Lesezeichen
 

Tanzen wider die Zensur

© Promo

Das Tanzstück Don’t move analysiert die Sprengkraft der körperlichen Bewegung.

Seit 1979 ist in Iran das Tanzen in der Öffentlichkeit verboten. Dennoch gibt es auch dort Tänzer, die »rhythmische Bewegung« unter strengsten Auflagen aufführen und im Privaten oder auf den Dächern der Stadt proben.

In Don’t Move betrachtet die Tänzerin und Regisseurin Modjgan Hashemian, wie es sich unter der Zensur tanzen lässt. Wie sich die Einschränkungen in den Körper einschreiben und inwiefern vom tanzenden Körper eine Bedrohung für die herrschenden Verhältnisse ausgeht.

Hashemian hat mit verschiedenen Protagonisten der Teheraner „Tanzszene“ gesprochen und das Stück dann gemeinsam mit Tänzern in Berlin entwickelt. Mit Wohlfühlballet hat der Abend wenig zu tun.

20 Uhr | 20. & 21. März 2011Ballhaus Naunynstraße | Naunynstraße 27 | Berlin Kreuzberg

 

Der bessere Kriegsdiskurs?

Promo © mawil.net

Am Gorki stellen sich Theater- und Comicmacher die Frage: Inwiefern kann man Kriegsgewalt auf der Bühne oder im Comic darstellen?

Eine Woche reflektiert das Festival Reality Kills, inwieweit sich Theater und Comic als Forum für einen angemessenen Kriegsdiskurs eignen. Die These: Gerade weil Comic und Theater nicht vorgeben ein Abbild der Wirklichkeit zu sein, kämen sie der subjektiven Realität näher als die Berichterstattung in Print- und Fernsehmedien. Sie verfügten über künstlerische Mittel, um das Grauen in Worte und Gefühle in Bilder zu packen.

Und so proben und diskutieren Comic-Zeichner und Autoren gemeinsam mit Regisseuren, Bühnen- und Kostümbildnern, Schauspielerm und Musikern. Sie wollen neue Möglichkeiten des interdisziplinären Austausches finden und vor allem präsentieren. Tatsächlich liest sich das Festivalprogramm bunt bis wild.

Am Sonntag eröffnet das Festival mit der Uraufführung von Alans Krieg. Die Erinnerung des GI Alan Cope. Die Inszenierung von Sascha Hargesheimer basiert auf dem Comic Alans Krieg (2010) von Emmanuel Guibert. Darin zeichnet Guibert die Kriegserfahrungen des US-Soldaten Alan Cope nach, der 1945 mit gerade einmal 20 Jahren in Le Havre landete.

20.15 Uhr | 20. März 2011 | Gorki Studio | Hinter dem Gießhaus 2 | Berlin Mitte

 

Kampf der Kuratoren

© Grimmuseum

Wer macht die bessere Ausstellung? Im Grimmuseum kämpfen die Kuratoren Aaron Moulton und Carson Chan um die Gunst des Publikums.

Das Prinzip des Curators Battle ist einfach: Zwei Kuratoren stellen jeweils mit den gleichen Künstlern eine Ausstellung zusammen. Die Besucher entscheiden, wer den besseren Job gemacht hat.

Aaron Moulton hat vier Künstler vorgeschlagen, mit denen er schon in seiner Galerie Feinkost gearbeitet hat, nämlich Marco Bruzzone, Benja Sachau, Ignacio Uriarte und Jorinde Voigt. Carson Chan, der Co-Gründer von Program, hat sich für die Künstler Constant Dullaart, Kinga Kielczynska, Darri Lorenzen sowie Timur Si-Qin entschieden. (Mehr zu ihren Beweggründen gibt’s im Interview mit PIG’s.)

Beide Kuratoren haben eine Gruppenausstellung mit allen acht Auserwählten zusammengestellt – Titel, Konzept, Text und Installationsanleitung inklusive. Und niemand außer den zweien weiß, wer der Urheber welcher Schau ist. Am Ende des Abends wird der Name des Gewinners bekannt gegeben.

