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Fischer wehren sich gegen Missbrauch bei Ökostrom-Vergütung

Fischtreppen sind ja eigentlich eine feine Sache. Sie ermöglichen Flussfischen einen Umweg um ein Wasserkraftwerk, damit sie am Ende nicht in der Turbine geschreddert werden oder ihnen der Weg versperrt ist.

Auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschäftigt sich mit solchen Dingen. Wer nämlich ein Wasserkraftwerk betreibt, der kann eine höhere Vergütung für jede produzierte Kilowattstunde Ökostrom geltend machen, wenn er „Maßnahmen zur ökologischen Verbesserung“ einbaut. Und das können eben zum Beispiel Fischtreppen sein. Ein lukratives Grünes Geschäft für beide Seiten, möchte man meinen: für die Natur und den Wasserstromlieferanten, der einen Ökobonus kassiert.

In Bayern ist das Thema besonders relevant, schließlich hat kein anderes Bundesland mehr Wasserkraftwerke (rund 4.250 Anlagen). Der Landesfischereiverband in Bayern hat jetzt die ersten Missbrauchsfälle mit dem Ökobonus aufgedeckt. Denn offenbar gibt es Umweltgutachter, die allzu leichtfertig die „ökologische Verbesserung“ attestieren.

Ein wirklich dreister Fall ist etwa ein Plastikrohr von zehn (!) Zentimetern Durchmesser an einem kleinen Wasserkraftwerk am Senkelbach in Augsburg. Eigentlich soll es helfen, dass Fische an der Turbine vorbei vom Staubecken oben ins Unterwasser gelangen können. Doch das Rohr ist natürlich viel zu klein, schwer auffindbar und nichts für große Fische. Und es endet auch noch zwei Meter über dem Becken. „Nicht funktionsfähig“ attestiert Johannes Schnell vom Landesfischereiverband. Ein Umweltgutachter sah das anders und attestierte „ökologische Verbesserung“.

Für den Betreiber hat sich das Plastikrohr gelohnt. Dank des Gutachtens erhält er neben der Grundvergütung von 7,67 Cent nun auch vier Cent Ökobonus für jede Kilowattstunde. Geht man davon aus, dass die Anlage rund 1,8 Millionen Kilowattstunden  im Jahr produziert und die Vergütung 20 Jahre gewährt wird, dann, schätzt Schnell, erhält der Betreiber durch das Plastikrohr einen Mehrerlös von 826.000 Euro insgesamt.

Das sind Summen, die inzwischen dazu führen, dass sogar Netzbetreiber gegen die Gutachten klagen. So etwa die  Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom aus Halle/Saale. In fünf Fällen wehrte sie sich gegen leichtfertig ausgestellte Umweltgutachten, jedes Mal bekam sie vor Gericht beziehungsweise einer Clearingstelle Recht.

Glaubt man Fischfreund Schnell, dann ist die Anlage in Senkelbach zwar ein Negativrekord.

„Aber es gibt den begründeten Verdacht, dass es hier einen systematischen Missbrauch gibt.“

Eine Gesamtübersicht der Missbrauchsfälle gibt es bislang nicht. In einem Leitfaden listet der Verband aber einige weitere Fälle auf. Die auf 20 Jahre hochgerechneten Erlössteigerungen durch die Gutachten schwanken nach Kraftwerk zwischen rund 34.000 Euro und mehreren Millionen Euro. Und das sind wohlgemerkt Gelder, die am Ende alle Stromkunden per EEG-Umlage zahlen.

„Seitens der Wasserkraftbranche waren bisher keine Bestrebungen zu erkennen, fragwürdige Fälle oder offensichtlichen Missbrauch beim EEG branchenintern zu überprüfen oder zu korrigieren“, so Schnell.

Interessant sind vor allem die volkswirtschaftlichen Dimensionen des Problems. Denn der Ökobonus ist gerade für  Wasserkraftanlagen mit einer geringen Leistung attraktiv. Wer ein kleines Kraftwerk betreibt, der kann die Vergütung um fast 50 Prozent steigern. Dabei liefern diese kleinen Anlagen  nur acht Prozent der bayrischen Wasserstromproduktionen.

 

Thunfisch, geangelt mit Samthandschuhen

Fischer mit Handangeln, Copyright: Naturland
Fischer mit Handangeln, Copyright: Naturland

Manchmal kommt man ja in der Küche um die Dose Thunfisch nicht drumherum. Schaut man sich die Packungen an, dann ist da viel von „delfinfreundlichem Fang“ die Rede. Das heißt aber noch lange nicht, dass er wirklich auch aus einem intakten Bestand stammt und man mit seinem Kauf nicht zur Überfischung beigetragen hat.

