niedergestreckten Deutschland von den Siegermächten aufgedrückt wurde und über die korrupten Politiker, die der Nation den Dolch in den Rücken gestoßen haben“, schreibt Robert Kagan (The Return of History, 2008, S. 16).

Gleichwohl (oder gerade deswegen) hat Putin – zur Überraschung mancher Nato−Diplomaten – die Einladung angenommen, als Gast beim Bukarester Bündnistreffen zu erscheinen. Während Bush schon am Mittwochmorgen eine erste Rede halten wird, kommt der Kreml−Chef allerdings erst gegen Ende des Gipfels am Freitag Mittag zu Wort. Dann werden die Beschlüsse über die Zukunft des Bündnisses bereits getroffen sein. Gleichwohl, dieser Gipfel könnte amerikanisch-russische Differenzen zu Tage fördern, wie es sie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr gegeben hat.

Eine historische Sekunde lang hatte der 11. September 2001 einen Schulterschluss bewirkt zwischen Amerika und Russland. Jedenfalls ideell schienen sich die beiden Mächte einig im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Doch die langfristigen geopolitischen Vermächtnisse, die George Bush und Wladimir Putin
hinterlassen wollen, sie könnten gegensätzlicher kaum sein.

George Bush setzte nach den Al−Qaida−Angriffen auf New York und Washington alles daran, die Nato so rasch wie möglich in ein flexibles Eingreifbündnis zu verwandeln. Der Feind war mobil geworden, also musste es auch das Bündnis werden. Auf dem Prager Gipfel von 2002 drängten die USA ihre Verbündeten, die Nato weg von der Territorial−, hin auf Interessensverteidigung zu trimmen. Als sichtbares Zeichen dieser
strukturellen Mobilmachung wurde in Prag die Aufstellung der Nato Response Force (NRF) beschlossen, eines schnellen Interventionsverbandes, der weltweit zum Einsatz kommen können soll. Zwar hat die NRF bis heute nicht ihre Sollstärke von 20.000 Soldaten erreicht. Doch seit 2002 hat sich die Gestalt der Nato trotzdem stark gewandelt.

Eine Kommandoreform machte die bisher statische und in unzählige Hauptquartiere mit regionaler Verantwortung zerlegte Allianz ab 2002 schlagkräftiger und beweglicher für schnelle Interventionen. Seit Mitte 2006 gilt eine neue Kommandostruktur mit nun nur noch zwei mächtigen strategischen Hauptquartieren. Zeitgleich mit diesem Umbau erweiterte die Nato seit Beginn des neuen Jahrtausends den Kreis der kompatiblen Streitkräfte. Vor allem angesichts manch skeptischer westeuropäischer Partner im „alten
Europa“ (so das auf Deutschland und Frankreich gemünzte Diktum des damaligen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld im Irakkriegsjahr 2003) beschleunigte die Bush−Regierung ihre Pläne, die Nato in einer ersten Runde nach Osten auszudehnen.

Viele Menschen in den ehemaligen sowjetischen Satellitenstaaten, vor allem in Polen und Tschechien und Rumänien, hegten damals weitaus größere Sympathien für die Intervention im Irak als die meisten Westeuropäer – wussten sie doch aus eigener Erfahrung, was das Leben unter repressiven Unrechtsregimen bedeutet. Sie reihten sich in die „Koalition der Willigen“ ein und schickten Truppen ins Zweistromland, obwohl einige von ihnen damals noch gar keine Nato−Mitglieder waren.

Danach ging es schnell. Während der Amtszeit von Bush II hat die Nato sieben neue Staaten aufgenommen, die Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen, Bulgarien – und eben den jetzigen Gipfelgastgeber Rumänien. Russlands Befindlichkeiten ließ Washington bei dieser Ausdehnung weitgehend außer Acht. Aus Bushs Sicht kann Russland schließlich keine Angst davor haben, dass sich demokratische Staaten seinen Grenzen näherten. Schließlich führten Demokratien keinen Krieg gegeneinander. Doch diesem Frieden traut der russische Präsident nicht.