Was daran spannend ist? Zum einen sind Moulton und Chan verdammt gute Kuratoren. Zum zweiten haben beide interessante Künstler ausgesucht. Und zum dritten wird es voll, laut und lustig.

19 Uhr | 19. März 2011 | Grimmuseum | Fichtestraße 2 | Berlin Kreuzberg

 

Konzert für Japan

Das Konzert in der Gedächtniskirche kommt den Opfern in Japan zugute.

Am späten Samstagabend findet in der Gedächtniskirche ein Konzert statt, an dem unter anderem die Cellisten der Berliner Philharmoniker mitwirken. Die Musiker spielen Stücke von Christoph Bernhard, Dietrich Becker und Arvo Pärt sowie Bach, Ravel und Verdi. Statt Eintritt wird um Spenden gebeten.

22.30 Uhr | 19. März 2011 | Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche | Breitscheidplatz 1 | Berlin Charlottenburg

 

Von wegen selbsterklärend

Andreas Zybach, o.T., 2011 © Foto: Roman März, Courtesy Galerie Johann König

Am Samstag gibt’s viel Konzept und Referenzen zu sehen.

Wie jedes Wochenende kommt viel neue Kunst in die hiesigen Galerien. Interessanterweise eröffnen aber gleich drei Einzelausstellungen mit Künstlern, deren Arbeiten mit mehr oder weniger komplexen Bezügen operieren.

Anlässlich seiner Einzelausstellung Carve out a Space of Intimacy spricht der amerikanische Künstler und Musiker Stephen Prina in der Galerie Capitain Petzel über seine Arbeitsweise. Prina verwendet stets ein dichtes Referenzsystem; seine Werke greifen Motive und Themen aus Kunst, Musik sowie Literatur oder Theorie auf.

Bei der Galerie Eigen + Art präsentiert Olaf Nicolai seine Einzelausstellung Warum Frauen gerne Stoffe kaufen, die sich gut anfühlen. Die Schau besteht aus zwei Blütenstickereien sowie einem raumfüllenden Vorhang aus gewebter Seide. Außerdem gehört dazu nicht weniger als ein ganzer Anmerkungsapparat. In sieben Kapiteln assoziert Nicolai frei über die unterschiedliche Bezüge, wie Textilindustrie, Meinungsforschung oder Studien zur taktilen Wahrnehmung von Stoffen.

In der Galerie Johann König arbeitet sich Andreas Zybach am Organismus des Baumes ab. Seine Skulpturen aus Rohren und Kompressoren, Leitungen und Ventilen sowie Luftballons erinnern nicht nur formal an Bäume. Außerdem saugen sie mittels einer elektronischen Steuerung Luft aus dem Ausstellungsraum und geben diese intervallweise an Ballons ab, die nach und nach platzen. Weiter zitieren auch die ausliegende Poster Aufrufe zur Aufforstung, um den CO2 Ausstoß zu kompensieren.

18 Uhr | 19. März 2011 | Capitain Petzel | Karl Marx Allee 45 | Berlin Friedrichshain

17 Uhr | 19. März 2011 | Galerie Eigen + Art Berlin | Auguststraße 26 | Berlin Mitte

18 Uhr | 19. März 2011 | Galerie Johann König | Dessauer Straße 6-7 | Berlin Mitte

 

Das Rechte aus unrechten Gründen

© Arno Declair

Andreas Kriegenburg inszeniert Judith (1841) von Friedrich Hebbel.

Im Gegensatz zur biblischen Figur hat Hebbel seine Judith komplexer gestaltet. Zwar rettet auch sie das israelische Volk, indem sie den assyrischen Tyrannen Holofernes enthauptet. Hier aber quälen die nach außen gottesfürchtige Befreierin Selbstzweifel. Objektiv betrachtet handelte Judith nämlich nicht alleine im Auftrag Gottes. Vielmehr begehrte sie Holofernes. Als der sie vergewaltigt, stellt Judith mit seiner Ermordung auch ihre Würde wieder her.

