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E.on hilft RWE bei der Laufzeitverlängerung

Er ist das Sorgenkind von RWE, der Atommeiler Biblis. Nach dem aktuellen Atomgesetz müsste er in einigen Monaten wohl vom Netz gehen. Doch seit Schwarz-Gelb an der Macht ist, lockt die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Weil sich die Gespräche darüber allerdings hinziehen – ebenso wie das Energieszenario, das die Bundesregierung vorlegen will – hat RWE jetzt zu einem Trick gegriffen:

Der Konzern ersteht von seinem Konkurrenten E.On ein Stromkontingent für 4,8 Terrawattstunden. Es stammt aus dem 2003 stillgelegten E.on-Meiler in Stade. Damit kann ein Atomkraftwerk mit einer Kapazität von 1200 Megawatt rund sechs Monate arbeiten. Für RWE die optimale Lösung, wie das Unternehmen gestern in einer Pressemitteilung bekannt gab:

„Damit stellt das Unternehmen sicher, dass vor dem Vorliegen des Energiekonzeptes und einer im Koalitionsvertrag angelegten Rücknahme der Laufzeitverkürzung keine Fakten geschaffen werden.“

Einen Preis gaben die beiden Unternehmen nicht bekannt, aber E.on wird sich die kostbaren Terrawattstunden sicher gut bezahlen lassen. Auch der Energiekonzern EnBW hatte schließlich wegen seines Meilers Neckarwestheim Interesse an dem Stade-Kontingent gezeigt – am Ende aber nicht zugeschlagen, weil es sich wohl als zu teuer entpuppte.

Für die Energiekonzerne ist die Laufzeitverlängerung inzwischen zu einem riskanten Spiel geworden. Neben RWE hat auch EnBW die Leistung seines Meilers Neckarwestheim reduziert, um den Zeitpunkt des Abschaltens hinauszuzögern. Doch bis die Bundesregierung ein Energieszenario vorgelegt hat, können noch Monate vergehen.

Und selbst dann ist es der Ausstieg vom Atomausstieg noch nicht klar: Nach der gestrigen Landtagswahl in NRW wackelt auch die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat. Der müsste, so sieht es zumindest das federführende Bundesumweltministerium, ebenfalls einer Laufzeitverlängerung zustimmen. SPD und Grüne haben bereits bekannt gegeben, dass sie da nicht mitspielen werden.

 

Auch die Ostsee bekommt ihren 1. Windpark

Eine flotte Meldung aus der Windsparte. Vor einigen Tagen wurde ja mit viel Pomp der erste deutsche Offshore-Windpark in der Nordsee eröffnet. Jetzt zieht die Ostsee nach. Heute hat der Energiekonzern EnBW dort den Grundstein für Baltic 1 gelegt, einen Windpark mit einer Leistung von 50 Megawatt. Das 48-Millionen Euro-Projekt liegt vor der Halbinsel Darß-Zingst.

Im Gegensatz zu E.On und Vattenfall hat EnBW noch nicht so viel Erfahrung mit Offshore. Erst 2008 ist das Unternehmen in das Geschäftsfeld eingestiegen. Vier Parks mit einem Investitionsvolumen von rund 3 Milliarden Euro wollen die Baden-Württemberger in den kommenden Jahren realisieren, zwei in der Ostsee und zwei in der Nordsee.  Mal schauen, wie es mit solchen Plänen aussieht, wenn es zur Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke kommt. Vier Meiler betreibt nämlich EnBW – und produziert so allein die Hälfte des Strombedarfs von Baden-Württemberg.

 

Google investiert in Windfarm

Dass Google viel mehr als eine Suchmaschinenfirma ist, deutete sich ja schon Anfang des Jahres an, als sich der Konzern  eine Lizenz als Stromhändler besorgte. Jetzt hat das Unternehmen mehr als 38 Millionen US-Dollar in die Hand genommen und in zwei Windparks in den USA investiert. 169,5 Megawatt Leistung haben die zwei Windpark in North Dakota, etwa 55.000 Haushalte können damit versorgt werden. Es ist nicht das erste Öko-Engagement, Google hat bereits in kleine, aufstrebende Solarfirmen und Erdwärme-Projekte investiert.

