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Meer ohne Fisch

© VINCENZO PINTO/AFP/Getty Images
© VINCENZO PINTO/AFP/Getty Images

Christian Schmidt, unser Bundesagrarminister, hat die Latte hochgelegt. Auch wenn er’s etwas sperrig formuliert hat, an dieser Stelle will ich ihn einmal zitieren: „Eine nachhaltige Fischerei ist der beste Garant, die Fischbestände in den Weltmeeren als wichtige Nahrungsquelle der Menschheit und Lebensgrundlage der Fischer unter Wahrung der biologischen Vielfalt auch für kommende Generationen zu sichern“, sagt der CSU-Politiker.
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Track die Piratenfischer

Wo fischt welche Flotte? © Global Fishing Watch
Wo fischt welche Flotte? © Global Fishing Watch

Google hat eine, das lässt sich nicht leugnen, gewisse Expertise in der Datenaufbereitung und Kartenerstellung. Jetzt startet der Konzern zusammen mit der Meeresschutzorganisation Oceana und dem amerikanischen Umweltdatenspezialisten Skytruth das Projekt Global Fishing Watch. Die Idee ist so simpel wie genial. Jedes kommerzielle Schiff ist mit einem Automatic Identification System ausgestattet. Damit lässt sich jede Schiffsbewegung verfolgen, wenn denn das Gerät eingeschaltet ist (Als AIS eingeführt wurde, war die Idee eigentlich, damit die Zahl der Schiffskollisionen zu reduzieren). Warum sich nicht einfach Fischereischiffe einmal separat anzeigen lassen, ist die Idee von Global Fishing Watch. Das kleine Video erklärt das ganz anschaulich.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=fn2JXmCUo30&w=560&h=315]

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Offshore-Windparks könnten Fischfarmen werden

Offshore-Windpark, Copyright: RWE
Offshore-Windpark, Copyright: RWE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bela Buck nennt es das „Billy-Prinzip“, angelehnt an den Regale-Renner von Ikea. Buck will im großen Stil Steinbutte in Aquakultur züchten – und zwar in Käfigen. Weil aber der Plattfisch nun mal gerne am Boden liegt und nur zum Fressen sein Plätzchen verlässt, braucht man ein spezielles Käfigdesign. Am besten könnte man die Steinbutte in Etagenkäfigen unterbringen, glaubt Buck. Gestapelter Steinbutt aus der Nordsee sozusagen.

Buck denkt unkonventionell – und wirbelt damit gerade die Fischzucht in Deutschland auf. Der Wissenschaftler arbeitet am Alfred-Wegner-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und will mit vielem Althergebrachten aufräumen. Weiter„Offshore-Windparks könnten Fischfarmen werden“

 

EU will Tiefseefischerei strenger regeln

Die Französin Pénélope Bagieu hat mit einem Blogeintrag über die Tiefseefischerei einen kleinen Überraschungscoup gelandet: Mit einer wunderbaren Leichtigkeit erzählt sie in einem Comic, warum Tiefseefischerei ein lukratives Geschäft ist und was die EU zurzeit vorhat – und inzwischen haben mehr als 740.000 Menschen eine Online-Petition der französischen Umweltorganisation Bloom unterzeichnet, welche die französische Regierung, aber auch die EU-Politik dazu auffordert, in der Tiefsee das Fischen mit Grundschleppnetzen strenger zu regulieren.

Der Comic ist aktuell, weil am Dienstag das EU-Parlament über einen Vorschlag der EU-Kommission abstimmen soll. Er sieht vor, dass zukünftig in Wassertiefen von mehr als 600 Metern die zwei Fischereiarten verboten werden soll: die Grundschleppnetzfischerei und die Stellnetzfischerei. Die Regel soll in EU-Gewässern und in den internationalen Gewässern des Nordatlantiks gelten. Umweltschützer kritisieren beide Fangmethoden, vor allem die Schleppnetzfischerei, weil dabei der Meeresboden regelrecht einmal durchpflügt wird. Gerade die Tiefsee sei bislang kaum erforscht, über Fangarten wie den Schwarzen Degenfisch, Blauleng und Grenadierfisch sei kaum etwas bekannt. Die Fischarten dort werden erst sehr spät geschlechtsfähig und sehr alt.