Immer mehr Anbieter bringen daher Thunfisch mit einem Ökosiegel auf dem Markt. Die wichtigsten Zertifizierer hierzulande sind das Marine Steward Council (MSC) und Naturland. Sie garantieren Fischkonsum mit gutem Gewissen. Bei Naturland spielen, im Unterschied zu MSC, auch soziale Kriterien wie Krankenversorgung für die Fischer und Schulausbildung für deren Kinder eine Rolle.

Ein Bio-Fischanbieter arbeitet mit etwa mit einer Thunfisch-Fischerei auf den Malediven zusammen. Es ist wohl die ineffizienteste, dafür aber umweltverträglichste Fischerei überhaupt: Die Fischer angeln den Thunfisch einzeln mit Bambusangeln. Beifangprobleme? Unbekannt.

Der Inselstaat hat sich in den vergangenen Jahren auf Leinenfang spezialisiert. Mehr als 570 traditionelle maledivische Boote, die Dhonis, sind dort unterwegs. Die Fische werden vor Ort verarbeitet, das stärkt die heimische Wirtschaft.

Umweltverbände wie Greenpeace unterstützen solche Initiativen.  „Wir favorisieren die Angelruten-Fischerei“, sagte mir Greenpeace-Experte Thilo Maack in einem Gespräch, „sie ist eine der selektivsten und damit umweltverträglichsten Fischereien überhaupt.“

Auch das Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung findet Angelroutenfischerei gut, betont allerdings, dass sie nicht per se die beste Methode sei. „Leinenfischerei ist gut, aber reicht nicht aus“, sagt Rainer Froese, Meeresbiologe am Helmholtz-Zentrum. „Auch wenn man den letzten Fisch mit Samthandschuhen fängt – es bleibt der letzte Fisch.“

Wichtig ist also nicht nur die Fangmethode, sondern auch, wie es dem Bestand geht. Für die Malediven sieht das ganz gut aus. Nach Einschätzung des jüngsten Berichts der Indian Ocean Tuna Commission ist der Bestand des Skipjack-Thunfisches vor den Malediven groß genug und nicht zu hart befischt.

 

 

EU-Kommission will Tiefseefischerei verbieten

Schwarzer Degenfisch ist ein beliebter Tiefseefisch in Südeuropa. © Lutter/WWF
Schwarzer Degenfisch ist ein beliebter Tiefseefisch in Südeuropa. © Lutter/WWF

Man man man, Maria Damanaki ist ehrgeizig. Die EU-Fischereikommissarin will im Nordostatlanik ein Fischereiverbot für die Tiefsee durchsetzen. In einem Vorschlag zur Neuregelung der Tiefseefischerei fordert sie ein komplettes Verbot für Grundschleppnetze und Stellnetze ab 1000 Metern, für manche Fischereien in der Region sogar schon ab 500 Meter. Den Fischern will sie eine Übergangsfrist von zwei Jahren gewähren.

Chapeau, sagen selbst die Umweltschützer – die oft ja vieles an der EU-Kommission zu bekritteln haben. Sie sorgen sich seit Jahren um das sensible und bislang kaum erforschte Ökosystem in der Meerestiefe. De facto wird der Meeresboden mit Grundschleppnetzen einmal umgefräst. Stephan Lutter vom WWF:

„Der Kommissionsvorschlag kann die Fischerei revolutionieren, indem er die destruktivste aller Fischereimethoden in der sensiblen Tiefsee abschafft. Das wäre ein echter Durchbruch für den Schutz der Meeresumwelt und ein Vorbild für die weltweite Fischerei.“

Der Vorschlag der EU-Kommissarin ist revolutionär, weil es bislang kein umfassendes Verbot für die Tiefseefischerei in der Region gibt, sondern nur einen Flickenteppich an Schutzgebieten. Umweltschützer müssen um jedes Gebiet, in dem strengere Standards herrschen sollen, oftmals jahrelang Kämpfe ausfechten.

So vielleicht auch in diesem Fall. Jüngst grätschte der ehemalige französische Landwirtschaftsminister und aktuelle Binnenmarktskommissar Michel Barnier seiner Amtskollegin in die Beine und stoppte ihr Vorhaben zwischenzeitlich. Seine Motive sind offensichtlich: Er sorgt sich vor allem um das Geschäft der französischen Supermarktkette Intermarche. Der Konzern besitzt mehrere Trawler, die gerade in der Tiefsee fischen. Kaum überraschend, dass Barnier bereits Klientelpolitik vorgeworfen wird.

