Es ist, mit Verlaub, ein lausiges Angebot: Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hat jüngst erzählt, welche Kennzeichnungsstandards für Gentechnik sich die US-Regierung im Freihandelsabkommen TTIP vorstellen könnte. Die Idee des US-Agrarministers Tom Vilsack, die während eines informellen Gesprächs aufkam: Verbraucher scannen einfach mit ihrem Handy den Barcode des Produkts – und wenn das Lebensmittel gentechnisch veränderte Bestandteile enthält, wird das via App angezeigt. Der Fairness halber muss man sagen: Es ist bislang kein offizieller Vorschlag. Der deutsche Agrarminister hat mit seinem amerikanischen Kollegen darüber gesprochen, am Ende aber verhandelt die EU-Kommission mit der US-Regierung. Weiter„Such die Gentech-Milch mit deinem Handy“
Die jüngsten Zahlen aus der Bio-Ecke lassen das Bundeslandwirtschaftsministerium einmal mehr Jubeln. Abgesehen von den USA gebe es kein Land auf der Welt, in dem sich Bio-Produkte so großer Beliebtheit erfreuen wie in Deutschland, sagte Minister Christian Schmidt (CSU) am Dienstag. Mit Bio-Produkten erwirtschafteten Unternehmer und Landwirte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 7,5 Milliarden Euro – ein Plus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Der Bio-Anbau macht inzwischen 6,4 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland aus. Gerade Rheinland-Pfalz, inzwischen ja rot-grün regiert, hat die Förderung für Öko-Anbau mächtig ausgeweitet. Die Fläche, die nach biologischen Kriterien bewirtschaftet wurde (keine Gentechnik, kein Spritzen), ist um ein Fünftel gestiegen. Weiter„Die Deutschen sind vernarrt in Bio“
Am Wochenende waren Deutschlands Gentechnik-Gegner alarmiert: Die Fastfoodkette McDonald’s hatte bekanntgegeben, ihren Zulieferern den Einsatz von gentechnisch verändertem Soja (GV-Soja) wieder zu erlauben. 13 Jahre lang hatte sich McDonald’s die Selbstverpflichtung auferlegt, auf Gentechnik im Hühnerfutter zu verzichten. McDonald’s ist nicht irgendwer, allein in Deutschland betreibt die Fastfoodkette mehr als 1.400 Restaurants. McDonald’s ist ein Großabnehmer in der Landwirtschaft, jedes Jahr verkauft die Kette allein mehr als 24.000 Tonnen Hühnerfleisch als Chicken Nuggets oder Chickenburger.
Irgendwie aber spricht der Konzern nur ungern über die Entscheidung. Ich rufe in Paris an. Gilt die Rolle rückwärts auch in anderen Ländern? In Frankreich hat eine externe Werbeagentur die Pressearbeit für McDonald’s übernommen. Die Dame ist sehr freundlich, aber auf die simple Frage: „Erlaubt McDonald’s Frankreich jetzt auch GV-Soja im Hühnerfutter?“, hat sie so schnell keine Antwort. Zwei Stunden später ruft sie nochmal an: Ob ich denn auch zu anderen Ländern recherchieren würde? Was genau ich schreiben wolle? Und ob ich schon in Kontakt mit der Europazentrale in London sei? Diesmal stellt sie die Fragen. Ein Antwort auf meine hat sie nicht, sie rufe noch einmal an. Das macht sie zwei Stunden später. Und verweist auf die Europazentrale. Sie dürfen nichts sagen.
London wiederum mailt mir abends um halb sieben ein Statement, das wiederum nur eine Übersetzung der deutschen Erklärung ist. In welchen Ländern McDonald’s das Verbot nun aufgibt, wird daraus nicht klar. Österreich bestätigt die Ausnahme, aber was ist mit Frankreich? Nachgefragt in London, nachts um halb elf kommt eine Antwort: Frankreich genießt weiterhin eine Ausnahme und bleibt gentechnikfrei. Die jüngste Lockerung „does not currently affect McDonald’s France. McDonald’s France still uses non-GM feed for their chickens“.
Liebes Management von McDonald’s, eine solche Informationspolitik ist ärgerlich, nicht nur für Journalisten, sondern auch für die Kunden. Wenn so viel über Transparenz gesprochen wird, dann bedeutet das nun einmal auch, den Kunden zu sagen, welche Art von Landwirtschaft man unterstützt. Auch wenn McDonald’s offenbar davon ausgeht, dass es die Kunden nur am Rande interessiert, wie das Essen in Burgern und Wraps produziert wurde.