Aber warum? Laut Wall Street Journal wird der Ökostrom nicht genutzt, um die gigantischen Server des Unternehmens zu versorgen. Für Google ist es offenbar vor allem ein gutes Geschäft, denn der Konzern kann dank des Investments leichter Steuern absetzen. Und für´s Image ist es sicherlich auch nicht schlecht…

 

Förderstopp für Solarkollektoren

Warum soll man im Sommer teures Gas dafür verschwenden, um das Duschwasser zu erwärmen – wenn draußen doch die Sonne umsonst scheint? Das ist – nun gut, a bisserl vereinfacht gesagt – die Idee von Solarkollektoren. Sie erzeugen warmes Wasser und nicht Strom. Ihre Installation auf dem Dach ist unkompliziert, bewährte Technik, alles für den Eigenverbrauch. Ein sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz.

Findet die Bundesregierung eigentlich auch. Doch gestern hat der Bundestag beschlossen, dass die Förderung von Solarkollektoren, Biomasseheizungen und Wärmepumpen in diesem Jahr gestoppt wird. 115 Millionen Euro Förderung fallen weg. Ein erneuter Rüffel für die erneuerbaren Energien. Auch Klimaschutzprojekte in den Kommunen sind betroffen.

Dabei war das Programm ein Renner. Allein im vergangenen Jahr wurden 253.000 Anträge bewilligt. Und jeder Euro ist gut investiert. Die 115 Millionen Euro lösen nach Angaben des Bundesumweltministeriums Investitionen in Höhe von 900 Millionen Euro aus.

Da kann man doch nur noch erstaunt sein, oder? Das Bundesumweltministerium hatte sich monatelang gegen einen Förderstopp gewehrt. Erneut wird Minister Röttgen ausgebremst – wie schon bei der Berechnung der Laufzeitverlängerungen für das Energiekonzept.

Dabei sind doch selbst im Koalitionsvertrag ambitionierte Klimaschutzziele festgehalten. Doch mit einer solchen unkoordinierten Energie- und Klimaschutzpolitik wird das wohl nichts. Die Solarstrom-Förderung wird gekürzt, Marktanreizprogramme laufen aus, Energieeffizienz-Standards werden völlig unambitioniert umgesetzt, der gestrige Elektroauto-Gipfel ist vor allem eine PR-Veranstaltung. Aber die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke – die steht…

 

ZEIT ONLINE Talk „Ökos 2.0“

Umwelt- und Klimaschützer zieht es ins Netz: Greenpeace bloggt über Demos und organisiert Aktivisten in seinem Portal GreenAction, Campact kann in Sekundenschnelle Atomkraftgegner über seinen E-Mail-Verteiler mobilisieren und Blogger Ole Seidenberg von der Agentur Nest kommentiert die Klimaschutzverhandlungen live vor Ort.

Wie verändert das Netz die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und Klimaaktivisten?  Und was genau machen Verbraucherportale wie Utopia und wie wichtig sind sie? Darum drehte sich heute der ZEIT ONLINE Talk auf Deutschlandradio Wissen, wo ich mit Vertretern von Greenpeace, Campact und dem Socialblogger Ole Seidenberg diskutierte.

Eines der Ergebnisse: Das Internet ist nur Mittel zum Zweck – es geht nicht nur darum, Onlinepetitionen zu unterschreiben, sondern am Ende die Leute zu mobilisieren, selbst aktiv zu werden.

