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Rasmussen ist der neue Nato-Chef

 

Das Bündnis trifft damit – trotz allem – eine hoffnungsvolle Entscheidung

Dass es so schnell gehen würde, war dann doch eine Überraschung: Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen wird zum 1. August neuer Nato-Generalsekretär. Das beschlossen die 28 Regierungschefs des Bündnisses zum Abschluss ihres Gipfels in Straßburg. Einstimmig, wie sie betonten. Der Widerstand der Türkei ist gebrochen. Deren Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuvor darauf bestanden, der Däne könne den Posten nicht bekommen, wegen seiner Rolle im Mohammed-Karikaturenstreit von 2006.

Ist Rasmussen nun der richtige Kandidat, um die das Prioritätsprojekt der Nato, die Stabilisierung Afghanistans, zum Erfolg zu führen? Oder ist er dafür der denkbar schlechteste Mann?

Sicher, die „Kunden“, der Nato, jene Muslime in Afghanistan, dessen Herzen und Verstand die Nato gewinnen will, werden Rasmussen noch lange in Verbindung bringen mit den aus ihrer Sicht gotteslästerlichen Karikaturen, die die Zeitung Jyllands Posten veröffentlicht hatte. Der Däne wird einen schweren Stand haben bei seinen Reisen an den Hindukusch. Er wird erklären müssen, dass er weder ein Islamfeind noch ein Fürsprecher religiöser Gefühlverletzungen ist. Sondern dass er sich schlicht weigerte, ein wichtiges Gut anzutasten: die Pressefreiheit.

Man mag dem Rasmussen mit Recht vorwerfen, dass er in der Karikaturenkrise einen Fehler gemacht hat, weil er 22 Botschaftern muslimischer Staaten den Dialog verweigerte. Aber darum ging es Erdogan bei seiner neuerlichen Kritik ja gar nicht. Der türkische Regierungschef sprach Rasmussen vielmehr deswegen die Eignung als Nato-Generalsekreträr ab, weil dieser sich bis heute nicht für die Veröffentlichungen in der dänischen Zeitung „entschuldigt“ hat.

Derlei zu fordern, ist für ein Mitglied eines Bündnis, das sich der Ausbreitung freiheitlicher Werte verschrieben hat, völlig unakzeptabel. Hätte die Nato dem Druck Erdogans nachgegeben, sie hätte ihr Gesicht verloren.

Aber: Hätte die westliche Allianz bei ihrer Personalentscheidung nicht trotzdem auf die Ressentiments der arabischen Welt Rücksicht nehmen müssen? Auch wenn diese Ressentiments unbegründet, ja irritational sind? Wäre es nicht im Interesse einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit dem Islam, also im Interesse ihres eigenen Erfolgs, wenn die Nato einen anderen Kandidaten gefunden hätte?

Der Ansicht könnte man sein. Doch: wo soll dann die Bereitschaft zur Berücksichtigung muslimischer Vorbehalte enden?

Wahrscheinlich würde die „arabische Strasse“ und die dortigen Autokraten auch vor Entsetzen kochen, wenn die Nato eine Frau als Chefin ausgerufen hätte.

Was wäre gar mit einem Homosexuellen?

Wer nicht will, dass islamische Tabu-Ideen, die westlichen Freiheit-Vorstellungen widersprechen, Einfluss auf westliche Richtungsentscheidungen haben, der, nein, muss sich über den Triumph von Rasmussen nicht freuen.

Aber der sollte schon die Gelegenheit sehen, die dieser Wahl innewohnt. Sie besteht darin, dass der geschmähte Däne Rasmussen seinen Gegnern in der islamischen Welt beweisen kann, dass sie einer weiteren Hass-Projektion gegenüber dem Westen aufsaßen. Genau das hat er kurz nach seiner Wahl als eines seiner Ziele benannt. Wenn ihm das gelingt, dann wachsen die beiden Welten tatsächlich enger zusammen.