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Ausgerechnet Solarstrom dämpft Stromengpass

Ist das nicht verrückt? Ausgerechnet der oft geschmähte Solarstrom sorgt dieser Tage dafür, dass es in Deutschland nicht zu Stromausfällen kommt. In fast allen Artikeln, die heute über die 13 von ingesamt 17 abgeschalteten Kernkraftwerke berichten, wird Solarstrom aus netzstabilisierend genannt:

„Je nach Wetterlage konnten zuletzt gerade um die Mittagszeit, wo besonders viel Strom verbraucht wird, bis zu 13,5 Gigawatt (GW) Leistung aus Solaranlagen in das Netz eingespeist werden. Das ergibt sich aus Zahlen der Strombörse in Leipzig,“ schreibt dpa.

Auch die Stromnetzbetreiber verweisen auf Solarstrom in ihrer aktuellen Stellungnahme:

„Importe, verfügbare Erzeugung in Deutschland sowie der Beitrag der Photovoltaik können die fehlende Erzeugungsleistung im Sommer kompensieren.“

Solarstrom ist in Deutschland vor allem wegen hohen Vergütungssätze je produzierter Kilowattstunde umstritten. Wer sich dieser Tage eine kleine Solaranlage auf dem Dach installiert, erhält etwa 28 Cent/Kilowattstunde – und das garantiert für 20 Jahre. Zum Vergleich: an der Börse wird die Kilowattstunde für etwa fünf bis sechs Cent gehandelt. Kritiker fordern sogar eine Deckelung der Vergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, bislang konnte die Branche diese allerdings abwehren.

Ob Solarstrom zusammen mit Stromimporten die Stromlücke auch im Winter füllen kann, wird sich zeigen müssen. Solarstrom ist eben eine Sommer-Energie. Im Winter produzieren Solaranlagen in unseren Breiten zwar auch Strom – die Ausbeute ist aber wegen Schneedecken und grauem Himmel weitaus schlechter als im Sommer.


 

Londons ehrgeiziger Klimaschutz – mit Atomkraft

Berlin ist nicht allein. Themen wie  Energiewende, Ausbau der Erneuerbaren Energien  und die Reaktorsicherheit werden auch in anderen europäischen Metropolen derzeit heiß diskutiert. Unter anderem in London. Großbritannien hatte sich ja vor drei Jahren als erstes Land weltweit ein Klimaschutzgesetz gegeben, das vorschreibt, bis 2050 die CO2-Emissionen um 80 Prozent zu mindern. Nun wird es konkret. Bis 2025, also in nur 14 Jahren, will London die Klimagas-Emissionen halbiert haben. Kein anderes Industrieland hat sich bislang derart ehrgeizige Ziele gesetzt. Die Ankündigung des Ministers für Klimaschutz und Energie, Chris Huhne, war von heftigen Debatten begleitet. Wie die BBC berichtet, hatten die ambitionierten Pläne nur eine Chance, weil Greenpeace der Regierung mit einem Justizverfahren drohte, um die unrechtmäßige Einflussnahme seitens der Industrie zu untersuchen.

Wie sieht nun der britische Plan für die Energiewende aus? Im Unterschied zu Berlin setzt London weiterhin auf Atomkraft. Atom- und Ökostrom sollen jeweils auf einen Anteil von 40 Prozent am Strommix kommen, hat jüngst das Beratergremium Committee on Climate Change vorgeschlagen. Die deutschen Energiekonzerne RWE und E.on stehen bereits in den Startlöchern. Die Rivalen haben sich in Großbritannien zu dem Joint Venture Horizon Nuclear Power zusammengetan und hoffen auf den Bau von bis zu vier neuen Blöcken.

Energieminister Huhne lässt sich allerdings ein Hintertürchen offen. Die Regierung wolle die Atomkraft unter der Voraussetzung ausbauen, dass staatliche Subventionen nicht erforderlich seien, sagte er heute. Da kann man gespannt sein, wie das funktionieren soll…

 

Emissionshandel beschert Atomkonzernen Zusatzgewinne

Eigentlich – oder besser: theoretisch – ist der Emissionshandel ja eine feine Sache. Das Klimagas Kohlendioxid wird bepreist und jeder, der es produziert, muss  dafür Verschmutzungsrechte bezahlen. Doch die aktuelle Organisation des europäischen Emissionshandels führt zu zahlreichen unerwünschten Nebeneffekten.