Wer die einstündige Livesendung um 11 Uhr verpasst hat: Hier gibt´s den Podcast zum Nachhören…- auch ein kurzes Reinschnuppern von fünf Minuten lohnt ;-)

 

Und Putin räumt mit russischer Ölpest auf

Während die Welt auf den Golf von Mexiko starrt, wo die USA vor der wohl größten Ölpest ihrer Geschichte stehen, ist mir im Netz eine passende Meldung von der anderen Seite des Globus untergekommen.  Auch der russische Premier Putin hat sich des Themas angenommen. Bei einem Besuch der arktischen Insel Alexandraland, nur etwa 600 Kilometer vom Nordpol entfernt, erklärte er, dass Russland die Ölkatastrophen auf den ehemaligen Militärposten endlich beseitigen will. So Sowjetzeiten unterhielt Russland dort mehrere strategische Militärstationen, die mit Öl versorgt wurden. Nach dem Zusammenbruch der UDSSR gerieten sie in Vergessenheit – und vor allem für die Öllager interessierte sich niemand mehr. Sie rosteten vor sich hin. Schon seit Jahren  sickern Milionen Barrel von Öl unkontrolliert in die sensiblen Regionen, die durch den Klimawandel schon an sich arg gebeutelt sind. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte Putin:

„The decrease in military activity after the collapse of the USSR has left this dump which we see now. The pollution level is six times higher than normal. What we need to do now is to organize a sweeping cleanup of the Arctic.“

Tja, fragt man sich da nur: Ist das nun wirkliche Sorge um die kostbare Natur in dieser Eisregion? Kaum vorzustellen bei Putin, der sich bislang kaum um Umweltschutz scherte.  Wohl eher ist es auch mal wieder ein Kräfte Messen mit den USA: Seht her, Ihr habt da eine Ölkatastrophe, aber wir tun was. Und natürlich will Putin die Sorgen von Umweltschützern zerstreuen, die  Öl- und Gasbohrungen in der Arktis fürchten.

 

USA genehmigen 1. Offshore-Windpark

Nu also auch die Amis. Gestern hat die US-Regierung den ersten Offshore-Windpark namens „Cape Wind“ in amerikanischen Gewässern genehmigt. Gleich 130 Windrädern mit einer Leistung von rund 468 Megawatt sollen sich vor dem idyllischen Cape Cod an der Ostküste bald drehen. Nur zum Vergleich: Diese Woche ging Deutschlands erster Windpark mit zwölf Rädern offiziell ans Netz (hier eine tolle Fotostrecke von Alpha Ventus).
Einfach war das Genehmigungsverfahren in den USA nicht. Cape Cod ist der Sitz der Reichen und Schönen an der Ostküste. Die Kennedy-Familie hatte sich gewehrt, ebenso eine einflussreiche Industriellenfamilie und Tourismusvertreter, schreibt der Guardian.

US-Präsident Obama wirbt indes weiter für die erneuerbaren Energien. So langsam muss man sich allerdings fragen, ob das nicht einfach nur erfolgreiches Green Washing seiner Energiepolitik ist: Zugleich genehmigt er Millionenkredite für den Bau neuer Atomkraftwerke, erlaubt das umstrittene Offshore-Drilling nach Öl vor der Küste – und verschiebt nun auch noch sein Klimaschutzgesetz, auf das die Welt doch wartet…

 

Kohle-Emissionen in Real Time

Mal `was für´s Auge: Standen Sie schon einmal vor dem Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York? Er hat 39. Stockwerke und ist knapp 150 Meter hoch (etwas so wie der Kölner Dom) – ein riesiges Gebäude. Der amerikanische Grafiker Adam Niemann, der sich auf Umweltthemen spezialisiert hat, hat mit seiner Hilfe den Klimawandel einmal visualisiert: Kohlendioxid-Emissionen in Real Time: Die 2006 weltweit emittierten Klimagase würden allein in vier Sekunden sieben UN-Gebäude füllen. Hier sein kurzes Video:

 

Erneuter Rückschlag für US-Klimaschutzgesetz

Es wäre ein so wichtiges Signal für die internationalen Klimaschutzverhandlungen – doch die Chancen, dass die USA noch in diesem Jahr ein entsprechendes Gesetz verabschieden, sind erneut geschwunden. Am Wochenende entzog der republikanische Senator Lindsey Graham seine Unterstützung – er war auf republikanischer Seite der einzige Vorkämpfer für die Klimagesetzgebung und hatte seit Monaten in seiner Partei für Unterstützung der Pläne geworben.