Das wird umso deutlicher, wenn man sich ein aktuelles Q&A der EU-Kommissarin anschaut. Darin bewertet sie die wirtschaftliche Bedeutung der Tiefseefischerei. Demnach machen Tiefseefische wie der Granatbarsch oder der Schwarze Degenfisch gerade einmal ein Prozent der gesamten Anlandungen aus der Region Nordostatlanik aus. Auch die Jobs sind, wenn man das große Bild vor Augen hat, aus Sicht der EU-Kommission vernachlässigbar:

“ The Commission believes that the overall economic importance of deep-sea catches is small.“

Ob Damanaki sich allerdings gegen die Fischereinationen Spanien, Portugal und Frankreich durchsetzen kann, ist unklar. Umweltschützer hoffen jetzt auf eine breite Unterstützung im EU-Parlament.

 

 

 

 

UN-Umweltorganisation empfiehlt tatsächlich Tiefsee-Bohrungen

Ich muss gestehen: Ich ahnte nichts Böses. Die Pressemitteilung der Umweltschutzorganisation der Vereinten Nationen (Unep) klingt ja wirklich ganz passend für mein Blog: „Green Investments in the Marine Sector Can Bring a Tide of Economic and Social Benefits„, oder?

40 Prozent der Weltbevölkerung leben demnach maximal 100 Kilometer vom Meer entfernt. Die Ozeane bilden für sie, gerade in ärmeren Ländern und den kleinen Inselstaaten, die Lebensgrundlage.

Doch immer öfter ist diese in Gefahr. Jetzt geht es nicht nur um die Klassiker, um Überfischung und Übersäuerung der Weltmeere. Sondern auch um zerstörte Mangrovenwälder und Korallenriffe. Die Studie Green Economy in a Blue World will daher zeigen, wie sich beides verbinden lässt: Meeresschutz und grünes Wachstum.

„Oceans are a key pillar for many countries in their development and fight to tackle poverty, but the wide range of ecosystem services, including food security and climate regulation, provided by marine and coastal environments are today under unprecedented pressure“, said UN Under-Secretary-General and UNEP Executive Director Achim Steiner. „Stepping up green investments in marine and coastal resources and enhancing international co-operation in managing these trans-boundary ecosystems are essential if a transition to low-carbon, resource efficient Green Economy is to be realized.“

Sechs Wirtschaftssektoren schlagen die Autoren vor, um grünes Wachstum anzukurbeln, darunter ökologische Aquakulturen (naa, schon ein bisschen pikant), der Ausbau erneuerbarer Energien und grüner Tourismus an der Küste.

Stutzig machte mich allerdings der letzte Punkt: „Deep See Minerals“. Die Unep empfiehlt die Ausbeutung der Tiefsee, um gerade Entwicklungsländern die Chance zu geben, ihre Wachstumsziele zu erreichen. In der Pressemitteilung wird Peter Prokosch zitiert, der ehemalige WWF-Geschäftsführer in Deutschland und heutige Leiter der Umweltdatenbank des Unep:

„Mining of minerals in the deep-sea provides a unique opportunity for developing countries towards reaching their development goals. Operating in a largely unknown natural environment, it may put additional pressure on already stressed marine ecosystems. However, it can relieve some of the burdens of mining in the terrestrial environment. Careful and responsible planning of deep-sea minerals mining needs to apply the Precautionary Principle, and consider the other sectors and in particular future generations.“

Nun muss man dem UNEP bzw. Herrn Prokosch zugutehalten: Er warnt vor den Eingriffen in die Tiefsee und fordert ein Vorgehen nach einem umfassenden Vorsorgeprinzip. Trotzdem war ich heute Abend erst einmal baff. Was soll diese Forderung? Gibt es nicht in den anderen fünf Sektoren erst einmal ausreichend Entwicklungspotenzial? Eine solch unbekannte Region wie die Tiefsee sollte meiner Meinung nach erst einmal der Wissenschaft exklusiv vorbehalten sein. Erst einmal sollten wir doch Erkenntnisse gewinnen, was dort unten los ist, bevor wir das Terrain gleich zur Plünderung frei geben. Zumal die Folgen dieser Eingriffe ja vollkommen unbekannt sind. Und welche Konsequenzen missglückte Eingriffe haben, hat das BP/Deep Water Horizon-Unglück im Golf von Mexiko ausreichend gezeigt.

