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Meer ohne Fisch

 

© VINCENZO PINTO/AFP/Getty Images
© VINCENZO PINTO/AFP/Getty Images

Christian Schmidt, unser Bundesagrarminister, hat die Latte hochgelegt. Auch wenn er’s etwas sperrig formuliert hat, an dieser Stelle will ich ihn einmal zitieren: „Eine nachhaltige Fischerei ist der beste Garant, die Fischbestände in den Weltmeeren als wichtige Nahrungsquelle der Menschheit und Lebensgrundlage der Fischer unter Wahrung der biologischen Vielfalt auch für kommende Generationen zu sichern“, sagt der CSU-Politiker.

Zurzeit ist Schmidt in Brüssel, um am Montag und Dienstag mit seinen Amtskollegen die Fangmengen im Atlantik für das kommende Jahr festzulegen. Und zum ersten Mal gelten neue Regeln: Die Fischereiminister hatten sich ja bei der Reform der gemeinsamen Fischereipolitik nach langem Ringen 2013 darauf geeinigt, bis spätestens 2020 die Überfischung in europäischen Gewässern zu beenden. Ganz konkret bedeutet das: Die Agrarminister sollen sich an die Empfehlungen der Wissenschaft halten, wenn es um die Fangquoten der einzelnen Fischbestände geht. Es soll nur so viel gefischt werden dürfen, dass sich die Bestände erholen können. Bislang landen in Einzelfällen sogar Fische an Bord, die noch nicht einmal geschlechtsreif sind. 41 Prozent der Fischbestände in der EU gelten als überfischt. Für zwölf Fischarten empfiehlt die Wissenschaft sogar ein sofortiges Fangverbot.

Das Problem ist nur: Die praktische Umsetzung hinkt hinterher. Bereits Anfang Oktober haben sich die Agrarminister getroffen, um über die Fangquoten in Nord- und Ostsee zu beraten. Nach Angaben der Meeresschützer vom WWF wurden in mehr als der Hälfte der Fälle Empfehlungen ignoriert und zu hohe Quoten beschlossen. Das mag vielleicht gut sein für norddeutsche Fischer, aber schlecht für die Bestände. Und natürlich ist es Geldverschwendung, schließlich hat die EU-Kommission Millionen für die wissenschaftlichen Gutachten gezahlt. Je „publikumswirksamer“ Brüssel betont, die Überfischung zu stoppen, desto mehr wird Brüssel natürlich auch an seinen Taten gemessen. Und wenn die EU-Fischereiminister ihre Sonntagsreden ignorieren, dann bekommen sie irgendwann ein Glaubwürdigkeitsproblem. Insbesondere Herr Schmidt, der sich an seinem eigenen Anspruch messen lassen muss.

Entlarvend ist auch Seite 15 in einer Mitteilung der EU-Kommission ans EU-Parlament und den Rat vom Juni 2014. Tabelle 4 listet dort auf, in wie vielen Fällen die beschlossenen Fangquoten der Minister über den Empfehlungen des Rats lagen. Seit Jahren ist die Entwicklung positiv: 2008 war die beschlossene Fangmenge 51 Prozent größer als die wissenschaftliche Empfehlung, im Jahr 2012 dagegen nur noch zwölf Prozent. Aber seitdem steigt sie wieder an: In diesem Jahr nach offiziellen Schätzungen der Kommission sogar auf 35 Prozent. Vor allem der Kabeljau-Bestand vor Schottland, Irland und im Kattegat ist akut gefährdet, aber auch der Hering vor Schottland. „Das ist ein besorgniserregender Trend und ein offensichtlicher Rückschritt im Fischereimanagement“, warnt die Umweltschutzorganisation Oceana.

Und was kann Minister Schmidt nun tun? Die größte Befürchtung vom Meeresexperten wie Saskia Richartz von Greenpeace ist, dass er sich in der Abstimmung nicht einmischt, wenn es um Bestände geht, die Deutschland nicht befischt. „Damit unterstützt er indirekt die Fischereipolitik von großen Fischereinationen wie Spanien und Frankreich, aber auch von Dänemark, Großbritannien und Irland.“ Greenpeace hatte im November in einem ausführlichen Report die 20 größten Fischtrawler Europas an den Pranger gestellt: Sie würden, unterstützt mit EU-Subventionen, allein wegen der Größe und der Fangmethoden besonders stark zur Ausbeutung der Weltmeere beitragen.