Im Februar 2007 platzte Wladimir Putin der Kragen. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz wütete der Kreml−Chef gegen die aus seiner Sicht amerikanische Imperialpolitik: „Wir sind Zeuge einer ungezügelten Macht, die die grundlegenden Regeln des Völkerrechts missachtet“, dozierte er erregt. In den „militärischen Abenteuern“ Amerikas kämen „Tausende von friedlichen Menschen ums Leben. Wem kann das schon gefallen?“, fragte er, wohlwissend, dass solche Eindämmungsrhetorik vor allem bei der europäischen Linken Zustimmung findet.

Seitdem lässt Putin kaum eine Gelegenheit aus, einen Keil in die Nato zu treiben. Sein Lieblingsthema sind seit geraumer Zeit die US−Pläne, in Tschechien und Polen eine Radar− beziehungsweise Abfangstellung gegen Langstreckenraketen zu errichten, die irgendwann aus Iran oder Nordkorea gen Amerika oder Europa geschossen werden könnten. Der Kreml hat bisher alle amerikanischen Vorschläge einer Kooperation (Inspektionen in den Raketenstützpunkten, Einbeziehung Teile von Russlands in den Schutzschirm, Stationierung der Raketen erst, wenn Iran bedrohlich aufgerüstet hat) zurückgewiesen. Stattdessen versteht es Putin geschickt, in Westeuropa politische Urängste zu wecken: Noch einmal amerikanische Raketen auf eurem Boden, wollt ihr das wirklich?

Doch dies ist freilich nicht der einzige Grund, warum eine Reihe von westeuropäischen Staaten die amerikanischen Ambitionen einer Groß−Nato derzeit ein wenig bremsen. Deutschland, heißt es aus diplomatischen Kreisen, sei schon bei der Haltung zum Kandidatenland Albanien über seinen Schatten gesprungen (ursprünglich wollten die Deutschen eine Nato−Einladung an Tirana ablehnen, nun werden sie ihr voraussichtlich zustimmen). Nun auch noch der Ukraine und Georgien eine Beitrittsperspektive zu geben, sei verfrüht, heißt es. Schließlich sei die Ukraine in dieser Frage völlig gespalten, und Georgien habe noch immer mit den Regionalkonflikten in Abchasien und Südossetien zu kämpfen. Die beiden Länder in die Allianz einzuschließen hieße vor allem, Probleme zu importieren.

Diese Haltung nehmen dem Vernehmen nach neben Deutschland auch Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg ein. Hingegen unterstützen viele osteuropäische Staaten und Kanada – dort gibt es eine große ukrainische Diaspora – den US−Wunsch, die Ukraine und Georgien in den so genannten Membership Action Plan der Nato, kurz, MAP aufzunehmen. Auch dieses Akronym ist ein recht sprechendes. Denn der Weg jedes Staates, der in den MAP aufgenommen wird, wäre in der Tat wie auf einer Karte vorgezeichnet. Er führt in die Mitgliedschaft – ein anderer Ausweg ist nicht vorgesehen.

—-

* Während des Kalten Krieges der antizipierte Hauptkampfplatz zwischen den Truppen der Nato und des Warschauers Pakts

 

Der Gipfel vor dem Gipfel

Man könnte sagen, es geht um die Menufolge für das eigentlich große Ereignis, wenn die Außenminister der 27 Nato-Staaten sich am diesen Donnerstag in Brüssel treffen.

Vom 2. bis 4. April findet in Bukarest ein Nato-Gipfel statt. Er dürfte einerseits so etwas wie eine Schlussbilanz ziehen über eine neokonservative Weltmachtära. Andererseits dürfte er aber auch zu einem Selbstfindungsversuch werden über die Zukunftsaufgaben der 59 Jahre alten transatlantischen Verteidigungsallianz.

