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Warum wir #D17 starten

 

#D17

Haben wir etwas gelernt? Zwei Mal sind wir im vergangenen Jahr mit der Hoffnung zu Bett gegangen, dass die Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts doch fortbestehen könnte. Am nächsten Morgen wachten wir im 21. Jahrhundert auf: Großbritannien war nicht mehr Teil Europas und Donald Trump US-Präsident.

Wir haben gelernt, dass Journalisten das Gefühl für die Hälfte eines ganzen Landes verlieren können. Dass ganze Gesellschaften verlernen können, miteinander zu reden. Dass Desinformation und Propaganda Erfolg haben können. Wir haben gelernt, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher, weil die Welt und Deutschland in Bewegung sind wie seit 1989 nicht mehr.

Deshalb startet ZEIT ONLINE das neue Projekt #D17 – ein übergreifendes Ressort, für das die gesamte Redaktion arbeitet. Im Jahr der Bundestagswahl wollen wir darin Deutschland Deutschland erklären.

Wir werden nicht auf Wahlprognosen starren, sondern uns da aufsuchen, wo wir nun einmal sind, in Bretten etwa, Calw, Oberscheld und Wismar. In mehreren Serien nähern wir uns Deutschland von seinen vielen Seiten und versuchen, es noch einmal ganz von vorne zu verstehen.

– Für unser Projekt Heimatreporter etwa besuchen Redakteure von ZEIT und ZEIT ONLINE das ganze Jahr über jene Orte, an denen sie aufgewachsen sind, die sie gut kennen und für die sie eine besondere Empathie haben. Mit der Recherche unseres Literaturredakteurs David Hugendick über den noch etwas heruntergekommenen, aber neuerdings hoffnungsfrohen Stadtteil Bremerhaven-Lehe starten wir heute #D17.

– Im Projekt Überland werden wir das ganze Jahr aus allen deutschen Regionen über das berichten, was diese Regionen beschäftigt: Vielfach ausgezeichnete Regionalreporter arbeiten dafür mit uns zusammen. Überland startet im März.

– Auch in einigen weiteren Reportagen, Fotoproduktionen und Videos erkunden wir Deutschland noch einmal ganz neu. Mehr dazu später – auf #D17.

Eine andere Sicht auf unser Land jenseits der Wahlprognosen suchen auch unsere Datenjournalisten.

Das geteilte Land II schließt an eine Recherche an, die wir zum Mauerfall-Jubiläum veröffentlicht haben. Dieses Mal suchen wir nicht nach Daten, die noch den Unterschied zwischen Ost und West deutlich machen, sondern zwischen Stadt und Land. Zwar sind die Unterschiede zwischen Ballungsräumen und Regionen in Deutschland nicht so groß wie in den USA, Großbritannien und Frankreich. Doch zeigen sie deutlich, warum es auch uns gelegentlich schwerfällt, uns zu verstehen. Das geteilte Land II veröffentlichen wir im April.

– Bald werden Sie jeden Tag eine einfache Frage auf unserer Homepage finden: „Wie geht es Ihnen heute?“ – Was unsere 11 Millionen User darauf antworten, werden wir fortlaufend visualisieren. Wir sind gespannt, wie es uns bis zur Bundestagswahl geht.

Eine ganze Reihe weiterer Projekte wird versuchen, Deutschland sich selbst auf neue Weise näher zu bringen – in Kolumnen, Fotoessays und Dossiers. So startet heute unsere neue Serie Jung und konservativ, in der wir Menschen wie Diana Kinnert vorstellen, die die Ehe für alle will, Cannabis legalisieren möchte und trotz oder wegen ihrer Baseballkappe die CDU retten soll.

Wir haben noch etwas gelernt. Es wird nicht reichen, über Deutschland zu berichten. Wir müssen uns wieder miteinander ins Gespräch bringen. Nicht nur online, sondern auch persönlich, an echten Orten:

– Unser zweitägiges Festival Z2X für Menschen im Alter von 2X, also von 20 bis 29, findet nach dem großen Interesse im vergangenen Jahr wieder am ersten Septemberwochenende in Berlin statt. Bald kann man sich dafür bewerben – mit „einer Idee, das eigene Leben zu verbessern – oder die Welt“. Die Bewerbung startet Ende April. (So war es 2016.)

– Mit dem Ableger Z2X hoch 3 kommen wir an drei Abenden nach Leipzig, Stuttgart und Essen – am 21., 22. und 23. April. Die Bewerbung startet in wenigen Tagen.

– In einem neuen Projekt werden wir nicht gleichgesinnte 2x-jährige Weltverbesserer zusammenbringen, sondern Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, mit unterschiedlichen Meinungen zu Geflüchteten, Rente oder Bildung. An einem Tag, in ganz Deutschland. Zu einem echten Zwiegespräch. An Hunderten von Orten.