Warum Frankreich an der Gentechnik-Freiheit festhält, darüber lässt sich erst einmal nur spekulieren. Vielleicht sieht sich McDonald’s Deutschland stärker im Preiskampf als Frankreich: Der Mindestlohn, die steigenden Energiekosten: Die Bereitschaft, für eine Tonne Gentechnik-freie Soja einen Aufschlag von etwa einem Viertel zu zahlen, ist offenbar nicht mehr da. Die französische Politik und Bevölkerung sind seit Jahren Gentechnik-kritisch eingestellt, erst vor zwei Wochen verabschiedete die Nationalversammlung ein Anbauverbot von Genmais. José Bové, der französische Gentechnikkritiker, der 1999 als Protest eine McDonald’s-Filiale zerstörte, findet als neuer Spitzenkandidat der Grünen im Europawahlkampf ebenfalls Gehör.
Die Formel klingt sperrig und bürokratisch: „Ökologische Vorrangflächen“. Dahinter verbirgt sich jedoch eine simple Idee. Die EU will künftig Flächen schaffen, auf denen die Landwirte der Natur ein wenig Ruhe gönnen. Es sollen kleine Inseln enstehen, ein paar Hektar groß, auf denen Feldvögel, Wildkräuter und Bienen relativ ungestört leben können. Damit will die EU verhindern, dass immer mehr seltene Tierarten aussterben. Fünf Prozent ihrer Ackerflächen sollen Landwirte künftig unter einen solchen Schutz stellen. „Greening“ nennt die EU-Kommission den Plan. Er soll bald Gesetz werden.
Doch nun gibt es Widerstand. Immerhin 23 Mitgliedsstaaten, darunter Frankreich, Polen, Italien und Spanien, haben einen empörten Brief nach Brüssel geschrieben. Darin wehren sie sich gegen eine Selbstverständlichkeit. Aus den ersten konkreten Formulierungsvorschlägen für das Gesetz geht hervor, dass Brüssel auf den Ökoflächen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln begrenzen und Dünger verbieten will. Die Flächen sollen schließlich dazu da sein, um die Natur und Artenvielfalt zu schonen.
Das sieht man in den Landwirtschaftsministerien in Paris oder Rom ganz anders. Die Ökoregel gehe gar nicht, heißt es in der Stellungnahme der 23 Länder. Die EU-Kommission verwässere damit eine politische Einigung, die die Agrarminister im Sommer getroffen hätten. Damals einigten sich die Mitgliedsstaaten auf die Grundzüge einer Agrarreform.
Dazu muss man wissen: Auf den Ökoflächen soll weiterhin Landwirtschaft erlaubt sein, vollkommen tabu sind sie nicht. Vor allem der Anbau von proteinhaltigen Pflanzen wie Mais soll möglich sein. Den 23 Staaten geht das schlicht nicht weit genug. Sie sagen: Wenn wir da schon anbauen dürfen, dann bitte auch ganz normal, mit Stickstoffdünger und Spritzpistole. Ihr Argument: Wenn sich die Kommission mit ihren Plänen durchsetze, würde „der konventionelle Anbau unmöglich gemacht“.
Kaum überraschend, dass Naturschützer gerade auf die Barrikaden gehen. „Werden Spritzmittel auf diesen fünf Prozent der Ackerflächen erlaubt, sind alle ernsthaften Bemühungen zu mehr Artenvielfalt in der Landschaft ausgehebelt“, sagt Josef Göppel, CSU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Deutschen Verbands für Landschaftspflege. Ganz absurd würden die Pläne der 23 Unterzeichnerstaaten, wenn man sich die Geldflüsse veranschaulicht. Denn die Ökoflächen sollen in den EU-Subventionen begünstigt werden und 30 Prozent der Direktzahlungen erhalten – um eben einen Anteil zur Artenvielfalt zu leisten. Mit Pestiziden und Stickstoffdünger wird das kaum möglich sein.
