Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Deutsche Autobauer setzen in China auf zu viel Protz

 

Kompakt, umweltschonend, sparsam – trotz des dichten Verkehrs und der völlig verpesteten Luft in den meisten chinesischen Großstädten spielten diese Eigenschaften für viele Autokäufer in der Volksrepublik lange Zeit kaum eine Rolle. Stattdessen galt die Devise: Je größer, luxuriöser und PS-stärker, desto besser. Die deutschen Premiumhersteller Audi, BMW und Daimler bieten daher seit Jahren Langversionen ihrer ohnehin geräumigen Limousinen speziell für den chinesischen Markt an. Und auch auf der Internationalen Autoausstellung (IAA) in Frankfurt setzen die deutschen Autobauer mit Blick auf den chinesischen Markt weiter auf Pomp und Protz. Ein Fehler. 

Daimler etwa bietet seine S-Klasse nun in einer Cabrio-Version an. Die zum Volkswagen-Konzern gehörende Edelmarke Bentley präsentiert mit dem Bentayga erstmals einen eigenen Luxus-Geländewagen. Und BMW stellt in Frankfurt die neue Generation des 7er vor, eine mit viel Hightech aufgerüstete Nobellimousine.

Doch ist derlei Luxus künftig auf dem chinesischen Markt überhaupt noch gefragt? Vor allem der Verkauf im Mittel- und Oberklassesegment schwächelt – und das trifft allen voran die deutschen Hersteller. Beim Marktführer Volkswagen mit seiner Tochterfirma FAW-Volkswagen ging im August der Absatz um 13 Prozent zurück. Entsprechend musste FAW-VW seine Produktion bereits drosseln, BMW ebenso. Und auch Audi schließt einen ähnlichen Schritt für die kommenden Wochen nicht mehr aus.

Nur Daimler konnte seinen Verkauf im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 50 Prozent steigern – allerdings ausgehend von einem sehr viel niedrigeren Niveau als die Konkurrenz. Dem Stuttgarter Autokonzern ist es erst spät gelungen, in China Fuß zu fassen. Nun profitiert Daimler von einem Nachholeffekt.

Gründe für den deutlichen Wachstumsrückgang für VW, Audi und BMW finden sich eine Reihe. Chinas Autobranche insgesamt geht es – nach Jahren zweistelliger Wachstumsraten – jetzt schlecht. Im Juli wurden sieben Prozent weniger Autos verkauft, berichtete der chinesische Autohändlerverband CAAM. Für August erwartet er ein Minus von drei Prozent; auch für das Gesamtjahr 2015 befürchtet CAAM einen Absatzrückgang. Die chinesische Wirtschaft wächst derzeit so langsam wie seit über 20 Jahren nicht. Die heftigen Turbulenzen der vergangenen Wochen an den chinesischen Aktienmärkten dürfte zudem viel Kapital vernichtet haben, das Anleger ansonsten womöglich für den Kauf eines neuen Autos ausgegeben hätten.

Sehr viel schwerwiegender dürften sich gerade für die deutschen Premiumhersteller aber die zahlreichen staatlichen Regulierungen auswirken. Angesichts des Verkehrskollaps in vielen chinesischen Städten haben Lokalregierungen die Zahl von Neuzulassungen reduziert. Auch die seit zweieinhalb Jahren laufende Korruptionsbekämpfung der chinesischen Führung hinterlässt Spuren. Um jeglichen Verdacht zu vermeiden, verzichten viele hohe Staatsbeamte und Parteisekretäre inzwischen auf große Luxuswagen, etwa auf Audis und BMWs, die in diesen Kreisen viele Jahre lang beliebt waren. Vor allem die Volkswagen-Tochter Audi hatte fast zwei Jahrzehnte auf diese Klientel gesetzt. Doch seitdem Bescheidenheit offizielle Staatsdoktrin ist, geht der Absatz drastisch zurück.

VW-Chef Martin Winterkorn hat auf die veränderten politischen Rahmenbedingungen reagiert. Er kündigte vergangene Woche die Entwicklung einer neuen Billigmarke an, die sich speziell an chinesische Autokäufer richten soll. Diese Autos sollen unter einem neuen Markennamen erscheinen. Mit diesem Schritt scheint zumindest Volkswagen den Geist der Zeit erkannt zu haben.