„Das Ökosystem Tiefsee ist extrem verletzlich, bislang kaum erforscht, geschweige denn reguliert“, sagt Matthew Gianni von der Deep Sea Conservation Coalition in Amsterdam. Auch Wissenschaftler wie Rainer Froese vom Helmholtzzentrum für Ozeanforschung in Kiel sprechen sich gegen die Tiefseefischerei aus: Man wisse, dass einige Populationen bereits durch wenige Fangfahrten nahezu ausgerottet wurden, sagt der Fischereiexperte.

Nun also der erste Schritt: das Verbot von extrem umweltschädigenden Fangmethoden in den Tiefen des Meeres, das Fischen mit Langleinen soll erlaubt bleiben. Man könnte nun denken, das ginge eigentlich leicht über die Bühne. Schließlich kommt der Tiefseefischerei bislang kaum eine ökonomische Bedeutung zu. Wie die jüngsten Zahlen der EU-Kommission zeigen, gibt es kein Unternehmen, das ausschließlich Tiefseefischerei betreibt. Und es sind gerade einmal 14 Trawler, bei denen Tiefseefische mehr als zehn Prozent des Fangs ausmachen. Zum Vergleich: Aktuell sind in der EU rund 37.500 Fangschiffe registriert.

Auch wenn die Tiefseefischerei zurzeit also ein maritimes Nischendasein fristet, ist der Widerstand gegen strengere Regulierung groß, glaubt man den Umweltschutzorganisationen. „Gerade Spanien und Frankreich wehren sich heftig gegen eine strengere Regulierung“, sagt Gianni. Er glaubt, dass dahinter vor allem Industrieinteressen stecken. Die Fischereibranche fürchtet offenbar, dass das Verbot der Grundschleppnetze in der Tiefsee erst der Anfang ist und später ausgeweitet wird. Erst im Sommer hatte der britische EU-Parlamentarier Stuart Agnew das französische Fischereiunternehmen Scapêche beschuldigt, in der Tiefsee bedrohte Arten zu fischen – finanziert mit dem Geld europäischer Steuerzahler. Pikant: Scapêche gehört zu Intermarché, einer der bekanntesten Supermarktketten Frankreichs.

Verrückt ist, dass über ein prinzipielles Verbot der Tiefseefischerei gar nicht mehr nachgedacht wird. Dabei wäre das aus meiner Sicht das Naheliegendste: Wenn man nicht weiß, was dort unten los ist, sollte man doch erst einmal forschen, bevor man die Wirtschaft reinlässt, oder?

Update 11.12.2013: Am Dienstag sprach sich das EU-Parlament gegen das Verbot der Grundschleppnetz-Fischerei in der Tiefsee aus.

 

Plastisphäre, das neue, gefährliche Ökosystem

Wer gerade seinen Sommerurlaub am Meer verbringt, der stößt immer wieder auf angeschwemmte Plastikfolien, alte Plastikflaschen und anderen Kunststoffmüll. Die Weltmeere sind voller Unrat, doch am häufigsten sind es Plastikteile, die das Wasser verschmutzen.

Wer ein Plastikstück unter das Mikroskop legt, der entdeckt, dass darauf viele Algen und Bakterien leben. Kleine Organismen, die das Plastik als eine Art „mikrobisches Riff“ nutzen. So beschrieben es Wissenschaftler jüngst in der Fachzeitschrift American Chemical Society. Für sie ist der schwimmende Plastikmüll, der von Organismen besiedelt ist, sogar ein neues marines Ökosystem. Der Name des Systems: Plastisphäre. Weiter„Plastisphäre, das neue, gefährliche Ökosystem“

 

Das millionenschwere Geschäft der Piratenfischer

Update Montag, 17.12.2012: Das Unternehmen Doggerbank hat sich heute bei mir gemeldet. Es besteht auf der Feststellung, dass eine illegale Fischerei nicht stattgefunden habe. Hier deren Schreiben:

 Die „Maartje Theodora“ wurde am Dienstag Abend (11. Dezember 2012) während ihrer Fangfahrt routinemäßig von der französischen Küstenwache kontrolliert und danach in den Hafen von Cherbourg beordert, wo das Schiff am Morgen des 12. Dezember 2012 ankam. Seitdem wird die „Maartje Theodora“ dort von den Behörden festgehalten.