Wenn die protokollarischen Signale nicht lügen, dann werden in Bukarest zwei abtretende Präsidenten ihre Vermächtnisse verlesen: George Bush und Wladimir Putin. Der eine – tatsächliche Weltmachtführer – wird noch einmal programmatisch mitreden wollen. Der andere – Möchtegern-Weltmachtführer – soll zum Abschluss des Gipfels sprechen, wenn alle Beschlüsse getroffen sind. Putin ist ja immer noch offiziell russischer Präsident, die Amtsübergabe an seinen Nachfolger findet erst Anfang Mai statt.

Wird Putin noch einmal die Gelegenheit nutzen, einen Keil in die Allianz zu treiben? Ausgerechnet der Feldherr des Tschetschenien−Kriegs schwingt sich immer wieder zum vermeintlich friedliebenden Bändiger vermeintlicher amerikanischer Imperialpolitik auf. Historisch sein Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007, wo er Kalte-Kriegs-Szenarien wiederbelebte: “Wir sind Zeuge einer ungezügelten Macht, die die grundlegenden Regeln des Völkerrechts verachtet.” In den “militärischen Abenteuern” Amerikas kämen “Tausende von friedlichen Menschen ums Leben. Anderen Staaten werden Regeln aufgedrängt, die sie nicht wollen. Wem kann das schon gefallen?”

Ein Anlass, die Regierung in Washington der Kriegslust zu bezichtigen, könnte der Hinweis auf deren Raketenabwehrabwehrpläne in Europa sein. Putin nutzt dies, um die Gefahr eines neuen Wettrüstens an die Wand zu malen. Doch wie 10 Abfangraketen (ohne Sprengköpfe), die in Polen stationiert werden sollen, das dreistellige russische Raketenarsenal auch nur annähernd bedrohen können, ist nach allen Regeln des gesunden Menschenverstandes schlicht nicht begreiflich. Zudem hat Putin bisher alle amerikanischen Vorschläge einer Kooperation (Inspektionen in den Raketenstützpunkten, Einbeziehung Teile von Russlands in den Schutzschirm, Stationierung der Raketen erst, wenn Iran bedrohlich aufgerüstet hat) zurückgewiesen. Stattdessen weiß er genau, womit er die europäische öffentliche Meinung in Wallung versetzen kann: Amerikanische Raketen. Das reicht, um tiefste Ängste heraufzubeschwören.

Wird die Nato auf dem Bukarest-Gipfel Klartext mit dem russischen Präsidenten reden? Bei genauerer Betrachtung ist es Putin, der derzeit die Sicherheitsarchitektur in Europa destabilisiert. Er spielt die Kosovo-Frage aus und verhindert damit eine Annäherung des West-Balkans an Europa. Er hat den KSE-Vertrag über konventionelle Streitkräfte ausgesetzt, das heißt, Russland kann an seiner Westflanke wieder massiv aufrüsten. Er lässt es zu, dass russische Rüstungsunternehmen den Iran und Syrien mit modernen Luftabwehrrakten und Kampfflugzeugen versorgen. Er lässt strategische Atombomber regelmäßig Nato-Territorium überfliegen, sodass immer wieder Nato-Abfangjäger aufsteigen müssen. Er drosselt den Gasfluss in die Ukraine, weil sich die dortige Regierung unbotmäßig gegenüber seinem Stamokap-Gazprom zeigt.

Aber nein. Wahrscheinlich werden sich die 27 Staats- und Regierungschefs anderen Fragen widmen.

Zum Beispiel, ob die Nato Beitrittseinladungen an die drei Kandidatenländer Kroatien, Albanien und Mazedonien aussprechen soll. Ob sie der Ukraine und Georgien einen Beitrittsprozess in Aussicht stellen soll. Die Regierungen beider Länder drängen ins Bündnis, und während die USA sie gern so schnell wie möglich aufnehmen würden, zeigen sich viele europäische Staaten zögerlich. Georgien hat immerhin mit einem ungelösten inneren Konflikt zu kämpfen. Und mehr Probleme braucht die Nato nun wirklich nicht.