Das Problem: Die Demokraten haben angekündigt, dass sie noch vor den mid-term-Elections im November eine Einwanderungsreform verabschieden wollen. Das ist Graham zu viel. Das US-Magazin Politico zitiert ihn:

“This comes out of left field,” said Sen. Lindsey Graham (R-S.C.), after hearing that Democratic leaders may now push immigration reform ahead of a climate bill. “I’m working as earnestly as I can to craft climate and energy independence, clean air and jobs, and now we’re being told that we’re going to immigration. We haven’t done anything to prepare the body of the country for immigration.”

Dass Graham verärgert ist, überrascht kaum. Zu offensichtlich wollen die Demokraten sich mit dem Einwanderungsthema Stimmen bei der großen Gruppe der Hispanics sichern. Und dass auf Kosten des Klimaschutzes…

 

Die tatsächliche Laufzeitverlängerung

Dass Ökostrom und Atomkraft sich nur schwer kombinieren lassen, ist ja mittlerweile bekannt. Auf der einen Seite die Schwergewichte der deutschen Kraftwerksszene – große, relativ inflexible Meiler. Auf der anderen Seite die Wind- und Solaranlagen: klein und flexibel.

Was aber passiert, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller vorankommt als geplant? Und wenn die Bundesregierung zugleich die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke durchzieht? Das hat das Aachener Institut für Sustainable Solutions and Innovation (ISUSI) für den Grünen-Abgeordneten Hans-Josef Fell einmal ausgerechnet.

Das Ergebnis: Entscheidend ist, auf welcher Basis die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung plant. Spricht sie eigentlich von Jahren oder Volllaststunden? Der Atomausstieg basiert ja auf Reststrommengen – umgerechnet auf Jahre mit Hilfe der Volllaststunden. Darunter verstehen Experten die Anzahl der Stunden im Jahr, die ein Kraftwerk voll ausgelastet laufen müsste, um eine bestimmte Jahresenergiemenge zu produzieren. Im Schnitt sind dies bei einem Atomkraftwerk etwa 8000 Volllaststunden im Jahr.

Das Konzept hat allerdings einen Haken. Es gibt, so sieht es das Erneuerbare-Energien-Gesetz vor, einen Vorrang für Ökostrom. Das heißt: Solarstrom oder Windstrom schlägt Atomstrom und darf zuerst ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Sprich: Eigentlich müsste man die Atomkraftwerke zurückfahren, weil die benötigte Strommenge ja von Solar- und Windräder produziert wird. In einem Hintergrundpapier zur Studie heißt es:

„Das Ergebnis ist, dass je länger die Laufzeiten verlängert werden, desto geringer wird die Zahl der jährlichen Nutzungsstunden.“

Und nun kommt der entscheidende Knackpunkt: Hält die Bundesregierung an ihrer Rechengrundlage Volllaststunden fest, würde das bedeuten, dass die Meiler länger am Netz bleiben, weil sie ja sozusagen Strommengen noch gut haben, die nicht sie, sondern die Ökostromanlagen produziert haben.

„Eine Angabe von 28 Jahren Laufzeitverlängerung auf Basis aktueller Jahresvolllaststunden (ca. 8000) dürfte in der Realität zur Folge haben, dass Atomkraftwerke bis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts laufen, bevor ihre Reststrommengen abgetragen sind.“

Das heißt: Es gibt eigentlich zwei Laufzeitverlängerungen: eine auf dem Papier und eine tatsächliche. Das jüngste Atomkraftwerk, das eigentlich rund um 2022 vom Netz gehen müsste, würde bei einer Laufzeitverlängerung um zwölf Jahre de facto 15 Jahre am Netz bleiben – ginge der Ökostromboom weiter wie bisher. Und bei einer Laufzeitverlängerung um 28 Jahre sogar 46 Jahre. Das jüngste Atomkraftwerk ginge also etwa erst um das Jahr 2067 vom Netz.

Ob das ISUSI-Institut nun richtig gedacht und gerechnet hat, wird sich erst in einigen Wochen zeigen. Vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wird es wohl kaum Konkretes zum Energieszenario geben, das die Bundesregierung gerade errechnen lässt – und das genau solche Fragen zur Laufzeitverlängerung klären will.