Der Paukenschlag wird lange nachhallen. Das Europäische Parlament hat mit deutlicher Mehrheit (378 Nein-, 196 Ja-Stimmen, 31 Enthaltungen) das SWIFT-Abkommen mit den USA verworfen.
Auf den ersten Blick erscheint das Votum wie ein Sieg der Bürgerrechte über die Datensammelwut der US-Terrorfahnder. Und um keinen Zweifel an der Sachfrage aufkommen zu lassen: Das bestehende Abkommen ist schlecht und muss ersetzt werden.
Aber was ist seit heute wirklich gewonnen?
SWIFT, die belgische Überweisung-Management-Firma, hat (AKTUALISIERUNG) seit dem 1. Februar keine Daten an die USA geliefert. Hätte das Europaparlament dem Interimsabkommen zugestimmt, hätte der Fluß wieder eingesetzt. Die Position der konservativen EVP-Fraktion hatte gelautet, das Abkommen durch Zusätze binnen vier Wochen mit europäischen Datenschutzstandards auszustatten. Die Gefahr von massenhaftem, unkontrolliertem Datenklau (er findet laut Versicherung von SWIFT schon jetzt nicht statt) wäre äußerst gering gewesen. Jedenfalls hätte er nicht offenkundig außer Verhältnis zum erklärten Ziel gestanden, Terrorangriffe zu verhindern.
Bis zum Oktober sollte ein Langfrist-Abkommen den Interimsvertrag ersetzen, den die EU-Abgeordneten jetzt abgewiesen haben. Neuverhandlungen unter voller Beteiligung des Parlaments standen also ohnehin an.
Der einschneidendste Effekt, für den das Votum des EU-Parlaments jetzt sorgt, dürfte sein, dass es sich die Vereinigten Staaten dreimal überlegen werden, ob sie über künftige Abkommen mit einem Parlament verhandeln wollen, das es offenbar als seine Hauptaufgabe ansieht, effekthascherisch seine neugewonnenen Muskeln spielen zu lassen.
Einlassungen wie die der SPD-Abgeordneten Birgit Sippel stehen exemplarisch für die Mischung aus Gefallsucht und moralischer Selbstüberhöhung, die die Straßburger Versammlung in der Post-Lissabon-Phase an den Tag legt. „Das Europäische Parlament zeigt Zähne“, sagt die Innenexpertin. Und: „Ein Kniefall (…) vor den USA wäre ein Zeichen der Schwäche gewesen.“
Stärke hat das Parlament mit seiner Entscheidung in der Tat bewiesen. Sippel und ihre Kollegen müssen jetzt bloß noch merken, dass Außenpolitik kein Hau-den-Lukas-Wettbewerb ist. Der Sache der europäischen Bürgerrechte wäre langfristig besser gedient, wenn das Europäische Parlament beweisen würde, dass es seine Macht ebenso verantwortungsvoll einzusetzen versteht wie europäische Nationalstaaten. Ansonsten nämlich gibt es für fremde Mächte wenig Grund, sich mit dem neuen Lissabon-Europa einzulassen.