Die Bundesregierung zieht sich übrigens höflich aus der Affäre. Den Brief der 23 Aufständischen hat sie nicht unterzeichnet. Auf eine Anfrage von ZEIT ONLINE heißt es lapidar: „Deutschland gehört dabei zwar nicht zu den Unterzeichnerländern, unterstützt jedoch die grundsätzliche Zielrichtung, wonach politische Einigungen des EP und des Agrarrats respektiert werden müssen und nicht im Rahmen der Rechtssetzung umgedeutet werden dürfen.“
Die Ökobilanzen von Aquakulturen sind tricky. Auf der einen Seite entlasten sie die natürlichen Fischbestände: Aufzucht statt Überfischung. Auf der anderen Seite werden wertvolle Mangrovenwälder gerodet und Antibiotika eingesetzt, wenn es sich nicht um Aquakulturen mit Ökolabel handelt. Und natürlich müssen die Fische gefüttert werden. Das passiert in der Regel mit Fischmehl – und zwar in gigantischen Mengen. Allein 20 Millionen Tonnen kleine Fische werden jährlich nur gefangen, um sie zu Fischmehl zu verarbeiten. Das entspricht rund einem Viertel der weltweiten Fangmenge von Fischen und Meerestieren.
Das Fischmehl kommt etwa in der Lachszucht zum Einsatz. Ein Lachs von einem Kilo Lebendgewicht hat etwa ein Kilogramm Futter gefressen, davon etwa ein Drittel Fischmehl. Und um diese Menge Fischmehl herzustellen, braucht es etwa 1,2 – 1,5 Kilogramm Fisch.
Weil die Nachfrage nach Fisch aus Aquakulturen jährlich um etwa neun Prozent steigt, ist entsprechend Fischfutter auch begehrt. Für Länder wie Chile und Peru, in deren Gewässern jede Menge kleine Fische leben, die sich gut dafür eignen, ist es eine wichtige Einkommensquelle.
Und hier genau kommt Andreas Stamer aus der Schweiz ins Spiel. Der Mann arbeitet am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) im schweizerischen Frick. Weitab vom Meer hat Starmer vielleicht eine Alternative zum Fischmehl entdeckt: die Soldatenfliege, Hermetia illucens. Sie lebt in den Tropen, aber auch im Schwarzwald. „Ihr letztes Larvenstadium scheint von der Zusammensetzung her ideal geeignet für die Fischfütterung“, sagt Stamer. Das mit ihrer Hilfe produzierte Fischfutter hat also einen ähnlichen Proteingehalt. Die Fische wuchsen mit ihm genauso gut wie mit konventionellem Fischfutter. Und der Clou: Die Soldatenfliege liebt Lebensmittelabfälle aus der Biotonne und Kompost, sorgt also hier auch noch für weniger Abfall.
Stamer und sein Forschungsteam planen zurzeit im süddeutschen Raum eine Pilotanlage. Dort werden die kleinen Fliegenlarven gezüchtet, getötet, getrocknet und dann zu Insektenmehl verarbeitet, das auf einen Proteingehalt von 58 Prozent kommt. Auf EU-Ebene läuft ein Zulassungsantrag, Insektenmehl auch als Tierfutter einsetzen zu dürfen.
Stamer ist fest überzeugt, dass sich die Anlage rechnen wird, wenn sie einmal im großen Stil produziert. Lagen die Preise für Fischmehl vor etwa fünf Jahren noch bei etwa 500 Euro die Tonne, zahlen Fischzüchter inzwischen weit über das Doppelte. „Auf längere Sicht ist das Insektenmehl günstiger als Fischmehl“, sagt er.
Anmerkung 13.11.2013: Der Wissenschaftler heißt Andreas Stamer und nicht, wie ursprünglich geschrieben, Alexander Starmer. Ich habe einige Ergänzungen gemacht. Danke für die Hinweise, Herr Stamer.
Wer sich durch die Tabellen der Public Disclosure Commission in Washington klickt, einer Transparenzplattform für Lobbygeld, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Welche Millionensummen für Lobbying ausgegeben werden! Bestes Beispiel ist die jüngste Volksabstimmung im Bundesstaat Washington. Die Einwohner sollen über die erste verpflichtende Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in den USA entscheiden. Das fordert das Volksbegehren, die sogenannte Initiative 522. Bis zum 5. November läuft die Abstimmung.
Ein solches Genfood-Label wollen große Lebensmittel- und Agrarkonzerne verhindern. Laut PDG haben die Gegner inzwischen mehr als 21 Millionen Dollar investiert. Am stärksten engagiert sich der amerikanische Verband der Lebensmittelhersteller, die Grocery Manucaturers Association (GMA). Dem Spitzenverband der Lebensmittelindustrie gehören Firmen wie Coca-Cola, Nestle und Syngenta an. Die GMA investiert insgesamt fünf Millionen US-Dollar in TV-Spots, Anzeigen und Netzkampagnen, um die geplante Kennzeichnung zu verhindern. Ihre Befürchtung: Die Kennzeichnungspflicht stigmatisiert Genfood. Dabei würde Genfood zur Linderung der weltweiten Lebensmittelknappheit beitragen und dafür sorgen, dass die Lebensmittelpreise stabil bleiben.