Mit Karten für die Premiere sieht es zwar schlecht aus, aber bei den nachfolgenden Termine gibt es noch Kontingente.

20 Uhr | 18. 19. & 21 März 2011 | DT Kammerspiele | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte

 

Für Ohren und Augen: eine Woche MärzMusik

Intonarumori, Transart, 2010 © Gregor Kuehn

Das Festival für aktuelle Musik feiert sein 10-jähriges Jubiläum. Das Leitmotiv 2011 lautet „Klang Bild Bewegung“.

Die digitalen Medien haben die technische Umsetzung des Gesamtkunstwerkes vereinfacht. Nur macht das intermediale Arbeiten noch lange nicht zu Kunstwerken. Mit dem Festival MärzMusik präsentieren die Berliner Festspiele sowie diverse Kooperationspartner gelungene oder zumindest erfolgsversprechende Projekte. Bei den Beiträgen handelt es sich nämlich oft um Auftragsarbeiten, erklärt der Festivalleiter Matthias Osterwold im Interview mit dem Tagesspiegel.

Für dieses Jahr haben sich die Musiker und Künstler mit dem Verhältnis von Musik und bewegten Bildern auseinandergesetzt. Und so reicht das einwöchige Programm von neuer Musik zu alten Filmen über musikalische Videokunst bis hin zu Performance-Installationen.

Weil das Festpielhaus wegen Renovierung derzeit geschlossen hat, befinden sich die Spielstätten über die Stadt verteilt. Rebecca Sander eröffnet das Festival heute Abend im Café Moskau. Musiker und Zuhörer erlaufen sich dort ihre Komposition Chroma. Außerdem gedenkt Michael Vorfeld der Glühlampe mit seiner Klanginstallation Light Bulb Music.

Am Samstag begleitet dann das Ensemble Modern in der Volksbühne die restaurierte Fassung von Metropolis (1927) mit Musik von Martin Matalon. Und im Babylon Mitte vertont die Komponistin Misato Mochizuki das proto-feministische Drama Taki no shirato (1933) von Kenji Mizoguchi. (Im Babylon finden während des Festivals übrigens auch die Mitternachtscreenings von Filme hören statt. Dort werden Filme gezeigt, die nicht zuletzt aufgrund ihrer außergewöhnlichen Tonspur Bedeutung erlangt haben.)

Im Radialsystem V lärmt am Sonntag Das Orchester der Futuristischen Geräuscherzeuger oder kurz: der Intonarumori. Die Intonarumori gehen zurück auf einen Entwurf von Luigi Russolo (1885–1947). Der futuristische Maler und Komponist präsentierte 1913 Instrumente für die Musik eines von Großstädten und Maschinen geprägten 20. Jahrhunderts. Zwar gingen die Originale verloren. Aber die italienische Komponistin Luciano Chessa hat für das Performa Festival in New York 16 der Geräuscherzeuger rekonstruiert und zeitgenössische Komponisten wie Blixa Bargeld und Mike Patton um neue Werke gebeten – und das sind nur einige der vielen Optionen für dieses Wochenende.

Falls das ohnehin schon verplant sein sollte: In der Philharmonie tritt Montag das New Yorker Ensemble Alarm Will Sound auf. Die 20-köpfige Truppe hat sich auf die Bearbeitung elektronischer Musik für akustische Instrumente spezialisiert. Und im Hamburger Bahnhof findet What Got You Here, Won’t Get You There statt, eine Performance-Installation des isländischen Künstlers und Musikers Egill Sæbjörnsson und der brasilianischen Regisseurin und Schauspielerin Marcia Moraes.

Nein, kein Aufatmen. Der Rest der Woche wird ähnlich turbulent; der Download des Festivalprogramms lohnt sich also.

