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Einfach nur lesen

Der Tag schreit förmlich nach einem Leseabend auf der Couch. Faule können alternativ zu einer Tagebuch-Lesung ins DT oder zu einem Autorengespräch über Sprache und Identität in den Münzsalon.

Die Schauspieler Barbara Schnitzler und Helmut Mooshammer lesen aus dem Tagebuch des ehemaligen DT-Intendanten Heinz Hilpert an seine große Liebe, die in der Schweiz lebende Jüdin Annelies »Nuschka« Heuser. So wird alles Schwere entweder leicht oder Leben. Tagebuch für Nuschka (2011) ist das Exerzitienbuch eines sich Sehnenden im vom Zweiten Weltkrieg geprägten Berlin. Im Münzsalon spricht die türkischstämmige Autorin, Schauspielerin und Regisseurin Emine Sevgi Özdamar mit der in Istanbul lebenden Schriftstellerin Sema Kaygusuz über Muttersprachen und Mutterzungen. Beide lesen aus ihren Büchern.

Bleibt noch das Hörbuch.

19.30 Uhr | 4. April 2011 | Deutsches Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte

20 Uhr | 4. April 2011Münzsalon | Münzstraße 23 | Berlin Mitte

 

Weltraum-Kunstkrimi-Spaß

Mark von Schlegell ist mit seiner Science-Fiction-Novelle High Wichita zu Gast im Gorki Studio.

Mark von Schlegell verbindet Science-Fiction, Philosophie und Kunst. Klingt krude, funktioniert aber gut. Denn Schlegell ist gestandener Science-Fiction-Autor und Kunstkritiker für Museumspublikationen und Magazine.

In der Weltraum-Kriminalgeschichte High Wichita geht es jedenfalls um Authentizität und den Wert von Kunst. Das Ganze spielt im Jahr 2133 und der Plot klingt unterhaltsam: Weltraumagent Nick Wesley soll Vermeers  wertvolles Gemälde Junge Dame mit Perlenhalsband sicher zur Erde transportieren. Um es vor Dieben zu schützen, verdoppelt er das Bild mit einem Quantenschloss. Die identischen Gemälde machen die Begriffe Original und Kopie obsolet – bis eines der Bilder zerstört wird. Jetzt quält sowohl den Dieb als auch den Eigentümer die Frage, ob das verbliebene Gemälde eigentlich ‚der‘ Vermeer ist. Währenddessen verhindern Aufstände auf der Erde die Landung.

Aus der bei Matthes & Seitz veröffentlichten deutschen Fassung liest heute Abend der Schauspieler Matti Krause.

20.15 Uhr | 31. März 2011 | Gorki Studio Berlin | Hinter dem Gießhaus 2 | Berlin Mitte

 

Entdeckt

Beny Wagner, Rabbit, Rabbit, White Rabbit (Still), 2011 © Beny Wagner

Das Ausstellungsprojekt Part-Time Pioneer präsentiert den Künstler Beny Wagner.

Der deutsch-amerikanisch-israelische Künstler Beny Wagner (*1985) hat für die Ausstellung im Lichthof der Humboldt Universität drei neue Arbeiten produziert. Ausgehend von Humboldt und dem Geist des Pioniers beschäftigte er sich darin mit der Erwartungshaltung des Entdeckenden. Das Resultat sind ein Künstlerbuch zu einem Besuch Obamas in Israel, einen Film über eine erfolglose Hasenjagd sowie eine Papierinstallation. Nachdem die letzten Ausstellungen im Lichthof ziemlich gut waren, könnte sich ein Abstecher zur Eröffnung lohnen. Mut zum Abenteuer, und so.

19 Uhr | 31. März 2011 | Lichthof der Humboldt-Universität | Unter den Linden 6 | Berlin Mitte

 

Am Fuß der Bierpyramide

Cyprien Gaillard, The Recovery of Discovery (Installationsansicht Kunst-Werke), 2011 © NH/Filter

Unverschämt oder grandios – Cyprien Gaillard spaltet mit The Recovery of Discovery die Geister.

Selten standen so schnell derart viele Bilder von einer Eröffnung auf Facebook. Aber es war auch die gesamte Berliner Kunst- und Hipsterszene in den Kunst-Werken. Sie standen um oder saßen auf 72.000 Flaschen Efes und bedienten sich aus den Kartons, die Gaillard zu einer Pyramide hatte stapeln lassen. Der Künstler und seine Crew betrachteten das Geschehen vom Gipfel dieser Pyramide, während sich unten am Bierhaufen der Vernissagen-Plebs drängte. Gemein hatten sie lediglich das Bier in der Hand und die Gewissheit, Teil einer Installation zu sein.