 

Steuergelder für das Plündern der Ozeane

Pünktlich zum Fest hat Greenpeace eine spannende Studie zum Thema Überfischung vorgelegt: Es ist eine Fallstudie am Beispiel der „Pelagic Freezer Trawler Association„, einem Verband, in dem sich neun Fischereiunternehmen zusammengeschlossen haben, darunter auch deutsche Firmen.

Nach Informationen der Organisation Profundu im Auftrag von Greenpeace erhielt der Verband mit seinen 34 Schiffstrawlern in den Jahren 1994 bis 2006 mehr als 45 Millionen Euro Subventionen. Hinzu kommen die Fischereilizensen, die die EU erwirbt, damit die europäische Flotte etwa vor der Küste Westafrikas fischen darf. Jedes Schiff (!) wurde demnach mit 26,4 Millionen Euro in den Jahren 2006 bis 2011 unterstützt – mit Steuergeldern. Und dann erhält die Flotte noch diverse Steuererleichterungen, unter anderem auf den Schiffsdiesel.

Der Verband widerspricht der Darstellung – leider gibt es die Pressemitteilung nur auf niederländisch.

Copyright: Greenpeace
Copyright: Greenpeace

In den Niederlanden und Deutschland – in Bremerhaven – hat Greenpeace die Zahlen genutzt, um die Trawler zu brandmarken. Auf die Schiffswand dieser schwimmenden Fischfabriken pinselten Aktivisten die Zahl 20.000.000 Euro.

Es ist sicherlich eine Aktion, die in Afrika aufmerksam verfolgt wird. Dort sind gerade die Fischereiabkommen mit der EU heftig umstritten. Klar, auf der einen Seite spülen sie Millionen jährlich in die Staatskassen von Ländern wie Marokko oder Mauretanien. Doch das Geld versickert oft im Regierungsapparat, die Hoffnung von Brüssel, dass es am Ende den lokalen Fischern zu gute kommt, geht oft nicht auf. Für MARE habe ich das Thema einmal ausführlicher recherchiert.

 

 

 

Schwertfisch droht ähnliches Schicksal wie bedrohtem Blauflossenthunfisch

In Istanbul ist an diesem Wochenende das ICCAT-Jahrestreffen zu Ende gegangen. ICCAT sagt Ihnen nichts? Da sind Sie nicht allein, mir ist die Abkürzung auch erst geläufig, seitdem ich mich mit dem Thema Überfischung befasse. ICCAT ist die Internationale Kommission zum Schutz des Atlantik-Thunfischs, eine Organisation, in der vor allem Regierungsvertreter und Wissenschaftler aus mehr als 40 Fischereinationen sitzen.

Schwertfisch
Copyright: Slowfood

Doch in Istanbul drehte es sich diesmal nicht nur um den Blauflossenthunfisch, dessen Bestände dramatisch überfischt sind. Sondern auch um den Schwertfisch. Dessen Bestände im Mittelmeer stehen kurz vor dem Kollaps. Jedes Jahr werden rund 12.000 Tonnen aus dem Meer gezogen.

Das Problem ist: Es fehlt an sämtlichen wichtigen Daten, vor allem gibt es keine Zahlen über die Flottengröße. Und bislang auch keine Mindestgröße für den Fang. Das bedeutete in der Vergangenheit, dass fast jeder Schwertfisch im Fangkorb landete – auch solche Exemplare, die noch nicht einmal geschlechtsreif sind und für Nachwuchs sorgen können.

In Istanbul hat sich nun die Kommission darauf geeinigt, dass nur noch Schwertfische mit einer Mindestgröße von 90 Zentimetern gefangen werden dürfen. Das allerdings passiert kaum in der Fischerei, wie unter anderem dieses Video von Slowfood zeigt. Ab 2013 soll es zudem einen Fischerei-Management-Plan für Schwertfisch geben.

Die 90 Zentimeter mögen vielleicht nach ganz schön großen Prachtexemplaren klingen. Die Umweltschutzorganisation WWF warnt allerdings davor, dass die Tiere erst mit 140 Zentimetern geschlechtsreif sind. Sie ist „tief enttäuscht“, dass sich die Kommission keine ambitionierteren Ziele gesetzt habe.

Kleine Fortschritte gab es allerdings auf dem ICCAT-Meeting beim Blauflossenthunfisch: Erstmals sollen jetzt die Fangmengen digital erfasst werden. Bislang gab es nur ein veraltetes Erfassungsschema, das viel Platz für illegalen Fang ließ. Eine Studie der Pew Environment Group zeigte etwa vergangenen Monat, dass 140 Prozent mehr Thunfisch-Fleisch auf den Märkten ankam, als eigentlich per Quote erlaubt war.