Ähnlich argumentieren, kaum überraschend, auch die großen Konzerne in der Branche, die ebenfalls zu den Großspendern gehören: Der weltweit größte Agrartechnik-Konzern Monsanto hat bereits 4,5 Millionen Dollar gespendet. Der deutsche Bayer-Konzern ist mit seiner Sparte Cropscience mit knapp 600.000 Dollar dabei.
Natürlich sammeln auch die Unterstützer der Transparenz-Initiative Millionen ein, allerdings in sehr viel kleinerem Ausmaß, nämlich gerade einmal knapp sechs Millionen US-Dollar. Firmen wie die Biomarkt-Kette Wholefoods und der Bio-Seifenspezialist Dr. Bronners (nein, den kannte ich auch noch nicht) fordern die Kennzeichnung, um für mehr Transparenz zu sorgen.
Setzen sich die Befürworter des Labelings durch, wäre es die erste Genfood-Kennzeichnung in den USA. Die USA würden dann mit dem europäischen Standards gleichziehen – und auch mit dem entscheidenden Manko, dass etwa Milch, Fleisch und Käse nicht gekennzeichnet werden, wenn das Tierfutter gentechnisch verändert ist (und weil die Tiere größtenteils gentechnisch verändertes Soja essen, würden auf zahlreichen Produkte dann zukünftig ein „Enthält Gentechnik“-Stempel prangen).
Wie die Entscheidung Anfang November in Washington ausgeht, ist noch völlig offen. In Kalifornien, wo die Amis für gentechnikfreie und ökologisch produzierte Produkte recht aufgeschlossen ist, scheiterte die Abstimmung vergangenen Herbst.
Als ich diesen Report der britischen Supermarktkette Tesco las, musste ich daran denken, wie ich selbst Salat wasche. Auch bei mir landen die labbrigen Salatblätter im Müll. Offenbar bin ich mit solchen Wasch-Putz-Wegschmeiß-Gewohnheiten nicht allein. Für den Report Tesco and Societyhat der britische Konzern en detail aufgelistet, wie viele Lebensmittel an welcher Stelle weggeschmissen werden. Es ist das erste Mal, dass ein Lebensmittelhändler so tiefe Einblicke in die Mülltonnen gewährt. Unterstützt wurde die Aktion von dem Regierungsinstitut Wrap (Waste and Resources Action Programm).
Tesco hat die 25 am häufigsten verkauften Produkte aus seiner Lebensmittelabteilung über die komplette Lebenszeit analysierst, vom Anbau über die Verarbeitung bis zum Verbraucher. Bei Salat ist das Ergebnis besonders beeindruckend: 68 Prozent gehen insgesamt verloren. Mehr als zwei Drittel aller Salate werden also weggeschmissen: 17 Prozent sind es im Anbau, 15 Prozent in der Verarbeitung, ein Prozent im Verkauf – und eben 35 Prozent in der Küche des Verbrauchers.
Auffällig ist, wie sich die Abfallmengen in den unterschiedlichen Produktionsstufen unterscheiden.
Brot etwa schmeißt der Handel viel mehr weg als Obst und Gemüse. Vier Prozent sind es allein bei Tesco. Äpfel werden bereits zu einem großen Teil bei der Ernte aussortiert, gleich elf Prozent landen auf dem Müll. In der Regel ist der größte Lebensmittelverschwender der Verbraucher, zwischen zehn und 35 Prozent der Lebensmittel schmeißt er am Ende weg.
Solche Zahlen summieren sich auf. Erst am Montag warnte die Welternährungsorganisation FAO, dass jedes Jahr rund ein Drittel der Lebensmittel weggeschmissen wird. Das macht jährlich 1,3 Milliarden Tonnen aus – zum Vergleich: Ein klassischer VW Golf wiegt etwa eine Tonne. Zwei Milliarden Menschen könnten eigentlich jedes Jahr davon ernährt werden. Es sind außerdem enorme Werte, die im besten Fall in der Biotonne landen. Im Schnitt schmeißen wir jährlich Lebensmittel im Wert von 750 Milliarden US-Dollar weg.