Und natürlich, ob es nicht an der Zeit wäre für eine kohärente Strategie für Afghanistan. Denn, das hätten wir ja fast vergessen, die Nato befindet sich immerhin im Krieg.

 

Ankaras Zweifronten-Krieg

Den verzweifelten Ruf eines britischen Journalisten nach der „Türkei?“ überhörten Javier Solana und Jaap de Hoop Scheffer geflissentlich. Kaum hatten sie ihre gestanzten Botschaften zur EU- und Nato-Zusammenarbeit in Afghanistan, Bosnien und dem Kosovo abgeliefert, traten sie am Montag eilends vom Pressepodium des Brüsseler Ratsgebäudes ab. Der Einmarsch der Türkei, immerhin ein Nato-Partner, immerhin ein EU-Beitrittskandidat, in den Nordirak am Wochenende, er war weder für den EU-Außenbeauftragten noch für den Nato-Generalsekretär ein Thema.

Ein Diplomat, der an dem vorhergehenden Treffen der beiden teilgenommen hatte, bestätigte, die Großoffensive gegen die PKK sei in den Gesprächen nicht behandelt worden. Auch im Hauptquartier der Nato, so ist zu hören, sei die Invasion in keinem Gremium ein Thema gewesen. Solange die Türkei sich weder auf Artikel 4 des Nato-Vertrages (Konsultationen bei Bedrohungen der territorialen Unversehrtheit) noch auf Artikel 5 (Bündnisfall wegen bewaffneten Angriffs) berufe, werde wohl auch niemand ohne Not die Lage ansprechen.

Als ob am Rande Europas, auf dem Boden eines der gefährlichsten Staaten der Welt, nicht gerade ein neuer Krieg anschwellte.

Aber irgendwie gehört die Türkei ja doch nicht so recht zu Europa. Und irgendwie ist sie ja auch ein bisschen Mitschuld an diesem Kurdenproblem. Also ist das Ganze doch eher eine innere Angelegenheit.
So darf man den Subtext der derzeitigen Brüsseler Nicht-Debatte um die Türkei wohl zusammenfassen.

Freilich, auch die PKK steht auf der Liste der 48 Vereinigungen und 54 Personen, die Brüssel als terroristisch einstuft. Deswegen aber gilt sie Europa noch lange nicht als Terrorgruppe erster Güte. In den Köpfen der EU- und Nato-Diplomaten bombt die Kurdische Arbeiterpartei eben nicht in einer Schublade mit einer Gama’a al-Islamiyya oder den Hisbollah-Mudschaheddin. Wenig hilft es, wenn türkische Generale bei der Nato immer wieder versuchen, die PKK unter dem Tagesordnungspunkt „Terrorismus“ in die Runde zu bringen. Auf diese Einsortierung des Kurdenproblems, so ist zu hören, ließen sich Amerika, Großbritannien und Deutschland nur solange ein, wie die Scharmützel auf das „eigene Gebiet“ der Türkei begrenzt blieben.
Gefühlt gehören die anatolischen Underdogs eben eher in die Rubrik Rebellentum. Eher zur Kategorie IRA denn al-Qaida. Zuwenig Islamismus, zu viel Sozialismus, mit anderen Worten, um einen Antiterror-Schulterschluss des Westens zu bewirken. Auch dann nicht, wenn die Guerillas grenzübergreifend zu Felde ziehen.

