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Münster: Deutschlands Radfahrparadies wird alt

Schmale Radwege gibt es viele in Münsters Zentrum. Dieser führt mitten durch die Bushaltestelle führen © Reidl

Zugegeben, meine Ansprüche waren hoch. Es war mein erster Besuch im als Fahrradstadt bekannten Münster, und ich hatte erwartet, dass die Stadt hier den Radfahrern im übertragenen Sinn einen roten Teppich ausrollt. Den gibt es natürlich nicht. Aber dass die Radwege im Zentrum in der Regel nur unwesentlich breiter sind als ein Fahrradlenker und überwiegend auf Hochbordradwegen verlaufen, hat mich dann doch erstaunt.

Münster ist zweifelsohne Fahrradstadt. Aber eine, die Gefahr läuft, langfristig ihre Vorreiterrolle an Städte wie Freiburg oder Karlsruhe abzutreten. Weiter„Münster: Deutschlands Radfahrparadies wird alt“

 

Mit Bikesurfing kostenlos zum Leihrad

Als Olga Andreeva nach Berlin kam, hat sie sich ein Fahrrad ausgeliehen – umsonst. Nicht bei einer Freundin oder Bekannten, sondern über BikeSurf Berlin. Alles was die Verleiher für eine Woche Radausleihe von ihr wollten, war ihre E-Mail-Adresse. An diese schickten sie dann den Schlosscode und den Standort des Velos. Nach Ablauf der Leihdauer stellte Olga das Rad an dem vereinbarten Standort wieder ab.

Das Prinzip „Nutzen statt besitzen“ findet immer mehr Liebhaber. Die Menschen teilen bereitwillig: ihre Wohnung mit Reisenden – wie etwa beim Couchsurfing – oder Alltagsgegenstände, die sie selten oder gar nicht brauchen, in Tauschläden wie Leila in Berlin.

Von den genannten unterscheidet sich BikeSurf Berlin allerdings in einem Punkt: Die Fahrradverleiher erwartet keine Gegenleistung. Graham Pope, der Initiator des Non-Profit-Projekts, sieht vielmehr die Chance, „jeden Menschen mit dem besten, ökologischsten und gesündesten Fortbewegungsmittel der Welt zu versorgen – dem Fahrrad“.

In Berlin entwickelt sich sein Vorhaben gut. Das BikeSurf-Team – zehn Männer und Frauen – besorgt die Räder, pflegt sie und stellt sie Unbekannten zur Verfügung. Das erfordert ehrenamtliche Arbeit und Kunden, die sorgsam mit den Velos umgehen.

Bisher funktioniert das. 600 Menschen haben bei BikeSurf Berlin bereits Räder ausgeliehen. Damit hat Pope nicht gerechnet. Angefangen hat er im vergangenen Sommer mit zwei Rädern. Mittlerweile hat das Team 22 Exemplare im Fundus. Mehr geht nicht. Neben der Wartung kümmern sich die Ehrenamtler um Logistik und Werbung. Damit seien sie zurzeit am Limit dessen, was sie leisten könnten, sagt Olga Andreeva, die mittlerweile zum BikeSurf-Team gehört.

Der überwiegende Teil der Nutzer sind Touristen. Wer etwas spenden möchte, kann sich an diesem Richtwert orientieren: Wartung und Unterhalt eines Fahrrads kosten etwa 50 Cent pro Tag. Da sich das Team und die Kunden im echten Leben eigentlich nie treffen, spenden einige über die Website. „Manche BikeSurf-Kunden helfen uns aber auch und reparieren oder warten die Räder“, sagt Andreeva.

Ein Problem für das Team ist der Fahrraddiebstahl. Sechs Räder sind ihnen in den vergangenen Monaten gestohlen worden. Nachschub erhalten sie laut Olga Andreeva bei Versteigerungen der Polizei oder der Bahn. Manchmal bekommen sie auch ein Rad geschenkt.

Initiator Graham Pope hofft, dass seine Idee Nachahmer findet und man irgendwann in jeder Stadt der Welt kostenlos Fahrräder ausleihen kann. Im polnischen Krakau wurde die BikeSurf-Idee gerade kopiert: Dort kann man zurzeit zwei Räder ausborgen.

 

Singen auf dem Radweg

Immer wieder hörte sie Menschen beim Radfahren laut singen, aber diese verstummten, sobald sie in deren Nähe kam. Ob sich die Leute schämten oder niemanden stören wollten, darüber konnte die niederländische Künstlerin Mapije de Wit nur spekulieren. Jedenfalls fand sie es schade, dass die Radfahrer ihren Gesang abbrachen, und suchte nach einem Weg, das zu ändern.

Die Gelegenheit bot sich im vergangenen Jahr. Der niederländische Fahrradverband Fietserbond hatte die junge Performance-Künstlerin beauftragt, verschiedene Fahrrad-Aktionen zu organisieren. An drei Stellen in Amsterdamer Parks hängte sie Schilder mit der Aufschrift „Zangfietspad“ auf, was so viel heißt wie Gesangsradweg. Zudem war auf dem Schild ein singender Radfahrer abgebildet, und unter ihm stand die Aufforderung: Hier können Sie offiziell auf dem Rad singen.

Die weiße Schrift auf blauem Grund sah recht offiziell aus. Die meisten Menschen, die es sahen, waren laut Mapije de Wit begeistert. Sie freuten sich, einen „Radweg zum Singen in ihrer Stadt zu haben“, sagt die Künstlerin. Die Leute hätten gesagt: „Jetzt kann ich endlich so laut singen wie ich will.“ Aber nicht nur die Kommentare der Radfahrer war positiv. Auch die Resonanz in den Medien war groß. Zeitungen und Blogs berichteten darüber.

Anscheinend hat Mapije de Wit mit ihren Schildern einen Nerv getroffen. So unspektakulär die Aussage auch ist, sorgte sie bei vielen Menschen doch für gute Laune.

Mittlerweile sind die Schilder verschwunden. Aber es gibt bereits Nachahmer. In der niederländischen Stadt Haarlem soll es laut Mapije de Wit bald einen Zangfietspad geben, und die Stadt Almere plant demnach im Stadtteil Muziekwijk, ein Schild aufzuhängen. Dort sind die Straßen nach berühmten Musikern und Komponisten benannt.