Lesezeichen
 

Radfahrer, die ewigen Regelbrecher?

Zum Abbiegen sollen sich Radfahrer in der Fahrbahnmitte platzieren. © ADFC/Jens Schütte
Zum Abbiegen sollen sich Radfahrer in der Fahrbahnmitte platzieren. © ADFC/Jens Schütte

Radfahrer werden von Politikern und anderen Verkehrsteilnehmern gerne als notorische Regelbrecher dargestellt. Dabei nutzen die meisten Radfahrer auch das Auto oder öffentliche Verkehrsmittel oder sie sind als Fußgänger unterwegs. Aber was macht Radfahrer zu vermeintlichen Störenfrieden auf der Straße, und welchen Anteil haben die übrigen Verkehrsteilnehmer?

Immer wieder sorgt die Frage für Streit, wer das Vorrecht auf der Straße hat, wenn parallel ein Radweg dazu verläuft. Was meinen Sie?

Autofahrer sehen Radler natürlich auf dem Radweg. Allerdings glauben viele Radfahrer, dass sie qua Gesetz auf der Fahrbahn fahren dürfen. Sind das alles Rowdies? Keineswegs. Seit 1997 sollen Radfahrer tatsächlich auf der Straße fahren – doch die Gesetzesänderung hat sich nicht herumgesprochen.

Daneben gibt es eine ganze Reihe solcher Regeln und Empfehlungen. Aber sie werden nicht eingehalten, weil sie kaum jemand kennt. Oder hätten Sie gewusst, dass Radfahrer in der Fahrbahnmitte unterwegs sein sollen, wenn rechts Autos parken? Der Grund ist einfach: Nur so reicht der Abstand aus, wenn sich eine Fahrzeugtür überraschend öffnet. Das Oberlandesgericht Hamm hat ebenfalls vor Jahren in einem Urteil festgelegt, dass Autofahrer beim Überholen mindestens 1,5 Meter Seitenabstand zum Radfahrer einhalten müssen. Werden auf den Rädern Kinder transportiert, beträgt der Abstand sogar zwei Meter.

Neue Verkehrsregeln lernen die meisten nicht mehr

Das Problem ist, dass viele die neuen Verkehrsregeln gar nicht lernen. In der Grundschule absolvieren Kinder ihre Fahrradprüfung, dann passiert lange Zeit nichts. Zehn Jahre später lernen die meisten jungen Erwachsenen für ihre Führerscheinprüfung und anschließend passiert gar nichts mehr. Dabei gibt es immer wieder neue Verkehrsregeln.

Von 1966 bis 2005 gab es noch die Fernsehsendung der 7.Sinn, eine Art Verkehrserziehung vor allem für Autofahrer und erwachsene Verkehrsteilnehmer. Sie behandelte neben Alltagssituationen auch psychologische Themen wie etwa Aggression im Straßenverkehr. Eine Neuauflage haben die Rundfunkanstalten nicht eingeplant, obwohl Politiker und Verkehrsexperten vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Deutscher Verkehrssicherheitsrat (DVR) dazu raten.

Aber es sind nicht nur die normalen Verkehrsteilnehmer, die Lücken bei den neuesten Regeln haben. Selbst Verkehrsplaner haben anscheinend Nachholbedarf, sagt VCD-Projektleiter Wasilis von Rauch. Die Infrastruktur mache es Radfahrern oft schwer, die Regeln einzuhalten. Bei der Planung von Kreuzungen werden sie häufig nicht bedacht, so fehlen beispielsweise immer wieder angemessene Abbiegemöglichkeiten oder Umleitungen an Baustellen. Eine Autospur, die abrupt an einer Baustelle endet, ist in Deutschland undenkbar. Für Radfahrer gehören solche Situationen zum Alltag. Aber was dann tun?

Ohne Umleitung kann der Radfahrer zwischen verschiedenen Regelbrüchen wählen: Entweder er fährt auf dem Bürgersteig oder in Gegenrichtung auf dem Radweg der anderen Seite oder auf der Straße, wo Autofahrer ihn nicht haben wollen. Natürlich, er kann auch Minuten lang schieben – was aber längst nicht jeder macht.

„Was kann man Fahrradfahrern an Umweg zumuten, ohne dass sie sich als Radfahrer diskriminiert fühlen?“, fragt von Rauch. Soll das Fahrrad als gleichberechtigtes Verkehrsmittel dem Auto auf der Straße gleichgestellt werden, müsste hier dringend eine Antwort gefunden werden.

Straßenbauliche Fehlplanungen zwingen Radler zu Verkehrsdelikten

Ohne Frage gibt es Radfahrer, die bei Rot die Straße überqueren. Und einige wird man auch mit den radfahrerfreundlichsten Regeln nicht davon abhalten können, sich nicht an die Straßenordnung zu halten. Aber viele Verkehrsregeln berücksichtigen Radfahrer nicht ausreichend. Es wäre Zeit, dass die Bundesregierung hier nachbessert. Für den VCD ist das die Basis für ein besseres Miteinander im Verkehr – und mehr Verkehrssicherheit. Die Kür ist es dann, innovative Wege auszuprobieren. Als Beispiel nennt von Rauch ein interessantes Projekt aus Frankreich: Dort ist es Radfahrern seit 2012 an bestimmten Kreuzungen erlaubt, an einer roten Ampel rechts abzubiegen oder, sofern keine Rechtsabbiegerspur existiert, geradeaus zu fahren. Die Radfahrer müssen dabei nur die Vorfahrt der anderen Verkehrsteilnehmer beachten. Die Idee war, dass durch die Regelung der Radverkehr flüssiger und zügiger rollt und die Staus an Kreuzungen zurückgehen. Vor der landesweiten Einführung wurde die neue Regelung zwei Jahre lang in den Städten Bordeaux, Nantes und Straßburg getestet.

Den Aufschrei, den eine solche Regelung hierzulande auslösen kann, kann ich mir gut vorstellen. Das Verständnis für Radfahrerbelange muss erst entstehen. Zu lange waren Velos Randerscheinungen im Verkehr. Ihre Rolle als gleichberechtigtes Verkehrsmittel müssen sie sich erst noch erstreiten.

Update: Einige Leser haben mich auf eine Doppelung hingewiesen sowie auf ein fehlendes Wort, beides wurde korrigiert, vielen Dank!

 

Radfahren in Osnabrück: Wo geht es lang?

Parken am Osnabrücker-Bahnhof. Der eigentliche Fahrradstellplatz hinter den Autos ist bereits voll belegt. © Reidl
Parken am Osnabrücker Bahnhof. Der offizielle Fahrradstellplatz hinter den Autos ist bereits belegt. © Reidl

Radinfrastruktur muss selbsterklärend sein. In Osnabrück ist das nur teilweise der Fall. Dabei ist die Stadt in Niedersachsen durchaus ein positives Beispiel. Die Verkehrsplaner bauen viel für Radfahrer. Aber dort ist es wie in den meisten deutschen Städten: Die Radinfrastruktur steckt noch in den Anfängen. Als ernstzunehmendes Verkehrsmittel kommt das Fahrrad auch in Osnabrück noch nicht zum Zuge. Weiter„Radfahren in Osnabrück: Wo geht es lang?“

 

Barcelona unter Strom

Auf der Busspur sind Radfahrer unerwünscht © Reidl
Auf der Busspur sind Radfahrer unerwünscht © Reidl

Smartphone-Apps sollen Radfahrern Aufgaben abnehmen. Unser E-Bike-Verleiher in Barcelona bietet Touristen Smartphones mit einer umfangreichen Kultur-App an. Die wollen wir ausprobieren. Wir finden die Idee verlockend: Das Smartphone soll uns nicht nur den Weg anzeigen, sondern uns per akustischem Signal Sehenswürdigkeiten ankündigen und uns dann vor Ort alles Wissenswerte erklären. Das ständige Auf- und Zufalten der Karte sollte wegfallen. Nach kurzer Zeit sind wir froh, doch eine Faltkarte mit allen Fahrradstrecken dabei zu haben. Und wir lernen: Katalanische Busfahrer reagieren temperamentvoll, wenn man auf ihrer Spur unterwegs ist.

Weiter„Barcelona unter Strom“