·         Am Bord des Schiffes befanden sich gefangene Makrelen, Stachelmakrele und Heringe. Alle Fische wurde im Rahmen der dem Schiff zugeordneten Fangquoten gefangen. Das Schiff und der Schiffseigner besitzen ausreichende Quoten für die gefangenen Fische. Eine illegale Fischerei hat somit nicht stattgefunden.

·         Es ist üblich, dass diese Schiffe mehr als eine Spezies im Rahmen einer einzelnen Fangfahrt fischen. Jede Fangfahrt dauert zwischen vier und sechs Wochen.

·         Die Fangfahrt begann in den Gewässern westlich der Shetland-Inseln mit dem Fang von Makrelen. Die europäische Gesetzgebung verlangt dafür eine Maschengröße zwischen 55 und 69 Milimeter. Die „Maartje Theodora“ hat eine Maschengröße von 58 Milimeter benutzt, die sich im Rahmen der erlaubten Größenordnung befindet.

·         Im weiteren Verlauf der Fahrt hat das Schiff Holzmakrelen westlich von Irland gefangen. Die europäische Gesetzgebung verlangt dafür eine Maschengröße zwischen 32 und 54 Milimeter. Die „Maartje Theodora“ hat eine Maschengröße von 52 Milimetern benutzt, die sich im Rahmen der erlaubten Größenordnung befindet. Allerdings hat der Kapitän des Schiffes irrtümlicherweise statt „52 Milimeter“ „55 Milimeter“ in das elektronische Logbuch eingetragen und damit einen administrativen Fehler begangen. Diese Daten wurden automatisch an die Fischereibehörden in Deutschland übermittelt.

·         Einige Tage danach hat die „Maartje Theodora“ schließlich Heringe im Englischen Kanal gefangen. Die europäische Gesetzgebung verlangt dafür eine Maschengröße zwischen 32 und 54 Milimeter. Die „Maartje Theodora“ hat eine Maschengröße von 45 Milimetern benutzt, die sich im Rahmen der erlaubten Größenordnung befindet.

·        Alle Behörden wurden ordnungsgemäß über die gefangenen Mengen Fisch, deren Zusammensetzung sowie über das Fanggebiet und die eingesetzten Netze unterrichtet. Alle sich an Bord befindlichen Fischarten haben das erforderliche Mindesmaß und es wurden zu keinem Zeitpunkt zu kleine oder unzulässige Maschenöffnungen verwenden.

Über die Doggerbank-Gruppe
Die Doggerbank-Gruppe besteht aus dem Mutterunternehmen, der Doggerbank-Seefischerei GmbH mit Sitz in Bremerhaven, seinen Tochterreedereien mit Sitz in Rostock und der Euro-Baltic Fisch Verarbeitungs GmbH auf Rügen, einer der modernsten Fischverarbeitungsanlagen der Welt. Insgesamt arbeiten ca. 700 Menschen für die Doggerbank-Gruppe in Deutschland.

Und hier mein Blogeintrag vom Freitag, 14.12.2012:

Es klingt nach einer kleinen Räuberpistole, die am Donnerstag vor der Küste der französischen Bretagne passierte. Nach Informationen der Nachrichtenagentur afp hat die französische Polizei dort einen der weltgrößten Fischtrawler gestoppt.

Der Vorwurf: Die „Maartje Theadora“ habe illegal gefischt. Statt die Netze nach Makrelen auszuwerfen, sei sie irgendwann auf Stachelmakrele umgestiegen – ohne das den Behörden zu melden. Um noch mehr Fang zu ergattern, habe sie zwei Fangnetze zusammengelegt.

Das mag alles irgendwie kleinklein klingen, relativiert sich aber, wenn man sich die Zahlen anschaut. 4.000 Tonnen Fisch hatte die „Maartje“ an Bord. Fast die Hälfte davon soll illegal gefangen sein, so der Vorwurf. Es wäre der bisher schwerste Verstoß gegen Fischereirecht in Frankreich – und das durch eine deutsche Reederei, durch Doggerbank Seefischerei aus Rostock (die wiederum zum niederländischen Fischkonzern Parlevliet gehört).

In dem Fall geht es um richtig viel Geld: Der Fang sei geschätzt mindestens zwei Millionen Euro wert. Der Reederei droht ein Bußgeld von 22.500 Euro sowie die Beschlagnahmung des Fangs.