Was wir noch gelernt haben? Dass nichts kommt, wie erwartet. Wenn wir eines Morgens aufwachen und feststellen, dass die Welt sich wieder einmal fundamental geändert hat, werden wir auch unseren umfangreichen #D17-Themenplan anpassen.

Einige Antworten auf dieses unplanbare Jahr aber werden bleiben: erklären, vermessen, zusammenbringen, diskutieren. Die meisten Deutschen, so hoffen wir, interessieren sich für die Lebenswelten und Blickwinkel anderer. Sie wollen im Gespräch bleiben. Welch großartige Gelegenheit.

113 Kommentare

  1.   Knolli123

    Was denn, liebe Zeit online Redaktion?
    Gefällt euch das Feedback nicht?!
    Nach 70 Kommentaren keine Veröffentlichungen mehr?
    Klar, dürft ihr machen, ist ja euer Forum.aber wundert euch nicht über die Reaktion der Öffentlichkeit und über euer ansehen.

  2.   Der_alte_Dessauer

    Sie verdienen sich Ihren Respekt. Ein bisschen auch zurück.
    Neunundneunzig Prozent Freude! Ein Prozent Stirnrunzeln. Denn eines steht Ihnen nicht: dieses Werbesprech „Wir haben verstanden/gelernt.“ Damit verkaufen Leute Dinge, die sie meist nicht von ihren Nutzern und Lesern gelernt haben, aber von dem man das glauben soll. Ich glaube Ihnen aber dieses: Sie beginnen gerade zu verstehen, dass es da auch für erfahrende und kluge Journalisten etwas zu lernen gibt. Was es ist, wie schnell und gut Sie es lernen und ob überhaupt, das werden wir gemeinsam sehen. Ich werde es lesen. Für diesen Ausblick bekommen Sie einen Vertrauensvorschuss von mir. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er gerechtfertigt ist.

  3.   Kioto-Zeit

    Ein schönes und gutes Ziel. Ich hoffe, dass es nicht auch wieder in der Diskussionsstereotype erstarrt
    „Wir können über alles diskutieren, aber sie müssen halt einsehen, dass wir uns in der moralisch und ethisch überlegenen Position befinden und deshalb keine anderen Lösungen als die von uns vorgeschlagenen in Frage kommen“.

  4.   Jörg_aus_slovensko

    Warum hier im Speziellen nur die Leute mit einem Alter von 2X hofiert werden, bleibt das Geheimnis der Redaktion. Macht doch auch etwas für XX-Leute!

  5.   Edgar WLan

    Ich frage mich, was das Projekt außer vermeidbarer Kosten bringen soll?
    Wollen Sie die Leute auf diesen Außenveranstaltungen bekehren oder befragen?
    Ich habe sehr intensiv die Kommentarfunktion der ZON die letzten beiden Jahre analysiert. Ich habe nicht den Eindruck gewonnen es bestünde das Interesse irgendwelche Tatsachen zuzulassen, die nicht in das Weltbild der Zeit passen. Das hat sich erst in den letzten Tagen scheinbar geändert. Just als sich abzeichnete dass in Malta ein Kurswechsel vollzogen werden könnte. Jetzt eine Roadtour durchs Land zu machen um andere Meinungen aufzufangen, dass hätten Sie billiger haben können, indem Sie nicht alle kritischen Beiträge zensieren. Ich weiß wovon ich spreche, weder Focus auf dem einen Spektrum noch die TAZ für das andere haben so krass Nutzer gesperrt und nur einseitige Lobhuddeleien auf die Flüchtlingspolitik zugelassen. Ob das an der politischen Grundeinstellung der Mitarbeiter lag, ist für mich nicht abschließend klärbar. Aber wenn Sie nur Berliner Studenten als Löschtrupp anheuern oder gewerkschaftsnahe Personen als Administratoren, die alle kritischen Beiträge schon aus Eigeninteresse rausfiltern, dann brauchen Sie sich auch nicht zu wundern, wenn Sie bei der Vorhersage des Abstimmungsverhaltens daneben liegen, weil die Stimmung wegzensiert wurde.