Was tun? Auch wenn Tesco zu dem Schluss kommt, als Händler eigentlich das kleinste Problem in der Kette zu sein, hat sich der Konzern einiges vorgenommen. Salate will er etwa nicht mehr in Megapacks verkaufen, damit der Konsument nicht gleich den kompletten Packungsinhalt wegwirft, wenn gerade mal ein Salatkopf schwächelt. Die Einkaufswege der Bananen will er verbessern, damit nicht zu viele Früchte im Lager vor sich hin reifen. Die Zulieferer, also die Apfelbauern, sollen weniger Pestizide einsetzen und stattdessen auf ökologische Unkraut- und Insektenbekämpfung setzen.
Die Zahlen aus Großbritannien erzählen aber auch eine andere Geschichte. Das betont der Filmemacher Valentin Thurn, der vor zwei Jahren erstmals die große Lebensmittelverschwendung in dem Kinofilm Taste the wastedokumentierte und inzwischen ein Essensmüll-Fachmann ist. Addiert man die Lebensmittelverschwendung im Bereich Anbau, Verarbeitung und Handel, dann sind diese Anteile fast ebenso groß wie die des Verbrauchers. „Ein Großteil des Essens wird weggeschmissen, bevor es den Verbraucher überhaupt erreicht“, sagt Thurn. Die Studie sei eine Ohrfeige für Ilse Aigner, die dem Verbraucher in ihrer Informationskampagne den schwarzen Peter zuschiebe. „Bei der Lebensmittelverschwendung kommen wir nur voran, wenn wir begreifen, dass es nicht einen Bösewicht gibt, sondern dass es sich um eine geteilte Verantwortung handelt.“
Kaum ein Land in Europa geht derart verschwenderisch mit seiner Fläche um wie Deutschland, sagen Fachleute. Neben dem Lidl entsteht gleich ein Aldi, daneben am besten noch ein Fressnapf – und Parkplätze müssen auch her. Für Einkaufszentren, aber auch für Straßen, Windparks, Grünanlagen oder neue Wohngebiete werden täglich etwa 80 Hektar Fläche verbraucht, so das Umweltbundesamt. Das entspricht etwa einer Fläche von 116 Fußballfeldern, die täglich verloren geht. Zum Vergleich: In Großbritannien sind es gerade einmal 15 Hektar am Tag.
Die Bundesregierung will diesen Flächenfraß beenden. Bis zum Jahr 2020 sollen es nur noch 30 Hektar pro Tag sein, also fast die Hälfte. Denn der unbedachte Flächenkonsum hat seine Folgen: Weiter„Deutschland verschwendet Land“
Die Zahlenliebhaber des Statistischen Bundesamts haben sich in diesen Tagen ein ungewöhnliches Thema vorgenommen. Wie viel Wasser steckt in unserer Kleidung? Nach Brandkatastrophen in Bangladesch und teilweise unerträglichen Arbeitsbedingungen ist es ein weiterer Aspekt, um über Mode und unseren Konsum noch einmal nachzudenken.
Erstmals haben die Statistiker nun umfassend berechnet, wie viel Wasser wir eigentlich indirekt importieren, wenn wir Kleidung kaufen, die aus dem Ausland stammt (und wer bei H&M shoppt, der weiß, dass der Großteil importiert wird). Dafür haben sie sich die Wasserbilanz von Baumwoll-Kleidung und die Handelsstatistiken angeschaut.
Die Fachleute kommen für das Jahr 2010 auf einen Nettoimport von 6.371 Millionen Kubikmetern Wasser. Um das einmal einzuordnen: Das ist mehr als doppelt so viel, wie alle privaten Haushalte in Deutschland in dem Jahr verbraucht haben, fürs Kochen, Duschen oder Waschen, so die Statistiker. Unsere T-Shirts und Jeans, sie sind wahnsinnig durstig.
Der Wasserverbrauch ist deshalb wichtig, weil Wasser in den Produktionsländern ein knappes Gut ist. Je nach Standort müssen die Baumwollplantagen sehr stark künstlich bewässert werden (dieses Wasser nennt man „blaues Wasser“, im Unterschied zum natürlichen „grünem“ Wasser, dem Regenwasser).
Ganz anschaulich zeigt das diese Grafik: Indien kann seine durstigen Baumwollpflanzen vor allem mit Regenwasser versorgen, Usbekistan zapft dagegen Grundwasser, Flüsse und Seen an. Rund 8.500 Liter sind nötig, um ein Kilo Biobaumwollfasern herzustellen.