Die türkische Regierung, scheint’s, muss ihr Selbstverteidigungsrecht – ein bisher weithin anerkanntes Prinzip – zweimal abwägen. Außenpolitisch, nach Osten, und EU-politisch, nach Westen. „Ein militärisches Vorgehen der Türkei im Irak ist mit einem EU-Beitritt nicht vereinbar“, stellt der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, fest – und damit zugleich eine ganz neue antimilitaristische Beitrittsbedingung auf.
Denn seltsam: Rumänien und Bulgarien, die seit 2004 militärisch im Irak vorgehen, wurde aus dergleichen 2007 kein EU-Beitrittsverbot gedreht. Und dabei waren diese beiden Länder nicht einmal von Bombenkampagnen gegen ihre Bürger überzogen worden, konnten sich also keineswegs auf ein Selbstverteidigungsrecht berufen.

Nun hat diese Art von Brüsseler Doppelmoral dummerweise einen wahren Kern. Denn die Türkei hat in der Vergangenheit zu wenig getan, um der PKK ihre politische Legitimationsgrundlage zu entziehen. Zuletzt hat sie ihren Anführer, Abdullah Öcalan, nicht hingerichtet. Das war zwar gut, kostete aber wenig moralische und innenpolitische Energie. Die EU erwartet zu Recht einen kraftvolleren Schutz der kurdischen Minderheit. Im ihrem letzten Fortschrittsbericht über die Türkei vom November 2007 heißt es:
„Die Türkei hat im Bereich der kulturellen Rechte keine Fortschritte erzielt. Umfangreiche weitere Anstrengungen sind erforderlich, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung anderer Sprachen als Türkisch im Rundfunk, im politischen Leben und bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen.“

Derweil zeigt sich der für die Türkei zuständige Erweiterungskommissar flexibel. Mitte Dezember, nach den ersten Luftangriffen der türkischen Armee auf PKK-Stellungen, war aus dem Umfeld des Finnen Olli Rehn noch zu hören, jede Reaktion auf kurdische Terrorangriffe müsse angemessen sein; vereinzelte Luftschläge seien dies wohl gerade noch. Nicht aber eine großangelegte Bodenoffensive. Nun äußert Rehns Sprecherin doch Verständnis für die Invasion. Schwere Tage, wackliger Boden für die Türkeifreunde in Brüssel.

Ankara hat am Wochenende einen Zweifrontenkrieg begonnen. Für jeden Schuss, den er nach Osten abfeuert, sollte Ministerpräsident Erdogan jetzt eine Botschaft nach Westen schmettern. Darüber, wie er gedenkt, den Kurdenkonflikt in Zukunft politisch beizulegen. Ansonsten dürfte er in Europa, besonders und Deutschland, bald abgeschrieben sein. Als der große Desintegrierer. Erst von Köln, und jetzt auch noch von Kirkuk.

 

Heute mal die Zukunft in Ordnung bringen

Wenigstens da waren sich Amerikaner und Europäer einig: Die Nato hat ein Verkaufsproblem. Wer weiß schon noch, warum deutsche Soldaten in Afghanistan stehen? Wie, wenn überhaupt, lässt sich dem Souverän noch klar machen, dass es seine Sicherheit ist, die da am fernen Hindukusch verteidigt wird? So lautet die klamme Bilanz des ersten Tages der 44. Münchner Sicherheitskonferenz.
Was die verteidigungspolitische Prominenz des Nato-Westens im edlen Hotel Bayerischer Hof abhielt, war vor allem eine Vergewisserungsveranstaltung über die eigene Ungewissheit.

Allen lauten amerikanischen Rufen nach deutschen Soldaten für den Süden Afghanistans zum Trotz, predigte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) das Konzept der “vernetzten Zusammenarbeit”. Unverdrossen betete er das Gebet von der „selbsttragenden Sicherheit“ herunter, welche es in Afghanistan herstellen gelte, und zwar vor allem durch Ausbildung einheimischer Kräfte.
Einig war sich Jung mit seinen amerikanischen Counterparts immerhin über die mangelnde Unterstützung durch die Heimatfront. Es werde in der Öffentlichkeit „zu wenig dargestellt“, so Jung, dass immerhin 28 Millionen Afghanen von der Terrorherrschaft der Taliban befreit worden seien, knapp sieben Millionen Kinder wieder zur Schule gehen könnten und schon 4,7 Millionen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgekehrt seien, weil sie die Lage mittlerweile für hoffnungsvoll und sicher genug hielten.