Die Reederei weist die Vorwürfe zurück, hält sich aber in der Erklärung offenbar ein Hintertürchen offen: Der Reederei lägen „derzeit keine Anzeichen für eine signifikante Verletzung des Fischereirechts“ vor. Vielmehr sei die Größe der Maschen fehlerhaft ins Logbuch eingetragen worden.

Der Vorfall rückt endlich mal wieder das Thema Überfischung in den Fokus. Es sind riesige, schwimmende Fischfabriken, die dort draußen auf den Meeren unterwegs sind – und eben offenbar nicht immer die Rechtsvorschriften einhalten (Greenpeace führt übrigens eine Datenbank zum Thema Piratenfischerei).

Wie der Fangwert zeigt, ist es schnell ein lukratives Millionengeschäft – von dem der Fischkonsument in der Regel kaum etwas ahnt. Daher ist es jetzt umso wichtiger, dass die Vorwürfe schnell aufgeklärt werden – und harte Strafen im Ernsthaft verhängt werden. 22.500 Euro Strafe klingen da meiner Ansicht ganz schön lächerlich.

 

 

Kennzeichnung von Fisch: von wegen Frischfisch

© Peter Parks /AFP/GettyImages
© Peter Parks /AFP/GettyImages

Das EU-Parlament hat vergangene Woche einen wichtigen Schritt für mehr Transparenz beim Fischkauf getan –  aber sorry: So richtig reicht das nicht aus. Am Freitag verabschiedete das Parlament in erster Lesung den Stevenson-Bericht. Er ist ein kompliziertes Dokument, es geht um die Organisation der Märkte, die Förderung von regionalen Erzeugergenossenschaften und und und. Aber er enthält auch einen Abschnitt über die bessere Kennzeichnung von Fischereiprodukten.

Der zuständige Berichterstatter, der Schotte Struan Stevenson, schwärmte vergangene Woche, dass zukünftig auf jeder Fischpackung stehen werde, wo der Fisch gefangen wurde und wann er angelandet wurde:

„Consumers will also benefit from new requirements that will require producers to provide enhanced information on their product labels, such as date-of-landing for fresh fish products.“

Nun gibt es aber in der Fischereiwelt zwei unterschiedliche Zeitrechnungen. Es gibt das Fangdatum und es gibt das Anlandedatum. Die beiden können manchmal um Wochen auseinanderliegen. Große Trawler fahren ja nicht jeden Abend wieder zurück in den Hafen und landen ihren Fang an, sondern verbringen manchmal Wochen auf See. Sie frieren den Fisch ein und bringen ihn erst später an Land.

Wann der Fisch nun tatsächlich aus dem Meer gezogen wurde, das erfährt der Verbraucher auch zukünftig nicht. Dass das Anladedatum und nicht das Fangdatum verpflichtend auf der Packung stehen soll, ist wohl eine entscheidende Bedingung, damit der Ministerrat dem Gesetzesentwurf zustimmen wird. (Freiwillig dürfen Unternehmen allerdings natürlich das Fangdatum angeben.) Verarbeitete Produkte wie Thunfisch in Dosen sind von den Kennzeichungspflichten übrigens ausgenommen. Hier erfährt der Käufer auch zukünftig noch nicht einmal das Fanggebiet.

Zwei Anmerkungen noch dazu:

1. Nach Informationen der Grünen-Fraktion im EU-Parlament zahlt die EU Subventionen, damit Fisch nach der Anladung gelagert werden kann, wenn der Marktpreis zu niedrig ist und einen bestimmten Schwellenpreis unterschreitet. Eine solche klassische Marktintervention ist natürlich total absurd, weil eine solche Zahlung das Preissignal komplett aushebelt. Da lohnt es sich, einmal nachzuhaken.

2. Ab wann ist eigentlich der Konsument überfordert von zu vielen Informationen? Auf dem zukünftigen Label soll das besagte Anlandedatum stehen, das Fanggebiet, die Fangart und der Flaggenstaat des Schiffes. Aber wer kann diese Informationen wirklich richtig einordnen und bewerten? Sollte ich einen Fisch kaufen, der von Fischern auf einem Schiff gefangen wurde, das in Ecuador registriert wurde, um Steuern und Sozialabgaben zu sparen? Hilft das dem Konsumenten in irgendeinerweise? Ich bezweifele das.

