Einen kleinen Spuk veranstaltete heute morgen vor dem Gebäude der EU-Kommission eine versprengte Gruppe von Anhängern der paneuropäischen Organisation Libertas. Ihr Protest richtet sich gegen den Lissabon-Vertrag im allgemeinen und – heute – gegen das Vorhaben der Kommission, 1,8 Millionen Euro für eine neue „Informationskampagne“ über den Lissabon-Vertrag in Irland auszugeben.
Wir erinnern uns: Die Iren hatten das Reformwerk im vergangenen Juni mit knapper Mehrheit abgelehnt. Voraussichtlich im September sollen sie nun ein zweites Mal an die Wahlurne gebeten werden.
Libertas wirft der Kommission vor, dass nicht nur dieses Vorgehen, sondern auch die geplante Bereitstellung von Steuergeldern für eine Pro-Lissabon-Kampagne „anti-demokratisch und unakzeptabel“ sei.
In der Tat stellt sich die Frage, ob sich die Kommission nicht den Vorwurf der Propaganda gefallen lassen muss.
Oder handelt es sich schlicht um Information und Aufklärung, wenn mit EU-Geldern in Irland Broschüren und Plakate für den Lissabon-Vertrag gedruckt werden?
Bedienen wir uns zur Begriffsklärung der Definition von Propaganda aus Wikipedia: „Propaganda bezeichnet einen absichtlichen und systematischen Versuch, Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und Verhalten zu steuern, zum Zwecke der Erzeugung einer vom Propagandisten erwünschten Reaktion.“
Dass die Kommission absichtlich und systematisch vorgeht, darf man annehmen. Dass sie einen Zweck verfolgt ebenfalls, namentlich die Iren zu einem Ja zum Lissabon-Vertrag zu bewegen.
Sicher ist zudem, dass sie eine Sichtweise formen will, nämlich die, dass der Lissabon-Vertrag eine gute Sache sei.
Manipuliert sie zu diesem Zweck aber auch Erkenntnisse? Werfen wir dazu einen Blick auf die Webseite „Der Lissabon-Vertrag“ der Kommission. Dort verbreitet die Kommission sicher keine Unwahrheiten. Aber Manipulation ist auch möglich durch das gezielte Weglassen von Informationen. So findet sich auf der Homepage kein einziger kritischer Satz über den Vertrag. Vielmehr folgen die Inhalte dem eingangs formulierten Mantra: „Nur so kann die EU effizient und wirkungsvoll die Herausforderungen von heute angehen.“ Daran kann man ebenso zweifeln wie an der Behauptung, der Lissabon-Vertrag mache die EU demokratischer.
Legt man den Begriff der Manipulation also weit aus, im Sinne des gezielten Unterschlagens wesentlicher Kritik, trifft dies auf die Öffentlichkeitsarbeit der Kommission zu.
Aber: Darf sie das nicht? Politik, könnte man entgegnen, wirbt doch regelmäßig für ihre Ideen. Wenn das Bundesgesundheitsministerium beispielsweise über den Gesundheitsfonds Auskunft gibt, soll das etwa Propaganda sein? Oder wenn der Bundestag an Reichtagsbesucher Broschüren herausgibt, die das Regierungssystem Deutschlands erklären – Propaganda?
Sicher nicht. Aber beide Fälle unterscheiden sich von den Aktionen der EU. Wenn ein Ministerium über komplexe Gesetzesinhalte informiert, dann hat dieses Gesetz bereits die Feuertaufe der kritischen öffentliche Debatte bestanden. Das hat der Lissabon-Vertrag nicht. Er wurde noch nicht überall ratifiziert und sogar schon einmal abgelehnt. Und wenn die Bundesregierung über das deutsche Regierungssystem informiert, ist das auch etwas anderes. Denn dann informiert sie über Institutionen, die seit langem Bestand haben und an deren Legitimität und Akzeptanz durch jahrzehntelange Staatspraxis keine Zweifel bestehen. Im Falle des Lissabon-Vertrag aber geht es darum, Institutionen und Kompetenzen erst zu schaffen. Das eine ist ein faktischer Zustand, das andere ist ein Prozess.
Und über eben diesen Prozess – eine immer tiefere europäische Integration – kann man unterschiedlicher Meinung sein. Wenn die EU Steuergelder dafür ausgibt, eine bestimmte Position in diesem Meinungsstreit zu stärken, und das tut sie, hat das mit neutraler Information nichts zu tun.
Fazit: Ja, die Kommission muss sich den Vorwurf der Propaganda gefallen lassen – vorausgesetzt, wir legen den Begriff der Manipulation weit aus.