Leider ahnt man, warum die Kommunikation zwischen Verteidigungsministerium und Wahlvolk trotzdem krankt. Dann nämlich, wenn Jung unelegant doziert, der „kombrehensiff abrootsch“ sei entscheidend „im Hinblick auf einen positiven Prozess in Afghanistan.“ So redet man niemanden heiß.

Wie sich ein Publikum rhetorisch packen lässt, führte kurz darauf der republikanische US-Senator Lindsey Graham aus South Carolina vor. Er war anstelle des erfolgsverhinderten Präsidentschaftskandidaten John McCain auf das Münchner Podium gekommen.
„Gewinnen wir in Afghanistan?“, fragte er schlicht. Und antwortete einfach: „Ich bin mir nicht so sicher.“ Da wurde es schon still im Saal. Regelrechte Andächtigkeit produzierte Graham in der Folge mit einer Reihe von selbstkritischen Bekenntnissen.

„Es geht in Afghanistan auch um einen Krieg der Ideen“, sagte er. Und: „Wenn wir Fehler machen wie Guantánamo, laufen wir Gefahr, diesen Kampf zu verlieren. Denn mit so etwas verlieren wir unseren moralischen Vorsprung. Wir haben ganz einfach eine Reihe von Fehlern gemacht seit dem 11. September 2001.“ Ihm, so Graham, wäre viel wohler, wenn Terrorverdächtige, die in Afghanistan festgenommen würden, vor ordentliche Gerichte gestellt würden, wo ihnen „unter den Augen der Welt“ ein fairer Prozess gemacht werden könne.

Das war Salbe auf die transatlantische Seele.

In solchen Momenten zeigte diese 44. Sicherheitskonferenz mit aller Deutlichkeit: Amerikas Falken sind müde. Zwar mag erst Ende nächsten Jahres eine Regierung der Demokratischen Partei die Ära Bush II beenden. Doch der neokonservative Moment der Washingtoner Außenpolitik ist schon heute vorbei. Da mögen die Amerikaner noch so entschieden nach gerechter Lastenteilung im Bündnis rufen – von den Methoden der soft power Europa zeigen sie sich mittlerweile erstaunlich beeindruckt.

„Ihr Deutschen stellt 3000 Soldaten und leistet damit den drittgrößten Beitrag in Afghanistan“, sagt die amerikanische Nato-Botschafterin Victoria Nuland gegenüber der ZEIT. „Was Deutschland gerade leistet, und zwar nicht nur für die Zukunft Afghanistans, sondern auch bei der Entwicklung eines weltweiten Beitrags Deutschlands zu Frieden und Sicherheit, ist extrem wertvoll. Bei der Nato sprechen wir von ,vernetzter Sicherheit’. Es geht dabei nicht nur ums Militär, sondern auch um Regierungsfähigkeit, Entwicklung, Drogenbekämpfung – alle diese Aspekte eben, die zusammen gedacht werden müssen.“ – Plötzlich sind wir alle Nation Builder.

