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Wer war das?

 


Die EU verbietet die Glühbirne. Es soll Menschen geben,
denen das nicht gefällt. Bloß, wer in Brüssel ist eigentlich
dafür verantwortlich?

Reisende ins Ausland jenseits der EU werden künftig wohl mit neuen Mitbringselwünschen verabschiedet werden. „Oh, du fliegst in die Türkei? Bringst du mir eine Stange Glühbirnen mit?“
Tatsächlich hat die Europäische Union gestern die gute, alte, stromfressende Edison-Glühbirne verboten. Schon ab Herbst diesen Jahres wird die 100-Watt-Birne aus dem Verkehr gezogen, dann schrittweise bis 2012 auch all die anderen gewohnt heiß strahlenden Leuchtmittel.

Sicher, wir wissen, Glühbirnen wandeln nur fünf Prozent des Stromes in Licht um, den Rest in Wärme, und das ist ein beschämender Effizienzgrad für ein Elektroprodukt des 21. Jahrhunderts.

Aber wir wissen auch, dass Energiesparlampen einen hohen Anteil von Blaulicht enthalten, sprich: einfach eklig kalt wirken. Verschiedene Menschen mögen darauf unterschiedlich sensibel reagieren. Manche sind illuminativ abgestumpft (keine Kerze schmückte je ihr Schlafzimmer, kein Kaminfeuer rührte sie je an, und unter Neonröhren blühen sie auf). Für andere möchte man nicht die Hand ins Feuer legen, ob die Bestrahlung durch Sparleuchten nicht womöglich das Monster in ihnen weckt. Um es deutlich zu sagen: Wie sich die Abschaffung des menschlicheren Edison-Lichtes auf die Anzahl der spontanen Axt-Morde auswirken wird, weiß noch kein Mensch.

Auf der anderen Seite steht eine Einsparung des gesamtdeutschen CO2-Ausstoßes um 0,5 Prozent. Das ist nicht viel, aber zur Rettung der Welt müssen auch kleine Schritte erlaubt sein. Freilich kann man fragen, warum Brüssel sich nicht lohnender Energiesparprojekte vornimmt. Zum Beispiel fliegen die Flugzeuge am europäischen Himmel immer noch Zickzackkurse, weil sie sich an Luftverkehrwege halten müssen, die vor Urzeiten eingerichtet wurden. Gäbe es einen „European Open Sky“, sagen Verkehrsexperten, ließe sich der CO2-Ausstoß von Passagierjets um bis zu 20 Prozent senken. Allerdings würde das erhebliche internationale Koordinierungsarbeit erfordern. Außerdem wäre der Erfolg nicht so hübsch sichtbar im Ladenregal. Um im Bild zu bleiben: Die politische Energieeffizienz solcher Maßnahmen entspräche ungefähr der Edison-Quote. Also lässt man’s.

Die Verfechter der Energiesparlampe behaupten derweil, es gäbe schon Exemplare, welche genauso warm leuchten wie die herkömmliche Birne. Sie (wie die SPD-Europaabgeordnete Dagmar Roth-Behrendt) beruhigen uns auch damit, dass sie sagen, „die Industrie wird die Alternativen bis 2011 noch deutlicher verbessert haben.“

Das wollen wir mal annehmen, denn die Industrie ist ja nicht doof. Den Glühbirnenbauern ist schon das Licht aufgegangen, dass es in Zeiten steigender Strompreise einen Wettbewerbsvorteil mit sich bringt, Lampen mit sinkendem Verbrauch auf den Markt zu werfen. Sie werden schon dafür sorgen, dass wir auch die Ökokolben bald dimmen oder suggestiv wärmend leuchten lassen können.

Was uns zu der Frage führt, warum Brüssel glaubt, unser Einschraubverhalten durch Gesetze steuern zu müssen. Wenn Sparlampen tatsächlich sparen und außerdem noch angenehm lampieren, also einfach gar nichts dagegen spricht, die Teile zu kaufen, was soll dann der Zwang? Der Verdacht, dass die Verantwortlichen in Brüssel schlicht weniger vom eigentlichverantwortlichen denn vom steuerungsbedürftigen Europäer ausgehen, liegt nahe.

Bloß, wer sind „die Verantwortlichen in Brüssel“ eigentlich?

Hier wird’s interessant. Denn je tiefer man der Frage nachgeht, wer für die Zwangsökobestrahlung verantwortlich ist, desto unklarer wird das Bild.

Angefangen hat alles im Europäischen Rat, also der Versammlung der EU-Regierungen, im Jahr 2007. Unter dem Vorsitz von Angela Merkel trafen diese damals einstimmig den Beschluss, traditionelle Glühbirnen zu verbieten. Im Dezember vergangenen Planes billigten sie den Plan, die Birnen bis 2012 aus Europa zu verbannen. Also: Verantwortlich sind auf einer ersten Stufe schon einmal alle europäischen Regierungen, unter anderem auch das CSU-regierte Bundeswirtschaftsministerium.

Auf einer zweiten Ebene befassten sich mit der genauen Ausgestaltung des Verbots verschiedene Expertengremien der EU-Kommission, der Mitgliedsländer sowie des Europäischen Parlamentes (so genanntes Komitologie-Verfahren).

Auf einer dritten Ebene hätte sich das Plenum des Europäischen Parlamentes (EP) mit der Sache beschäftigen können. Dazu hätte der Umweltausschuss des EP beschließen müssen, über das Verbot noch einmal im großen Rund zu debattieren. Das lehnte dieser allerdings am Dienstag mit 44 zu 14 Stimmen ab.

Anhand des Abstimmungsverhaltens lassen sich nun immerhin grobe Parteienverantwortlichkeiten für das Glühbirnenverbot identifizieren. Die Sozialdemokraten stimmten bis auf einen Abgeordneten gegen eine Befassung durch das gesamte Parlament. Die Grünen stimmten geschlossen dagegen – und rühmten sich anschließend eines Sieges über den „schwarz-gelben Block der Fortschrittsverweigerer“. Das wiederum ist hinsichtlich der Schwarzen halb falsch und hinsichtlich der Gelben ganz falsch.

Denn von den 22 Vertretern der Konservativen im Umweltausschuss stimmten 12 für eine Befassung des EP und 10 dagegen. Von den 8 liberalen Abgeordneten stimmte lediglich einer, ein Deutscher, für eine Plenumsbefassung. Wie kann das sein?, wollen wir von der Pressestelle der Liberalen wissen. Glauben jetzt nicht mal mehr die Freidenker an die Klugheit des Markt und an die Vernunft der Bürger? Nun ja, heißt es, der deutsche Liberale im Ausschuss tue das schon, aber die Fraktionskollegen aus Großbritannien etwa neigten in Umweltfragen „eher zu einem grünen Verhalten.“

Wir halten fest: Die generelle Verantwortung für das Glühbirnenverbot trägt eine große Koalition aus allen europäischen Regierungen, Fachleuten aus der EU-Kommission sowie des Europäischen Parlaments. Die spezielle Verantwortung dafür, dass es über das Verbot keine öffentliche Plenardebatte gab, tragen vor allem die Sozialdemokraten, die Grünen und die Liberalen, plus – etwa zur Hälfte – die Konservativen. Welche Schlüsse sich daraus für die Stimmabgabe bei der Europawahl im Juni ziehen lassen, das muss nun jeder für sich beleuchten.