Welche Folgen das hat, zeigt bekanntlich der Aral-See in Usbekistan, einst der viertgrößte Binnensee der Welt. Er ist inzwischen zu großen Teilen eine Salzsteppe – wegen der massiven Wasserentnahme für die Baumwolle, die dort auch „weißes Gold“ genannt wird.
Was tun? Der Klassiker wäre Mode aus Biobaumwolle zu kaufen. Doch bei der Wasserbilanz hilft das kaum weiter, bei Bio geht es vor allem darum, wie die Pflanzen angebaut werden, wie viel Dünger und Pestizide nötig sind. Auch die Biobaumwolle ist durstig. Allerdings gibt es natürlich unterschiedliche Arten der Bewässerung. Überschwemmung der Felder oder gezieltes Bewässern. Davon weiß der Käufer allerdings kaum etwas, selbst wenn er bei H&M zum T-Shirt aus Biobaumwolle greift.
Als ich mir heute die aktuelle Studie Bodenlos – Negative Auswirkungen von Mineraldüngern in der Tropischen Landwirtschaft der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und des WWF ansah, musste ich an meine Heimat Norddeutschland denken. Die Studie macht auf die weltweite Überdüngung der Böden aufmerksam: Noch nie wurde weltweit so viel Dünger ausgebracht (nun gut, das ist wenig überraschend, noch nie mussten ja auch so viele Menschen auf der Welt ernährt werden). Gerade in Asien und Afrika gilt Dünger als einzige Möglichkeit, um die Erträge in der Landwirtschaft zu steigern und sich von teuren Nahrungsmittelimporten unabhängiger zu machen.
Innerhalb von 50 Jahren hat sich die Düngemittelproduktion verfünffacht, so die Studie. Sie liegt inzwischen bei mehr als 160 Millionen Tonnen im Jahr. Vor allem China hat den Düngereinsatz radikal gesteigert, inzwischen verbraucht es ein Drittel der weltweiten Menge.
Welche Folgen ein exzessiver Düngereinsatz hat, weiß man in Landkreisen wie Vechta oder Cloppenburg, den Hochburgen deutscher Massentierhaltung. Dort schrammen die Nitratwerte im Grundwasser immer wieder an den Grenzwerten knapp vorbei, es wurde schlicht überdüngt. Inzwischen versuchen die Landwirte dort, das Problem in Griff zu bekommen. Denn mit eintönigen Monokulturen wie Mais, die man schlicht mit Gülle übergießen kann, ohne dass sie eingehen, ist niemandem langfristig geholfen.
Die neue Studie warnt nun vor den Düngerexzessen in Afrika und Asien, also in Regionen, wo die Landwirtschaft extrem anders aussieht, aber ähnliche Probleme drohen. Die Regierungen einiger afrikanischer Staaten geben teilweise bis zu 70 Prozent ihrer Agrarhaushalte für die Subvention von Düngern aus. Mit nur mäßigem Erfolg, so die Autoren der Studie: Die Erträge mit Dünger ließen sich nicht nachhaltig und langfristig steigern.
Stattdessen habe der Düngereinsatz fatale Folgen. Für die Natur, aber auch die lokalen Wirtschaftsstrukturen: Auf der einen Seite laugten die Dünger langfristig die Böden aus, Stickstoff lasse sie versauern und der Humus werde abgebaut. Auf der anderen Seite gerieten gerade die kleineren Bauern in die Schuldenfalle. In 40 Jahren hätten sich die Düngerpreise um mehr als 250 Prozent gegenüber Nahrungsmitteln verteuert. Solange die Preissteigerungen beim Dünger nicht im Verhältnis stehen zu den Preisen, die sie für ihre Agrarprodukte erzielen können, machen sie ein Minus. Die Bauern geben einen großen Teil ihres Budgets für Dünger aus, die Zwischenhändler bauen sich Oligopole auf, die Kleinhändler werden verdrängt.
Was tun? Die Böll-Stiftung und der WWF sind radikal: Sie fordern das komplette Aus für die Subventionierung von synthetischen Düngern und eine Stärkung biologischer Düngungsarten, also von Kompost, tierischem Dünger, Gründüngung. Das mag auf den ersten Blick unrealistisch und nach zäher, jahrelanger Aufklärungsarbeit klingen. Doch wenn am Ende wirklich die profitieren, die derzeit unter den hohen Mineraldüngerpreisen leiden, also die Kleinbauern, könnte das der richtige Weg sein.