Als ich mir heute die aktuelle Studie Bodenlos – Negative Auswirkungen von Mineraldüngern in der Tropischen Landwirtschaft der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und des WWF ansah, musste ich an meine Heimat Norddeutschland denken. Die Studie macht auf die weltweite Überdüngung der Böden aufmerksam: Noch nie wurde weltweit so viel Dünger ausgebracht (nun gut, das ist wenig überraschend, noch nie mussten ja auch so viele Menschen auf der Welt ernährt werden). Gerade in Asien und Afrika gilt Dünger als einzige Möglichkeit, um die Erträge in der Landwirtschaft zu steigern und sich von teuren Nahrungsmittelimporten unabhängiger zu machen.
Innerhalb von 50 Jahren hat sich die Düngemittelproduktion verfünffacht, so die Studie. Sie liegt inzwischen bei mehr als 160 Millionen Tonnen im Jahr. Vor allem China hat den Düngereinsatz radikal gesteigert, inzwischen verbraucht es ein Drittel der weltweiten Menge.
Welche Folgen ein exzessiver Düngereinsatz hat, weiß man in Landkreisen wie Vechta oder Cloppenburg, den Hochburgen deutscher Massentierhaltung. Dort schrammen die Nitratwerte im Grundwasser immer wieder an den Grenzwerten knapp vorbei, es wurde schlicht überdüngt. Inzwischen versuchen die Landwirte dort, das Problem in Griff zu bekommen. Denn mit eintönigen Monokulturen wie Mais, die man schlicht mit Gülle übergießen kann, ohne dass sie eingehen, ist niemandem langfristig geholfen.
Die neue Studie warnt nun vor den Düngerexzessen in Afrika und Asien, also in Regionen, wo die Landwirtschaft extrem anders aussieht, aber ähnliche Probleme drohen. Die Regierungen einiger afrikanischer Staaten geben teilweise bis zu 70 Prozent ihrer Agrarhaushalte für die Subvention von Düngern aus. Mit nur mäßigem Erfolg, so die Autoren der Studie: Die Erträge mit Dünger ließen sich nicht nachhaltig und langfristig steigern.
Stattdessen habe der Düngereinsatz fatale Folgen. Für die Natur, aber auch die lokalen Wirtschaftsstrukturen: Auf der einen Seite laugten die Dünger langfristig die Böden aus, Stickstoff lasse sie versauern und der Humus werde abgebaut. Auf der anderen Seite gerieten gerade die kleineren Bauern in die Schuldenfalle. In 40 Jahren hätten sich die Düngerpreise um mehr als 250 Prozent gegenüber Nahrungsmitteln verteuert. Solange die Preissteigerungen beim Dünger nicht im Verhältnis stehen zu den Preisen, die sie für ihre Agrarprodukte erzielen können, machen sie ein Minus. Die Bauern geben einen großen Teil ihres Budgets für Dünger aus, die Zwischenhändler bauen sich Oligopole auf, die Kleinhändler werden verdrängt.
Was tun? Die Böll-Stiftung und der WWF sind radikal: Sie fordern das komplette Aus für die Subventionierung von synthetischen Düngern und eine Stärkung biologischer Düngungsarten, also von Kompost, tierischem Dünger, Gründüngung. Das mag auf den ersten Blick unrealistisch und nach zäher, jahrelanger Aufklärungsarbeit klingen. Doch wenn am Ende wirklich die profitieren, die derzeit unter den hohen Mineraldüngerpreisen leiden, also die Kleinbauern, könnte das der richtige Weg sein.