18.-24 März 2011 | siehe Programm

 

Gummistiefel Kunstsafari

Die Ausstellungsreihe Stay hungry verpflanzt Gegenwartskunst in Schrebergärten.

Der Titel Stay hungry ist angelehnt an einen Bodybuilder-Film (1976) mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle. Darin retten selbstdisziplinierte Bodybuilder ihr vom Verkauf bedrohtes Fitnessstudio vor profitgeilen Finanzjongleuren. Zugleich bezieht sich der Titel auf die Geschichte der Kleingartenkolonien. Ursprünglich als Möglichkeit zur Selbstversorgung in den Städten eingeführt, sollte der Schrebergarten später Großstadtkindern die Möglichkeit zur körperlichen Ertüchtigung bieten.

Heute belächelt man Schrebergärten vor allem als kleinbürgerliche Rückzugsorte. Und genau deswegen haben die Kuratoren Theo Ligthart and Anna Redeker die Schrebergartenparzellen am Gleisdreieck als Ausstellungsfläche gewählt: Die Präsentation an diesem Nicht-Kunstort soll die Frage provozieren, inwieweit es sich beim Kunstbetrieb mittlerweile um eine ebenso „eskapistische Schrebergartenbewegung“ handelt.

Im Gegensatz zur Kunst im öffentlichen Raum, die der Individualisierung eines sonst auswechselbaren Stadtbildes dient, müssen die Künstler hier auf die Gegebenheiten der unterschiedlichen Gärten reagieren. Die mehr als 60 Parzellen sind so individuell wie ihre Besitzer, sie reichen vom Gartenzwergidyll bis zur Wildnis.

Hortus conclusus ist bereits die dritte Episode der Ausstellungsserie. Die Gruppenschau greift die antike Vorstellung eines durch Mauern von der Außenwelt abgeschlossenen Ortes auf und verweist zugleich auf die Idee eines paradiesischen Lustgartens. In einen solchen verwandeln heute Abend neun Künstler die Kleingartensiedlung.

Auch wenn es mit dem geplanten Frühlingserwachen nicht ganz geklappt hat. Für Hartgesottene dürfte der Ausflug ans Gleisdreieck eine nette Abwechslung sein. Ansonsten bleibt immer noch die Theke im Vereinsheim.

19 Uhr | 17. März 2011 |Schrebergärten am Gleisdreick | Bülowstraße Ecke Dennewitzstraße | Berlin Schöneberg

 

Warten auf den Biobäcker

© Neuköllner Oper

Die Neuköllner Oper führt Discount Diaspora auf.

Wenn schon keine Migration, dann wenigstens Gentrifizierung, haben sich die Autoren Feridun Zaimoglu und Günter Senkel wohl gedacht, als sie die Auftragsarbeit der Neuköllner Oper schrieben. Laut Spiegel Interview ist ihr Libretto über die Zukunft Neuköllns zwar nicht sozialromantisch, sondern „durch und durch machiavellistisch“. Aber ob das stimmt, zeigt erst die Uraufführung der Oper.

Das passiert jedenfalls: Der Immobilienmakler Fred sucht in Neukölln nach lukrativen Immobilen. Denn das Viertel verwandelt sich in ein neues Kreuzberg, das mit seinem Nebeneinander aus Yoga-Studio und Biobäcker, Bierstube und Männercafé Touristen aus der ganzen Welt anzieht. Fred verliebt sich dabei in eine junge ostdeutsche Prostituierte und taucht im Kiez um die Karl-Marx-Straße unter. Eigentlich hätte ihn seine Kollegin Patrizia aus der „Discount Diaspora“ zurückholen sollen. Nun fehlt auch von ihr jede Spur. Dafür stürzt eine Gesangslehrerin vom Balkon…

Vertont haben das Libretto übrigens die Musiker und Komponisten Vivan und Ketan Bhatti.

20 Uhr | 17. & 19-20. März 2011 | Neuköllner Oper | Karl-Marx-Straße 131-133 | Berlin Neukölln