 

 

Indien macht´s vor: So gelingt besserer Waldschutz

Was haben Fische und Bäume gemeinsam? Mhh, auf den ersten Blick erst einmal wenig, oder? Wenn man sich aber mit Jean-Marie Baland, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der belgischen Universität Namur, unterhält, wird vieles klarer. Wirtschaftswissenschaftler vergleichen Fischbestände und Wälder gern miteinander, weil es sich bei beiden um erneuerbare Ressourcen handelt. Und weil beide gern geplündert werden, wenn man freien Zugang gewährt. Die Folgen sind Überfischung und Raubbau.

Auf einer Fachkonferenz der Universität Kiel, die sich eigentlich mit nachhaltiger Fischerei beschäftigte, hat Baland jetzt eine interessante Studie zum Thema Natur- und Klimaschutz und Waldmanagement vorgestellt. Mehrere Jahre lang hat er kleine Dörfer mitten im Himalaya in Indien und Nepal untersucht, eine Langzeitstudie angefertigt. In beiden Ländern ist Raubbau in den sensiblen Wäldern des Himalayas ein großes Problem. Hier geht es nicht um riesige Planierraupen, die Wälder plattmachen. Sondern um den alltäglichen Brennholzbedarf der lokalen Bevölkerung.

Copyright: Jean-Marie Baland
Copyright: Jean-Marie Baland

Das Holzsammeln hat über die vergangenen Jahre dazu geführt, dass die Bäume in den untersuchten Regionen inzwischen aussehen wie gerupfte Hühnerbeine: In den unteren Bereichen sind sämtliche Äste abgeschlagen, nur oben kann sich noch ein einsames Laubbüschel halten. Das hat Folgen für Natur und Klima: Geschwächte Bäume können schlechter Erde halten, Erosion droht, Erdrutsche und Lawinen.

Immer wieder hat Baland in der Region die Anwohner befragt und die Qualität der umliegenden Wälder untersucht. Wie oft gehen sie Holzholen, wie entwickeln sich Baumkronen? Spannend ist: Die reine Anzahl der Bäume ist insgesamt  gar nicht so schlecht. Aber sie sind in einem verheerenden Zustand, wachsen verkrüppelt, sind schlecht verwurzelt: short run overexploitation nennt Baland das. Die Menschen brauchen das Feuerholz fürs Kochen und Heizen, immer tiefer dringen sie in die Wälder ein und schlagen Äste ab. Immer länger sind sie unterwegs. Für ein Bündel Holz waren es vor 25 Jahren noch etwas mehr als zwei Stunden, jetzt sind es schon knapp vier Stunden.

Was also tun? Glaubt man dem Belgier, gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann entweder den Bedarf verändern. Wenn die Menschen dort mit Gas kochen und heizen würden, könnte das bis zu ein Fünftel der benötigten Holzmenge ersetzen, hat Baland errechnet.

Oder: Man führt lokale Besitzrechte ein (auch ein beliebtes Instrument in der Fischerei). In Indien hat man das schon vor Jahrzehnten mit den sogenannten Van Panchayats gemacht. Das ist eine Art lokale Selbstverwaltung, die ihre Ursprünge noch in den Zeiten der britischen Kolonialisierung hat.

In dem indischen Bundesstaat Uttarankhand hatten 45 von 83 untersuchten Dörfern ein lokales Forstgremium. Es ist eine freiwillige Institution der Menschen vor Ort. Wer mitmacht, bekommt das exklusive Recht, in dem Wald Holz für den Eigenbedarf zu sammeln. Und der Besitz scheint sich positiv auszuwirken: Insgesamt ist der Zustand der Wälder in den Van Panchayats viel besser als in den staatlichen Forsten. Diese werden zwar auch gemanaged, aber zu viel höheren Kosten: eine teure, zentrale Verwaltung muss ja unterhalten werden.

Baland betont, dass es einen engen Zusammenhang gibt zwischen dem Zustand der Wälder und dem Einkommen der Bevölkerung:

„Pressure on the resource will increase due to increases in income and in the number of households in the villages.“

Wer reicher wird, der upgraded eben auch seine Lebensgewohnheiten. Statt einer warmen Mahlzeit gibt es dann zwei, mehr Feuerholz ist nötig. Die Herausforderung ist, dieses Wachstum auch lokal möglichst umwelt- und ressourcenschonend hinzubekommen. Wie das möglich ist, zeigen die Erfahrungen mit den Van Panchayats in Indien.