Diese sorgte für hitzige Debatten: Die einen fanden die Arbeit zynisch, dreist und prätentiös, die anderen direkt, intelligent und konsequent. Am Ende gab es zwar keinen Konsens darüber, ob es Gaillard tatsächlich um eine kritische Auseinandersetzung mit der Dekonstruktion von Monumenten geht oder einfach das Vorführen der Berlin-Mitte-Kulturszene.

 

Decay in progress

Die Kunst-Werke holen sich Cyprien Gaillard ins Haus.

Noch darf keiner wissen, was der Künstler für die Eröffnung ausheckt. In jedem Fall zeigen die Kunst-Werke mit The Recovery of Discovery bereits die dritte spannende Einzelausstellung in Folge. Denn auf Renata Lucas und Absalon folgt der französische Künstler Cyprien Gaillard (*1980), ein Experte in Sachen Zerstören und Bewahren.

Ob er Gebäudesprengungen filmt oder dystopische Stadtlandschaften fotografiert, Gaillard gewinnt noch den absurdesten Szenerien derart viel Schönheit ab, dass es schwer fällt, seine Arbeiten nicht faszinierend zu finden.

In den letzten beiden Jahren hat Gaillard für viel Aufsehen gesorgt. Vor allem seine Filme und Fotoarbeiten waren omnipräsent. In seiner Einzelausstellung kommen auch seinen Skulpturen und Performances große Bedeutung zu. So präsentiert Gaillard eine großformatige skulpturale Installation, mit der er die Form des Denkmals dekonstruieren will. Die Besucher sollen sich mit der Funktion des Monuments auseinandersetzen und mit der Frage, was dessen Zerstörung für das Bewahren der Erinnerung bedeutet.

Dieser Prozess scheint lange zu dauern, denn die Eröffnung geht diesmal bis zwei Uhr früh – so bleibt auch noch genug Zeit für andere spannende Ausstellungen, wie die der fanzösischen Künstlerin Agathe Fleury bei Kwadrat oder The Moving Object im Kunstraum Essays & Observations. Es reicht sogar für die Apparatjik-Performance in der Neuen Nationalgalerie.

17 Uhr | 26. März 2011 | KW Institute for Contemporary Art | Auguststraße 69 | Berlin Mitte

 

Land Art in der Museumshalle

Richard Long, Berlin Circle, Installationsansicht © bpk / Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart Berlin, SMB, VG Bild-Kunst, Bonn 2011, Foto: Thomas Bruns

Der Hamburger Bahnhof zeigt Arbeiten der Land Art sowie ihren britischen Protagonisten Richard Long.

Nach den Rentieren der Matschkreis. Der Hamburger Bahnhof gibt sich weiter naturverbunden und eröffnet die Ausstellungen Land Art sowie Berlin Circle mit Arbeiten des Briten Richard Long. Die Künstler der sogenannten Land-Art arbeiten mit und in der Natur; die Arbeiten entstehen typischerweise im Außenraum. Geprägt haben die Land Art in den späten 1960er Jahren einzelne Künstler. Sie reagierten damit kritisch auf die im kommerziellen und institutionellen Kunstbetrieb gängigen Arbeiten.

Die Ausstellung Land Art zeigt die Bandbreite der skulpturalen Umsetzungen in der Land Art, von den Erdaushebungen bei Michael Heizer über die verwitternden Betonröhren bei Nancy Holt bis zu den Wanderung bei Hamish Fulton.

Im Gegensatz zu anderen Land Art-Künstlern greifen die Werke von Richard Long nicht radikal in die Natur ein. Der Künstler arbeitet vielmehr mit dem, was er darin vorfindet. Seit über 40 Jahren streift Long systematisch durch Landschaften, hinterlässt Spuren wie Kreise aus Stein oder Linien aus Holz. Im Hamburger Bahnhof ist seine Schlüsselarbeit zu sehen: A Line Made by Walking (1967). Es ist eine Spur im Rasen, die der Künstler getrampelt und anschließend fotografisch dokumentiert hat. Das Herzstück seiner Einzelausstellung in der historischen Halle des Hamburger Bahnhofs bildet Longs Bodenarbeit Berlin Circle. Den zwölf Meter durchmessenden Steinkreis hatte der Künstler erstmals zur Eröffnung des Museums 1996 installiert.

20 Uhr | 25. März 2011Hamburger Bahnhof | Invalidenstraße 50-51 | Berlin Mitte

 

Der bessere Kriegsdiskurs?

Promo © mawil.net

Am Gorki stellen sich Theater- und Comicmacher die Frage: Inwiefern kann man Kriegsgewalt auf der Bühne oder im Comic darstellen?