Ein wie großes Umdenken derartige Statements beweisen, wird deutlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass vor nicht langer Zeit die US-Regierung Nation Building im Wesentlichen mit Regime Change gleichsetzte. George Bush, Richard Cheney und Donald Rumsfeld dachte noch am Vorabend des Irakkrieges, die Iraker würden die amerikanischen Soldaten mit Blumen begrüßen und sofort selbst mit dem Aufbau einer demokratischen Gesellschaft beginnen, sobald Saddam Hussein gestürtzt sei. Als Präsidentschaftskandidat sagte Bush noch über sein Bild der US-Armee:
„Ich glaube nicht, dass unsere Soldaten für etwas eingesetzt werden sollten, was als Nation-Building bezeichnet wird. Meiner Meinung nach sollten unsere Soldaten dafür eingesetzt werden, einen Krieg zu führen und zu gewinnen.“
(zitiert nach Francis Fukuyama, Scheitert Amerika?, List 2007, S. 55)

Zwei Kriege später haben er und seine Regierung offenkundig eine Menge dazugelernt.

Aber gilt das auch für die Europäer?

Es hat etwas Geducktes, Verdruckstes und furchtbar Verlegenes, wenn Franz Josef Jung Sätze sagt wie: „Allein militärisch werden wir diesen Prozess nicht gewinnen“ Denn allein nicht-militärisch dürfte man diesen Prozess (gemeint ist die dauerhafte Befriedigung Afghanistans) noch viel weniger gewinnen.

Daran erinnerte der selbstkritische Senator Graham die Europäer. „Der Kampf ist im Süden“, sagte er mit Blick auf die regelrechten Schlachten, die sich Amerikaner, Kanadier und Briten dort täglich mit Taliban-Verbänden liefern. Neben Deutschland geraten immer wieder Spanien, Italien und Frankreich wegen weitreichender Einsatzbeschränkungen (der so genannten caveats) in die Kritik.

Den wahrscheinlich nachhaltigsten Beweis zur Verunsicherung der europäischen Nato-Partner lieferte indes der französische Verteidigungsminister Hervé Morin. In einer länglichen, erschreckend uninspirierten Rede reihte der 47jährige eine beachtliche Anzahl sicherheitspolitischer Plattitüden („Wir müssen global denken!“) und Alltagsfragen („Soll die Nato ein globales Stabilisierungsinstrument werden?“) aneinander, bekannte sowohl seine Freundschaft für die Nato („Europa muss mehr für die Lastenteilung im Bündnis tun. Europa muss erwachsen werden!“) wie auch für Europäische Verteidigungsgemeinschaft („Europäische Kräfte müssen zuerst für das das eingesetzt werden, was die EU betrifft“), bis er das Publikum plötzlich mit einem – in der Tat nicht für Afghanistan höchst treffenden – Zitat von Antoine de Saint-Exupéry aufweckte: „Die Zukunft ist immer nur die Gegenwart, die es in Ordnung zu bringen gilt.“ So weit, so literarisch.

Für die Generationenaufgabe in Afghanistan gilt vielleicht noch präziser eine Weisheit von Theodore Roosevelt: „We cannot always build a future for our youth. But we can always build our youth for the future.“

In München bleibt der versammelten Verteidigungselite für die globale Aufräumarbeit noch der Sonntag. Er beginnt mit einer Rede des amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates, die mit Spannung erwartet. Gates immerhin gehört zu jenen Republikanern, die sich mehr echte Kooperation mit Europa wünschen.
Aber vielleicht hat sein jüngster Brief an die Nato-Kollegen gezeigt, dass es für Europa nicht unbedingt ein Grund zur Freude muss, wenn Amerika in absehbarer Zeit ein bisschen europäischer, sprich: multilateraler wird?

Denn immerhin, auch ein Weltmachtführer mit Namen John McCain, Barack Obama oder Hillary Clinton wird sich um ein paar der verbleibenden Probleme des Planeten kümmern müssen. Und deren Zahl nimmt eher zu denn ab. Neben Irak und Afghanistan werden immer mehr Staaten zu Wackelkandidaten, von denen entweder Bürgerkrieg, Terror- und Atomwaffenexport oder gleich alles zusammen droht. Kosovo, Somalia, Libanon, Palästina, Syrien, Iran, Nordkorea. Um nur die Liste mit Stand vom Wochenende zu nennen.