 

 

Chinas Problem mit der Chemiekeule

Copyright: Philippe Huguen/AFP/GettyImages
Copyright: Philippe Huguen/AFP/GettyImages

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) veröffentlicht ja manchmal wirkliche Perlen. Diesmal ist es der Global Chemical Outlook, der die Folgen des weltweiten Chemikalieneinsatzes untersucht. Die UNEP warnt davor, dass immer deutlicher werde, wie sehr Wirtschaftswachstum und Chemieeinsatz korrelieren: Je stärker die Wirtschaft wachse, desto schneller und unkontrollierter werde zur Spritzpistole gegriffen. Das Problem: Bislang ist viel zu wenig über die möglichen Risiken für Mensch und Natur bekannt.

„Communities worldwide – particularly those in emerging and developing countries – are increasingly dependent on chemical products, from fertilizers and petrochemicals to electronics and plastics, for economic development and improving livelihoods,“ said UN Under-Secretary General and UNEP Executive Director, Achim Steiner.

„But the gains that chemicals can provide must not come at the expense of human health and the environment. Pollution and disease related to the unsustainable use, production and disposal of chemicals can, in fact, hinder progress towards key development targets by affecting water supplies, food security, well-being or worker productivity.“

Dem Report zufolge (nach UNEP-Einschätzung übrigens die erste umfassende Bewertung überhaupt) sind aktuell 140.000 verschiedene Chemikalien weltweit auf dem Markt. Nur ein Bruchteil von ihnen ist bislang einer umfassenden Risikobewertung unterzogen worden.

Dabei wird der Einsatz von Chemikalien, gerade in der Landwirtschaft, laut UNEP in den kommenden Jahren rasant steigen. Gerade die hohen Raten Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern sind offenbar ohne stärkeren Chemieeinsatz kaum zu haben.

Welche Folgen das haben kann, zeigt ein Blick nach China.  Zwischen 2000 und 2010 wuchs dort die Chemikalienproduktion jährlich um etwa 24 Prozent – im gleichen Zeitraum waren es in Deutschland dagegen nur fünf bis acht Prozent. 42 Prozent der weltweiten Textilchemikalien-Produktion werden in China verwertet – so viel, wie nirgendwo anders.

Das hat Greenpeace zum Anlass genommen, einmal die chinesische Textilindustrie zu durchleuchten und in der Detox-Kampagne eine Produktion ohne gefährliche Chemikalien zu fordern. Noch immer ist es ja so, dass der Einsatz der Chemikalien in China relativ unkontrolliert passieren kann.

So ist etwa Nonylphenol in der EU verboten, in China ist der Einsatz laut Greenpeace nicht geregelt, es wird als Tensid in Waschmitteln genutzt. Am Ende wirken sich solche Textilchemikalien auf Mensch und Natur aus: Schwermetalle und organische Chemikalien werden nur langsam abgebaut und landen in der Nahrungskette. UNEP zitiert in dem Report eine Studie, welche die Schäden des Chemieeinsatzes auf die chinesische Fischerei auf allein 634 Millionen US-Dollar schätzt. Und zwar jährlich.

Was also tun? Die Detox-Kampagne und das öffentliche Anprangern von Greenpeace sind ein Weg: Große Modemarken wie Nike, Adidas und H&M haben zugesagt, bis 2020 auf gefährliche Chemikalien in der Textilproduktion zu verzichten.

Die UNEP setzt vor allem auf einen besseren regulatorischen Rahmen. Es müssen Umweltgesetze her, Behörden sollten sich besser vernetzen, Verantwortungen zwischen staatlichen Institutionen, Herstellern und Konsumenten müssten besser geklärt werden. Gerade Entwicklungsländer sollten auf Prävention setzen, den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft reduzieren und lieber sichere Alternativen bewerben statt am Ende teuer Umweltschäden zu beseitigen. Dass das alles kostet, weiß auch Steiner von der UNEP:

„To harness the economic benefits of sound chemicals management, closer cooperation and better planning is required between government ministries, public and private sectors, and others in the chemicals supply chain. This requires broad and ambitious efforts, underpinned by strategic financing.“