Eine Woche reflektiert das Festival Reality Kills, inwieweit sich Theater und Comic als Forum für einen angemessenen Kriegsdiskurs eignen. Die These: Gerade weil Comic und Theater nicht vorgeben ein Abbild der Wirklichkeit zu sein, kämen sie der subjektiven Realität näher als die Berichterstattung in Print- und Fernsehmedien. Sie verfügten über künstlerische Mittel, um das Grauen in Worte und Gefühle in Bilder zu packen.

Und so proben und diskutieren Comic-Zeichner und Autoren gemeinsam mit Regisseuren, Bühnen- und Kostümbildnern, Schauspielerm und Musikern. Sie wollen neue Möglichkeiten des interdisziplinären Austausches finden und vor allem präsentieren. Tatsächlich liest sich das Festivalprogramm bunt bis wild.

Am Sonntag eröffnet das Festival mit der Uraufführung von Alans Krieg. Die Erinnerung des GI Alan Cope. Die Inszenierung von Sascha Hargesheimer basiert auf dem Comic Alans Krieg (2010) von Emmanuel Guibert. Darin zeichnet Guibert die Kriegserfahrungen des US-Soldaten Alan Cope nach, der 1945 mit gerade einmal 20 Jahren in Le Havre landete.

20.15 Uhr | 20. März 2011 | Gorki Studio | Hinter dem Gießhaus 2 | Berlin Mitte

 

Von wegen selbsterklärend

Andreas Zybach, o.T., 2011 © Foto: Roman März, Courtesy Galerie Johann König

Am Samstag gibt’s viel Konzept und Referenzen zu sehen.

Wie jedes Wochenende kommt viel neue Kunst in die hiesigen Galerien. Interessanterweise eröffnen aber gleich drei Einzelausstellungen mit Künstlern, deren Arbeiten mit mehr oder weniger komplexen Bezügen operieren.

Anlässlich seiner Einzelausstellung Carve out a Space of Intimacy spricht der amerikanische Künstler und Musiker Stephen Prina in der Galerie Capitain Petzel über seine Arbeitsweise. Prina verwendet stets ein dichtes Referenzsystem; seine Werke greifen Motive und Themen aus Kunst, Musik sowie Literatur oder Theorie auf.

Bei der Galerie Eigen + Art präsentiert Olaf Nicolai seine Einzelausstellung Warum Frauen gerne Stoffe kaufen, die sich gut anfühlen. Die Schau besteht aus zwei Blütenstickereien sowie einem raumfüllenden Vorhang aus gewebter Seide. Außerdem gehört dazu nicht weniger als ein ganzer Anmerkungsapparat. In sieben Kapiteln assoziert Nicolai frei über die unterschiedliche Bezüge, wie Textilindustrie, Meinungsforschung oder Studien zur taktilen Wahrnehmung von Stoffen.

In der Galerie Johann König arbeitet sich Andreas Zybach am Organismus des Baumes ab. Seine Skulpturen aus Rohren und Kompressoren, Leitungen und Ventilen sowie Luftballons erinnern nicht nur formal an Bäume. Außerdem saugen sie mittels einer elektronischen Steuerung Luft aus dem Ausstellungsraum und geben diese intervallweise an Ballons ab, die nach und nach platzen. Weiter zitieren auch die ausliegende Poster Aufrufe zur Aufforstung, um den CO2 Ausstoß zu kompensieren.

18 Uhr | 19. März 2011 | Capitain Petzel | Karl Marx Allee 45 | Berlin Friedrichshain

17 Uhr | 19. März 2011 | Galerie Eigen + Art Berlin | Auguststraße 26 | Berlin Mitte

18 Uhr | 19. März 2011 | Galerie Johann König | Dessauer Straße 6-7 | Berlin Mitte

 

Das Rechte aus unrechten Gründen

© Arno Declair

Andreas Kriegenburg inszeniert Judith (1841) von Friedrich Hebbel.

Im Gegensatz zur biblischen Figur hat Hebbel seine Judith komplexer gestaltet. Zwar rettet auch sie das israelische Volk, indem sie den assyrischen Tyrannen Holofernes enthauptet. Hier aber quälen die nach außen gottesfürchtige Befreierin Selbstzweifel. Objektiv betrachtet handelte Judith nämlich nicht alleine im Auftrag Gottes. Vielmehr begehrte sie Holofernes. Als der sie vergewaltigt, stellt Judith mit seiner Ermordung auch ihre Würde wieder her.

Mit Karten für die Premiere sieht es zwar schlecht aus, aber bei den nachfolgenden Termine gibt es noch Kontingente.

20 Uhr | 18. 19. & 21 März 2011 | DT Kammerspiele | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte