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Warten auf den Biobäcker

© Neuköllner Oper

Die Neuköllner Oper führt Discount Diaspora auf.

Wenn schon keine Migration, dann wenigstens Gentrifizierung, haben sich die Autoren Feridun Zaimoglu und Günter Senkel wohl gedacht, als sie die Auftragsarbeit der Neuköllner Oper schrieben. Laut Spiegel Interview ist ihr Libretto über die Zukunft Neuköllns zwar nicht sozialromantisch, sondern „durch und durch machiavellistisch“. Aber ob das stimmt, zeigt erst die Uraufführung der Oper.

Das passiert jedenfalls: Der Immobilienmakler Fred sucht in Neukölln nach lukrativen Immobilen. Denn das Viertel verwandelt sich in ein neues Kreuzberg, das mit seinem Nebeneinander aus Yoga-Studio und Biobäcker, Bierstube und Männercafé Touristen aus der ganzen Welt anzieht. Fred verliebt sich dabei in eine junge ostdeutsche Prostituierte und taucht im Kiez um die Karl-Marx-Straße unter. Eigentlich hätte ihn seine Kollegin Patrizia aus der „Discount Diaspora“ zurückholen sollen. Nun fehlt auch von ihr jede Spur. Dafür stürzt eine Gesangslehrerin vom Balkon…

Vertont haben das Libretto übrigens die Musiker und Komponisten Vivan und Ketan Bhatti.

20 Uhr | 17. & 19-20. März 2011 | Neuköllner Oper | Karl-Marx-Straße 131-133 | Berlin Neukölln

 

Ein musikalisches Statement gegen die Sklaverei

© Thomas Bartilla

An der Staatsoper im Schillertheater feiert El Cimarrón (1969/1970) Premiere.

Das politisch engagierte Rezital basiert auf der 1966 von Miguel Barnet verfassten Biografie des geflohenen kubanischen Sklaven Esteban Montejo, einem sogennaten Cimarrón. (Cimarrón bedeutet „das wilde Tier“ aber auch „das entlaufene Haustier“).

Hans Werner Henze hat daraus gemeinsam mit Hans Magnus Enzensberger ein „musikalisches Statement gegen die Sklaverei“ entwickelt. Enzensberger porträtiert Montejo als abgebrühten Kämpfer, Henze lässt den Zuhörer an der Gefühlswelt des Cimarrón teilhaben – und das klingt ziemlich ungewohnt.

Das szenische Konzertstück für einen Bariton und drei Instrumentalisten verzichtet auf Schauspiel oder Rollen; der Sänger und die Instrumentalisten sind musikalische Partner mit gleichberechtigten Stimmen. In 15 Nummern rekapitulieren sie unterschiedliche Themen im Leben des Cimarrón. Entsprechend der von Improvisation und Interaktion geprägten Partitur befinden sich die Instrumente (allein 33 verschiedenen Percussion-Instrumente) dabei über die gesamte Werkstadt des Schillertheaters verteilt.

Die Regisseurin Sophia Simitzis bebildert die karibischen  Klänge mit Requisiten, Videos und Projektionen.

20 Uhr | 18, 24. & 27. Februar 2011 | Staatsoper im Schillertheater – Werkstatt | Bismarckstraße 110 | Berlin Charlottenburg

 

Happy End an der Staatsoper

Staatsoper Berlin, Antigona © Clärchen und Matthias Baus

Die Antigona von Tommaso Traetta feiert Premiere.

Der italienische Komponist Tommaso Traetta wird zu den Reformern der Oper gezählt – an der Schnittstelle zwischen Barock und Klassik. Seine Antigona (1772) greift den Geist der antiken Tragödie auf und bettet sie in eine für damalige Verhältnisse progressive Ästhetik ein.

Vor allem die Vielfalt musikalischer Formen sowie die dramatische Stringenz zeichnen diese Oper aus. Wie in der griechischen Tragödie kommentiert und trägt ein Chor die Handlung. In Zentrum des Dramas steht Antigone, die Traetta als erstaunlich komplexe Figur entwirft. Zudem klingt sowohl in der Komposition als auch in dem Libretto von Marco Coltellini viel aufklärerisches Gedankengut durch; in Antigona siegen Selbstbestimmung und Vernunft über traditionelle Vorstellungen.

Die Geschichte: die Söhne von Ödipus haben sich im Kampf um die Herrschaft von Theben getötet. Sein Bruder Kreon besteigt den Thron und verfügt, dass nur Eteokleos ein Staatsbegräbnis erhält. Indem Ödipus‘ Tochter Antigone auch Polyneikes die letzte Ehre erweist, erwirkt sie für sich die Todesstrafe. Doch als sich Kreons Sohn Haimon aus Trauer darüber vermeintlich das Leben nimmt, besinnt sich der König – im Gegensatz zu Sophokles‘ Vorgabe. Er erkennt, dass nicht der Zorn der Götter, sondern seine Strenge das Unheil verursacht hat.

Auf die Premiere darf man sich wirklich freuen: Rene Jacobs dirigiert, Vera Nemirova inszeniert und der Countertenor Bejun Mehta singt Emone.

18.30 Uhr | 30. Januar 2011 | Staatsoper im Schiller Theater | Bismarckstraße 110 | Berlin Charlottenburg

 

Götterdämmerung an der Deutschen Oper

© Barbara Aumüller im Auftrag der Deutschen Oper Berlin

Die Intendantin Kirsten Harms verabschiedet sich mit Die Liebe der Danae (1944) von Richard Strauss.

Der Komponist Richard Strauss und der Librettist Joseph Gregor haben die Oper Die Liebe der Danae aus einem Entwurf von Hugo von Hofmannsthal entwickelt. Darum geht’s: Um sein runtergewirtschaftetes Reich zu sanieren, will König Polux seine Tochter mit König Midas vermählen. Allerdings hat auch Jupiter ein Auge auf die Prinzessin geworfen. Er verflucht Midas und wirbt um Danae. Als diese ihn abweist, entsagt der alternde Gott den irdischen Frauen. Er muss erkennen, dass die Tage seiner Macht gezählt sind.

Die Liebe der Danae ist Strauss vorletzte Oper. Er hat die „heitere Mythologie“ vor dem gar nicht so heiteren Hintergrund des Zweiten Weltkrieges komponiert – wissend, dass seine großen Zeiten vorüber waren. Und auch Kirsten Harms feiert zum letzten Mal Premiere – im Sommer verlässt sie die Deutsche Oper.

18 Uhr | 23. Januar 2011 | Deutsche Oper | Bismarckstraße 35 | Berlin Charlottenburg

 

Runnicles lässt Trojaner auf Berlin los

Andre Rival im Auftrag der Deutschen Oper Berlin Saison 2010/11, Wolfgang Joop als Énée

Die fünfstündige Doppeloper Die Trojaner von Hector Berlioz feiert Premiere an der Deutschen Oper.

Die Premiere verspricht gleich doppelt Spannung: Es ist die Erste von Donald Runnicles an der Deutschen Oper. Und dass der Generalmusikdirektor die Herausforderung für sich und die Deutsche Oper sucht, beweist seine Wahl: Die Trojaner ist ein Mammutstück. Der französische Komponist Hector Berlioz hat von 1856 bis 1858 an der Doppeloper in fünf Akten gearbeitet. Er wollte das Neue an Vergils antikem Stoff herausarbeiten, die Operntradition achten und doch weiter entwickeln. Die Trojaner gliedert sich in zwei Teile, den Untergang Trojas und Die Trojaner in Karthago:

Entgegen Kassandra’s Warnung öffnen die Trojaner ihre Tore für das vermeintliche Geschenk der Götter. Sie wähnen zehn Jahre griechischer Belagerung überstanden. Die List der Griechen geht auf, sie brennen Troja nieder. Nur wenige Trojaner überleben. Während sich die Frauen töten, flieht Aeneas mit den Männern. Sie sollen ein neues Reich gründen: das zukünftige römische Reich. Auf ihrer Reise landen die Männer in Karthago. Dort helfen sie den Karthagern den Angriff von König Iarbas abzuwehren. Aeneas und Königin Dido verlieben sich. Doch Aeneas folgt seiner Bestimmung, verlässt Karthago und seine Königin. Dido nimmt sich das Leben. In einer Vision sieht sie das von den Nachfahren Aeneas‘ zerstörte Karthago.

Er sei „regiemäßig zu allen Schandtaten bereit“, verspricht Runnicles der Süddeutschen Zeitung (277). Tatsächlich gibt es noch wenige Karten für alle, die diese Schandtaten am eigenen Leib erleben wollen – fünf Stunden lang.

16 Uhr | 5. Dezember 2010 | Deutsche Oper | Bismarckstraße 35 | Berlin Charlottenburg

 

Und noch eine Klassik Lounge

© Deutsche Oper

Die Deutsche Oper zieht sich Nachwuchs heran.

Mit der Opera Lounge greift die Deutsche Oper das konventionelle Klassik Lounge-Konzept auf: Im Foyer führen junge Opernkünstler ein junges Publikum in die Welt der Oper ein. Die Veranstaltungsreihe beginnt immerhin mit einem wilden Programm: Auf zwanzig Minuten Rossini und Weill folgt ein Musikblock mit Stücken von Mozart. Dann stellen die Musiker Offenbach vor, das Broadway-Stück Showboat und spanische Zarzuela.

Die Hintergründe erläutert Markus Brück. Zwischen den Darbietungen sollen die Zuschauer das Gehörte diskutieren. Im Anschluss, wer hätte das gedacht, darf bei Drinks und DJs gefeiert werden.

21 Uhr | 22. November 2010 | Deutsche Oper | Bismarckstraße 35 | Berlin Charlottenburg