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Falschparken: Ein Schnäppchen in Deutschland

Immer wieder schauen deutsche Radfahrer neiderfüllt nach Dänemark und in die Niederlande. Dort rollen Politiker und Verkehrsplaner ihren Radfahrern nicht nur auf der Straße den roten Teppich aus. Sie sorgen auch dafür, dass die Wege frei bleiben. Wie der EU-Knöllchen-Report der Agentur für clevere Städte zeigt, greifen die Regierungen dort zu drastischen Mitteln. Weiter„Falschparken: Ein Schnäppchen in Deutschland“

 

Das Lastenrad als Lückenfüller

© Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
© Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Vor zwei Jahren waren die iBullits mit der Aufschrift „Ich ersetze ein Auto“ noch Exoten im Straßenverkehr. Damals starteten die Wissenschaftler des Instituts für Verkehrsforschung  das gleichnamige Projekt in acht Städten mit verschiedenen Kurier- und Expressdiensten im Rahmen der BMU-Klimaschutzinitiative. Gestern hat der Projektleiter Johannes Gruber die Ergebnisse des Feldversuchs in Berlin vorgestellt.

Nörgler gibt es eigentlich immer. Bei dem Projekt Ich ersetze ein Auto blieben die Unkenrufe von Anbeginn aber aus. Wohlwollend, neugierig und vor allem sehr umfangreich berichteten vor zwei Jahren alle erdenklichen Medien über das Projekt. Es scheint so, als hätten die Städter nur darauf gewartet, dass jemand auch schwere und voluminöse Lieferungen vom Auto aufs Fahrrad packt und damit zum Kunden bringt.

Dass es funktioniert, zeigen die Zahlen. Seit Juli 2012 waren 40 iBullits in acht Städten zu Testzwecken unterwegs. Laut Gruber haben sie pro Monat etwa 8.000 Aufträge erledigt, die meisten in einem Radius von etwa vier Kilometern in der Innenstadt. Dabei kamen etwa eine halbe Million Kilometer zusammen.

Rund 100 Kilo fasst ein iBullit. Doch nicht jeder Auftrag war ein sperriger schwerer Lastentransport. Es waren auch viele kleine Sendungen dabei. „Etwa die Hälfte der Sendungen hätte ein Fahrer mit einem herkömmlichen Rad nicht zustellen können“, sagte Gruber.

Im Grunde genommen füllen die iBullits eine Lücke. Sie übernehmen die Fahrten, die für die klassischen Radkuriere zu voluminös oder zu schwer sind, für den Auto-Kurier aber zu klein, zu umständlich und zu teuer. In diese Kategorie fällt beispielsweise der Blumenstrauß, der von der Friedrichstraße ins etwa anderthalb Kilometer entfernte Hotel Adlon gebracht werden muss sowie der Transport von Ordnern oder Kartons mit Flyern von der Druckerei zum Kunden.

Hier entfalten die elektrischen Transporter ihre Stärke. „Die Fahrzeuge erhöhen die Flexibilität der Fahrradkuriere, weil sie mehr mitnehmen und Aufträge kombinieren können“, sagt Gruber. Somit erzielen sie bei gleicher Fahrzeit mehr Gewinn und genießen weiterhin die Vorteile der Radfahrer in der Stadt. In der 21 monatigen Testphase sind allein in Berlin die Lastenradaufträge um 43 Prozent gestiegen.

Die Kurierdienste wollen nicht mehr auf die Schwertransporter mit eingebautem Rückenwind im Fuhrpark verzichten. Im Gegenteil. Messenger will weitere Lastenräder anschaffen.

Allerdings stellen die Wissenschaftler auch fest: Die Fahrer sind in erster Linie die traditionellen Fahrradkuriere, die auf die Elektro-Lastenräder umsteigen. Viele von ihnen sind inzwischen Mitte 40. Für sie ist laut Gruber entscheidend, dass die Arbeit mit Motorunterstützung leichter und lukrativer wird. Die wenigen Autokuriere, die umgestiegen sind, wollten gerne wechseln und waren mit dieser Entscheidung dann auch zufrieden.

Das ist in diesem Projekt wahrscheinlich auch ein wesentlicher Aspekt, der zum Erfolg beiträgt. Wer sich für diesen Job entscheidet, fährt gerne Rad. Er transportiert nicht nur Waren sondern auch ein positives Image, weil er etwas macht, was ihm gefällt.

Ein Baustein zum CO2 freien Wirtschaftsverkehr

Das Projekt Ich ersetze ein Auto wurde im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative vom Bundesumweltministerium gefördert. Die Europäische Kommission strebt bis zum Jahr 2030 eine CO2 freie Stadtlogistik an. Der Druck auf die Städte wird also immer größer. Die iBullits sind eine Alternative auf dem Weg zu einem besseren Stadtklima.

Dabei sollte man aber realistisch betrachten, was die Lastenräder leisten können. In der aktuellen Studie haben die Wissenschaftler ermittelt, dass die iBullits acht Prozent aller Sendungen beziehungsweise vier Prozent der gesamten Fahrleistung ausmachen. „Das ist nicht riesig, aber ein guter Anfang“, findet Gruber. Er sieht noch weitere Möglichkeiten den Einsatzbereich auszuweiten.