  6.   Tobias2303

    Klingt gut. Ich bin gespannt und neugierig. Haben Sie auch analysiert, warum Journalisten das Gefühl für das halbe Land verloren haben? Verraten Sie uns und Ihren Kollegen auch Ihre Erkenntnisse?
    Ich bin neugierig auf Ihre Berichte über den Ausnahmezustand in Frankreich: Seit langer, langer Zeit herrscht in unserem Nachbarland und einem europäischen Kernstaat Ausnahmezustand und man hört nichts darüber. Ist es denn völlig unerheblich, wenn in einer Demokratie Grundrechte außer Kraft gesetzt werden? Man könnte ja fast glauben, Grundrechte würden allgemein überschätzt.
    Ich bin neugierig auf Berichte über die Auswirkungen der EU-Flächensubventionierung auf die nichtindustrielle, die bäuerliche, die ökologische Landwirtschaft, auf junge, engagierte Landwirte ohne Land und ohne Chance, jemals solches zu besitzen oder zu pachten, auf das Leben in den Dörfern, die sich mangels Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft immer stärker zu Schlafdörfern wandeln.
    Ich bin neugierig auf Ihre Recherchen über immer längere Schulwege auf dem Lande, Lehrermangel, Stundenausfall, Schultage, die für Kinder länger dauern als die Arbeitstage ihrer Eltern, über die Auswirkungen hinsichtlich Heimatlosigkeit, Schlafmangel, Gesundheit, Bildungsfähigkeit unserer Kinder.
    Ich bin neugierig auf Artikel über kinderreiche Familien, die nicht asozial, nicht rückwärtsgewandt sind, deren Eltern aber sich dennoch nicht in ständiger Verfügbarkeit für die Wirtschaft halten wollen, die sich mitunter selbst um die Erziehung ihrer Kinder kümmern wollen und deren erstes Anliegen daher nicht Kindergartenplätze, sondern steuerliche Gerechtigkeit und zeitliche Flexibilität ist.
    Ich freue mich auf Berichte, in denen zwischen konservativ und rechtsextrem diffenziert wird, in denen über den Wert von Gesprächen und Verständigung nicht nur mit Migranten, sondern auch mit den möglicherweise mit Pegida sympathisierenden Nachbarn und Kollegen geschrieben wird, in denen die inzwischen sichtbaren Gräben dieser Gesellschaft thematisiert werden ohne sie zu vergrößern, in denen die Verrohrung der Sprache von Politik und gesellschaftlichen Repräsentanten thematisiert und kritisiert wird.
    Ja, ich freue mich auf kritischen, differenzierenden, pluralen, toleranten und vor allem neugierigen, mutigen Journalismus außerhalb der ausgetretenen Meinungspfade. Schaffen Sie das? Wollen Sie das?
    Nur Mut, Kraft und Ausdauer – es lohnt sich bestimmt!

  7.   Goswin Seibicke

    Ich finde Ihr Unterfangen toll! Mir erscheint das Ganze zu kurzfristig auf die nächste Wahl zugeschnitten. Wo bleiben denn die Visionen für unser Land und seine Zukunft? Beispiel: Energieversorgung: Windkrsft und Solarenergie reichen hinten und vorne nicht für den riesigen Bedarf in Zukunft. (Autos, Heizung, …) Es ist sicher richtig aus der Urantechnologie auszusteigen, aber was ist mit dem Atommüll? Endlager sind Keine Lösung! Es gibt die erprobte Möglichkeit mit sicheren Doppelkreislaufkraftwerken die ganzen abgebrannten Brennstäbe wegzubrauchen (enstehende Reste sind nach 40Jahren strahlungsfrei) oder mit relativ kleinen Kraftwerken auf Thorium-Basis dezentral zu versorgen. ??? Praktisch ohne Atommüll. Die Technikfeindlichkeit in Deutschland ist das Hauptproblem für ein Ingenieurstudium! In USA werden in wenigen Jahren solche Kraftwerke laufen und wir haben dann wieder einmal den Anschluss verpasst wie bei der Digitalisierung.

  8.   Kasha Rubini

    Hat das schon jemand gefragt?

    Was bedeutet das Kürzel D17?

  9.   Kasha Rubini

    Interessant – ein gesiebtes Forum.

    Das also ist D17?

  10.   Ushikawa

    Wir haben gelernt, dass Journalisten das Gefühl für die Hälfte eines ganzen Landes verlieren können.
    ich hoffe das dieses Projekt nicht eine Kampagne für ein „weiter so“ wird, sondern
    das alle Positionen unabhängig, kritisch betrachtet werden.
    Das würde natürlich auch erfordern den Einfluss der „Atlantiker“ etwas zu beschneiden.
    Wenn es dann gelingt auch andere Positionen/Meinungen frei von Ressentiment
    zu betrachten und auch die Regierungsarbeit mit dem nötigen Abstand
    zu analysieren – dann, ja dann haben wir wieder eine Presse für die es sich auch lohnen würde wieder zu kämpfen. Denn so einen Presse wird sehr dringend gerade im Jahr der BTW gebraucht.

 

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