Was für eine Aufregung! 3.600 Euro für ein Fahrrad, das empfanden viele Leser des Velophil-Blogs geradezu unanständig teuer und kommentierten unter dem Artikel „Nur mal eben mit dem Speedster ins Büro“ entsprechend: Es wurde aufgelistet und nachgerechnet, dass dieser Preis nie und nimmer zu rechtfertigen sei.
Aber was steckt eigentlich hinter dem Preis – ausschließlich die Summe seiner Teile? Und wie ist es beim Auto? Es wird Zeit, genauer hinzuschauen. Weiter„Mehr als die Summe seiner Teile“
„Wir wollen nicht schieben, wir wollen fahren“, sagt der Mann auf dem Trekkingrad, grinst und steigt ab. Aber an fahren ist gerade nicht zu denken. Hunderte von Radfahrern bewegen sich in einem scheinbar nicht endenden Tross auf den Peak der Köhlbrandbrücke zu. Die Stimmung ist gut an diesem Sonntagmittag, obwohl alle immer wieder absteigen müssen, die Alten auf ihren E-Bikes wie die Jungen auf ihren Reiserädern und Choppern, und selbst die, die Singlespeed fahren. Jeder genießt die Freiheit, hier zu sein. Denn normalerweise ist die 53 Meter hohe Brücke, die sich eindrucksvoll über den Hamburger Hafen spannt, für Fußgänger und Radfahrer gesperrt.
An diesem Sonntag ist es mal anders: Anstelle der 30.000 Pkws und Lastwagen, die hier täglich entlang rollen, sind heute nur Radfahrer unterwegs. Mehr als 20.000 ambitionierte Kinder und Erwachsene haben sich vormittags an etwa 60 Standorten rund um Hamburg getroffen, um gemeinsam ins Zentrum zu radeln. Auch meine Familie wollte dabei sein und hat es beinahe nicht geschafft.
Unsere Idee war, mit der Bahn von Buxtehude nach Hamburg-Harburg zu fahren und dort zu starten. Die angegebenen 25 Kilometer bis zur Abschlusskundgebung am Museum der Arbeit schaffen die Kinder locker, dachten wir. Aber als wir am Bahnhof ankamen, fuhr der Zug nicht: Bauarbeiten. Nun gab es nur noch eine Möglichkeit: Die ganze Familie muss in die Pedale treten, um die 17 Kilometer nach Finkenwerder in 50 Minuten zu schaffen.
Blauer Himmel, wenig Wind und dicke weiße Wattewolken: Besseres Wetter kann man sich für eine Ausfahrt durchs Alte Land nicht wünschen. Und so kamen uns auf unserem Spurt gen Sternfahrt jede Menge Radausflügler entgegen. Einige Male habe ich innerlich gezuckt – vielleicht lieber doch umkehren? Die Vorstellung, gemächlich auf menschenleeren Straßen durch die Obstwiesen zu gondeln oder durch schattige Wälder über die Geest, war allemal besser, als die Kinder morgens um 11 Uhr zu Höchstleistungen anzutreiben, um pünktlich den Treffpunkt zu erreichen.
Aber eine Sternfahrt ist nun mal kein Sonntagsausflug. Es ist eine Demonstration: für mehr, bessere und vor allem angemessene Radwege. Hamburgs Radwegenetz ist absurd schlecht und in vielen umliegenden kleinen Städten ist es ebenso. Aus diesem Grund schoben sich in verschiedenen Konvois Tausende von Teilnehmern aus allen Himmelsrichtungen gen Zentrum.
Die Zahl der Radfahrer bei der Hamburger Sternfahrt wächst stetig. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich ihre Zahl verdoppelt. Berlin ist weiterhin Spitzenreiter. Im vergangenen Jahr sind dort mehr als 200.000 Radfahrer auf die Straße gegangen. Allerdings ist ihre Zahl auch immer stark wetterabhängig. Gerade für Eltern, die ihre Kinder dabei haben, ist die Demo-Fahrt durchaus anstrengend und bei gutem Wetter auf jeden Fall besser machbar als bei Kälte oder Regen. Dann nagt das Stop and Go schnell an der Substanz der Kleinen.
Für das Fahren auf dem oftmals recht begrenzten Raum in dem Gedränge müssen sich die Kinder sehr konzentrieren. Sie müssen permanent auf die anderen Radfahrer achten, was nicht immer einfach ist. Viele Radfahrer, die eine kurze Pause am Fahrbahnrand gemacht haben, fuhren auch an diesem Tag ohne Schulterblick los und nötigten ihre Mitfahrer zum Ausweichen. Andere versierte Fahrer schlängelten sich durch Lücken und erschreckten den ein oder anderen Überholten.
Nach vier Stunden auf der Straße war bei unseren Kindern der Punkt erreicht, auszusteigen. Nachdem sie auf dem kurzen Autobahnstück der gesperrten A255 noch gut dahinrollten, war die Luft beim erneuten Stop and Go in Hamburg-Hammerbrook endgültig raus. Mit uns bogen weitere Familien Richtung Bahnhof ab.
Laut Hamburger Abendblatt forderte Rainer Kulla vom Sternfahrt-Veranstalter mobil ohne Auto bei der Abschlusskundgebung mehr Radstreifen an den Straßen, reparierte Radwege und mehr Raum für Radwege.
Wie so oft in solchen Momenten waren sich alle einig: „Die verkehrspolitischen Sprecher aller fünf Bürgerschaftsparteienschlossen sich den Forderungen weitgehend an“, meldete das Abendblatt. „Gemeinsam forderten sie einen Ausbau der Velorouten und eine Ausweitung des Verleihsystems StadtRad.“ Was der Senat schlussendlich umsetzt und was nur politische Lippenbekenntnisse bleiben, wird sich zeigen.
An dieser Stelle finden Sie externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können sich externe Inhalte mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Gestern habe ich seit Langem mal wieder jemanden beim Flicken eines Schlauchs auf der Straße gesehen. Ein Rentnerpaar hatte auf seiner Tour Pech, und nun besserte der Mann den Schlauch im Vorderreifen aus. Dass jemand sich während der Tour diese Mühe macht, ist mittlerweile fast eine Seltenheit. Ich kenne niemanden, der freiwillig seine Zeit damit verplempert. Alle haben einen Ersatzschlauch dabei, um möglichst zügig weiterzufahren. Weiter„Schlauchwechsel ersetzt das Flicken“