Die Französin Pénélope Bagieu hat mit einem Blogeintrag über die Tiefseefischerei einen kleinen Überraschungscoup gelandet: Mit einer wunderbaren Leichtigkeit erzählt sie in einem Comic, warum Tiefseefischerei ein lukratives Geschäft ist und was die EU zurzeit vorhat – und inzwischen haben mehr als 740.000 Menschen eine Online-Petition der französischen Umweltorganisation Bloom unterzeichnet, welche die französische Regierung, aber auch die EU-Politik dazu auffordert, in der Tiefsee das Fischen mit Grundschleppnetzen strenger zu regulieren.
Der Comic ist aktuell, weil am Dienstag das EU-Parlament über einen Vorschlag der EU-Kommission abstimmen soll. Er sieht vor, dass zukünftig in Wassertiefen von mehr als 600 Metern die zwei Fischereiarten verboten werden soll: die Grundschleppnetzfischerei und die Stellnetzfischerei. Die Regel soll in EU-Gewässern und in den internationalen Gewässern des Nordatlantiks gelten. Umweltschützer kritisieren beide Fangmethoden, vor allem die Schleppnetzfischerei, weil dabei der Meeresboden regelrecht einmal durchpflügt wird. Gerade die Tiefsee sei bislang kaum erforscht, über Fangarten wie den Schwarzen Degenfisch, Blauleng und Grenadierfisch sei kaum etwas bekannt. Die Fischarten dort werden erst sehr spät geschlechtsfähig und sehr alt.
„Das Ökosystem Tiefsee ist extrem verletzlich, bislang kaum erforscht, geschweige denn reguliert“, sagt Matthew Gianni von der Deep Sea Conservation Coalition in Amsterdam. Auch Wissenschaftler wie Rainer Froese vom Helmholtzzentrum für Ozeanforschung in Kiel sprechen sich gegen die Tiefseefischerei aus: Man wisse, dass einige Populationen bereits durch wenige Fangfahrten nahezu ausgerottet wurden, sagt der Fischereiexperte.
Nun also der erste Schritt: das Verbot von extrem umweltschädigenden Fangmethoden in den Tiefen des Meeres, das Fischen mit Langleinen soll erlaubt bleiben. Man könnte nun denken, das ginge eigentlich leicht über die Bühne. Schließlich kommt der Tiefseefischerei bislang kaum eine ökonomische Bedeutung zu. Wie die jüngsten Zahlen der EU-Kommission zeigen, gibt es kein Unternehmen, das ausschließlich Tiefseefischerei betreibt. Und es sind gerade einmal 14 Trawler, bei denen Tiefseefische mehr als zehn Prozent des Fangs ausmachen. Zum Vergleich: Aktuell sind in der EU rund 37.500 Fangschiffe registriert.
Auch wenn die Tiefseefischerei zurzeit also ein maritimes Nischendasein fristet, ist der Widerstand gegen strengere Regulierung groß, glaubt man den Umweltschutzorganisationen. „Gerade Spanien und Frankreich wehren sich heftig gegen eine strengere Regulierung“, sagt Gianni. Er glaubt, dass dahinter vor allem Industrieinteressen stecken. Die Fischereibranche fürchtet offenbar, dass das Verbot der Grundschleppnetze in der Tiefsee erst der Anfang ist und später ausgeweitet wird. Erst im Sommer hatte der britische EU-Parlamentarier Stuart Agnew das französische Fischereiunternehmen Scapêche beschuldigt, in der Tiefsee bedrohte Arten zu fischen – finanziert mit dem Geld europäischer Steuerzahler. Pikant: Scapêche gehört zu Intermarché, einer der bekanntesten Supermarktketten Frankreichs.
Verrückt ist, dass über ein prinzipielles Verbot der Tiefseefischerei gar nicht mehr nachgedacht wird. Dabei wäre das aus meiner Sicht das Naheliegendste: Wenn man nicht weiß, was dort unten los ist, sollte man doch erst einmal forschen, bevor man die Wirtschaft reinlässt, oder?
Update 11.12.2013: Am Dienstag sprach sich das EU-Parlament gegen das Verbot der Grundschleppnetz-Fischerei in der Tiefsee aus.