Denn viele Mitarbeiter, die Kurieraufträge in Schnittstellen wie Call-Centern verteilen oder auch Disponenten denken bisher nicht daran, ein Lastenrad auf die Straße zu schicken. Ebenso fordern noch wenige Kunden Lastenräder an. Das änderst sich zwar langsam –  aber hier ist noch viel Entwicklungsspielraum.

Welches Potenzial das Fahrrad für den Wirtschaftsverkehr noch birgt, untersucht Johannes Gruber für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bereits in dieser weiteren Studie.

 

Große Räder auf kleinen Reifen

Tern P7i mit Gepäck © Reidl
Tern P7i mit Gepäck © Reidl

Neulich war ich in drei Tagen in fünf verschiedenen Städten unterwegs. Statt wie üblich vor Ort Bus, U- und S-Bahn zu benutzen, hatte ich ein Faltrad dabei – zum ersten Mal auf Geschäftsreise. Seitdem bin ich begeistert von den Rädern im Kofferformat.

Wer mit wenig Gepäck auskommt, hat damit viel mehr Möglichkeiten. Morgens um sechs bleiben mir normalerweise zwei Optionen, um zum Bahnhof zu kommen: Entweder ziehe ich meinen Koffer 20 Minuten durch die Stadt oder ich gönne mir ein Taxi. Dieses Mal hatte ich eine bessere Alternative: Rucksack schultern, rauf aufs Faltrad und los.

Wer heute noch von Klapprad spricht und damit die modernen 20 Zöller für Erwachsene meint, hat eine Entwicklung verschlafen. Die Dahons, Bromptons, Birdys, Bernds oder Terns sind großartige Räder mit kleinen Reifen, die für einen spezifischen Einsatzzweck ausgestattet sind. Durchaus auch für die Radreise oder fürs schnelle sportliche Fahren, in der Regel aber für das Pendeln in der Stadt.

Ihr großer Vorteil: Gefaltet sind sie auch ohne Tasche als Gepäckstück unterwegs und dürfen in Bahn und ÖPNV mitfahren – und zwar kostenlos. Ein Glück für mich. Denn morgens um sechs Uhr sind in der Hamburger S-Bahn Fahrräder verboten beziehungsweise kosten im Regionalzug extra. Etwa 20 Sekunden brauche ich, um das Rad auf Handgepäckmaß zu bringen. Ein Griff am Sattel und ab in die Bahn.

Mein Testrad von Tern, ein Link P7i, muss man in diesen Momenten tragen. Modelle anderer Hersteller haben Rollen, sie kann man hinter sich her ziehen, was deutlich komfortabler ist. Denn die 14 Kilo, die das Tern wiegt, finde ich recht schnell schwer. Deshalb lohnt es sich durchaus, auf Bahnhöfen, sofern man weitere Strecken zum nächsten Gleis zurück legen muss, das Rad aufzufalten und zu schieben.

Geteilter Rahmen © Reidl
Geteilte Rahmen © Reidl

Das Falten sollte man zwei, drei Mal ausprobieren. Die Abfolge ist simpel, wie bei jedem Faltrad. Beim Tern stellt man erst den Lenker auf, dann faltet man das Oberrohr auf, verschließt es und zieht die Sattelstütze auf die gewünschte Höhe. Dann noch die Pedale ausklappen – fertig.

In Münster fahre ich auf meiner Reise nur mit einer Umhängetasche zu meinen Terminen. Der Rucksack steckt im Schließfach. Für die spätere Tour durch Stadt reicht die 7 Gang Nexus Schaltung völlig aus. In Stuttgart möchte ich damit zwar nicht ständig unterwegs sein, aber selbst kleinere Steigungen sind damit gut zu meistern.

Sehr praktisch ist der Kettenschutz des Terns, eine mit der Kette mitlaufende Hülle. Der Schutz vor Schmiere ist für Falträder eigentlich ein Muss. Mit Kettenschaltung allerdings schwierig umzusetzen.

© Reidl
Kettenschutz © Reidl

In den kommenden Tagen empfinde ich es auf der Geschäftsreise stets als kleines Geschenk, aufs Rad steigen zu dürfen und nicht auf den überfüllten Bus oder die Bahn warten zu müssen. Allerdings zeigt sich mit jedem Tag, dass ich mein Gepäck noch optimieren muss. Je mehr Infomaterial in meine Taschen wandert, umso schwieriger wird es, alles auf dem Rad unterzubringen. Aber diese Logistikprobleme haben Pendler in der Regel nicht.

Und sie machen laut Tern-Sprecher Marco Arnold immer noch den Großteil der Kunden aus. Das ist nicht überraschend. In sechs deutschen Großstädten werben die Verkehrsbetriebe mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und Hartje, dem Generalimporteur von Tern, mit eigens für diese Aktion entwickelten Sondermodellen. Sie werden zu besonderen Konditionen angeboten. Momentan laufen Verhandlungen mit weiteren Städten, um diese Kooperationen weiter zu verbreiten.