Einer betrifft die Bilanzen der großen Energiekonzerne. Die konnten nämlich zwischen 2005 und 2012 zwischen 35,6 und 38 Milliarden Euro Mehreinnahmen verbuchen, hat jüngst das Ökoinstitut im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF berechnet. Wie das? In den ersten beiden Handelsperioden bekamen die Energieunternehmen die Zertifikate umsonst zugeteilt. Der CO2-Preis wurde aber aber gleich auf den Strompreis umgelegt, dieser stieg also an. Da aber die Produktionskosten für Strom aus Atomkraftwerken gleich blieben, nahm die Gewinnmarge der Atomkonzerne zu.

„Abkassieren und Jammern“ wirft der WWF den Stromunternehmen nun vor.  Er fordert eine Erhöhung der so genannten Atomsteuer, an der die Regierung bastelt. Diese soll  die Zusatzgewinne der Atomkonzerne abschöpfen  – und die Einnahmen hat Finanzminister Schäuble fest für seinen Haushalt verplant. Doch was aus der Kernbrennstoffsteuer in Zeiten nach Fukushima wird, ist noch völlig unklar. Offenbar überlegt die Bundesregierung sogar auch, sie zu kippen – ein Dankeschön an die Atomkonzerne für den geplanten Atomausstieg.

 

Energiewende konkret: Die Pläne der Bundesregierung

Gleich sechs Gesetzesvorhaben will die Regierung noch vor der Sommerpause auf den Weg bringen – na, dann mal ran! Hier ein guter Überblick von dpa:

Norbert Röttgen muss sich erst einmal von seinem Staatssekretär einen Zettel reichen lassen. Aus dem Stegreif kann auch der sonst so informationssichere Umweltminister nicht aufzählen, was da alles im Rahmen des Energiepakets am 6. Juni an Gesetzen vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll.

«Die größte Überraschung», setzt er schmunzelnd an, sei sicher, dass ein neues Atomgesetz kommt. Dann folgt in seiner Aufzählung ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz, eine Reform des erst kürzlich angepassten Energiewirtschaftsgesetzes, ein neues Baugesetzbuch, eine Reform des Ökoenergiefonds, Neuerungen zur Kraft-Wärme-Koppelung und Eckpunkte für eine Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Und wäre das nicht genug, könnte auch die Mietrechtsreform von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in das Energiepaket aufgenommen werden. Das ist aber eher unrealistisch. Denn es ist umstritten, dass Mieter in der Zeit energetischer Gebäudesanierung für drei Monate keine Mietminderungen mehr geltend machen können, der Mieterbund geht dagegen auf die Barrikaden.

«Fast alles, was mit dem beschleunigten Ausbau regenerativer Energien zu tun hat, hat räumliche Auswirkungen. Das betrifft also das Planungs- und Baurecht», sagt Bauminister Peter Ramsauer (CSU). «Deswegen ziehen wir die Aspekte, die diesem Ziel dienen, aus der derzeit laufenden Novelle des Bauplanungsrechts vor.»

Der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer warnt vor unausgegorenen Reformen und verweist auf das Gesetz zur unterirdischen Speicherung des Klimakillers Kohlendioxid. Dieses war zur Begleitung der Energiewende von der Regierung verabschiedet worden und beinhaltet wegen des Widerstands im Norden nun eine Länderausstiegsklausel. So können CO2-Speicherstätten torpediert werden. Zu diesem Gesetz sind wegen offener Fragen und strittiger Punkte über 50 Änderungsanträge im Bundesrat eingegangen, berichtet Krischer.

«Ich kann mich nicht erinnern, dass in einem solchen Tempo schon mal so ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht worden ist», sagt Krischer. Doch ob die Länder überall mitspielen? Beim Netzausbau sollen sie einer Bundesfachplanung zustimmen. «Damit entmachten sich die Länder ja selbst», sagt Verbraucherschützer Holger Krawinkel. Und Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) betont, es könne nicht nur um Offshore-Windkraft gehen. Bayern will nicht abhängig werden von Energielieferungen von der norddeutschen Küste und setzt daher auf heimische Energie aus Biogasanlagen seiner Landwirte, sowie auf Sonnenstrom und Windräder in heimischen Gefilden.

Was ist nun geplant? Ramsauer und Röttgen wollen einheitliche Kriterien für die Ausweisung von geeigneten Flächen für Windkraftanlagen in allen Bundesländern. Das Planungsrecht soll dafür angepasst und ein Leitfaden für die Kommunen vorlegt werden. Geplant ist der Austausch älterer Windräder durch neuere, leistungsstärkere. Zudem wird es um die künftigen Vergütungen gehen. Zum Ausbau der Anlagen auf See wurde beschlossen, Genehmigungsverfahren beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zu bündeln. Bisher mussten bei unterschiedlichen Behörden in zeitraubenden Verfahren Genehmigungen besorgt werden.

Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, betont, dass bei den Gesetzen das Prinzip Qualität vor Zeit gelten sollte. «Am Ende muss ein Gesetz stehen, das den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreibt und so einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergieenergie Dass der Bundesumweltminister jetzt eine Kürzung der Vergütung für Windenergie an Land vornehmen will, steht diesem Ziel entgegen», sagt Albers.

Auch beim Thema Biomasse will die Regierung neue Pflöcke einschlagen, etwa durch eine Begrenzung der Maismenge, die verwendet werden darf, um eine «Vermaisung» der Landwirtschaft und steigende Lebensmittelpreise zu verhindern. Und dann ist da noch ein Problem, das auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Sorgen macht. Da wohl mehrere der 17 Meiler sofort stillgelegt und die Laufzeiten verkürzt werden, könnten Milliarden der AKW-Betreiber im Ökoenergiefonds und bei der Brennelementesteuer fehlen.

Daher muss auch hier ein neues Gesetz her, die Neuverhandlung der Zahlungen dürfte für die Regierung zu einer besonders komplizierten Operation werden. In Koalitionskreisen wird es für wahrscheinlich gehalten, dass die Atomsteuer wegen des Atomausstiegs gekippt wird, was Schäubles Sparziele über den Haufen werfen könnte. «Bei der Energiewende hängt alles mit allem zusammen», seufzt ein Koalitionär ermöglicht. Dass der Bundesumweltminister jetzt eine Kürzung der Vergütung für Wind an Land vornehmen will, steht diesem Ziel entgegen», sagt Albers.

 

Atomausstieg: Industrienationen als Vordenker

Was sind das für Zeiten: Japan (drittgrößte Volkswirtschaft der Welt) und Deutschland (viertgrößte Volkswirtschaft der Welt) wenden sich von der Atomkraft ab und sehen ihre Zukunft in den erneuerbaren Energien. Anfang der Woche erklärte der japanische Premier, Japan wolle auf die Aufstockung der Atomkraftanteils am Energiemix von 30 auf 50 Prozent verzichten (Nun gut, das ist noch kein kompletter Verzicht, aber ein Anfang). Und Berlin bereitet ja gerade den Atomausstieg per Gesetz vor. Kaum überraschend, dass da der Guardian schon fragt: Wenn sogar Deutschland und Japan die Energiewende wollen – warum dann nicht auch andere Staaten? Dabei wurden Atomkraftgegner doch früher oft als lächerliche Utopisten dargestellt. Die Zeiten nach Fukushima sind andere…

 

Atomausstieg bedeutet Milliardenverlust für Energiekonzerne

Ein Ausstieg aus der Atomenergie wird für die vier großen Energiekonzerne ein milliardenschweres Verlustgeschäft. Bei einem Komplettausstieg bis zum Jahr 2015 (und eben keiner Laufzeitverlängerung) würden ihnen Gewinne in Höhe von 75 Milliarden Euro entgehen, schätzt Greenpeace. Würde der Ausstieg erst 2020 passieren, wären es immer noch 60 Milliarden Euro. Die Atomkraftgegner unterstellen, dass jeder Meiler einen täglichen Gewinn von rund einer Million Euro abwirft.

Mit solchen Schätzungen will die Umweltschutzorganisation die Bundesregierung auf harte Ausstiegsverhandlungen vorbereiten: „Die Manager und Lobbyisten der Atomkonzerne werden um jedes Jahr Laufzeit für ihre gefährlichen, aber profitablen Uralt-Meiler kämpfen“, erklärte Tobias Riedl, Atomenergieexperte bei Greenpeace.

Die Zahlen sind interessant – aber auch sehr gewagt. Denn viel zu viele Kenngrößen sind noch unbekannt. Liegt der Gewinn tatsächlich bei einer Million Euro? Niemand weiß das so genau, die Gewinnkalkulationen gehören zu den bestgehütetsten Geheimnissen der Branche. Das Ökoinstitut kam im vergangenen Jahr in einer Studie sogar auf noch höhere Gewinnspannen.

Zudem basiert die Schätzung auf dem theoretischen Fall, dass keine Störfälle in den AKW passieren und diese nicht vom Netz müssen – wie schnell das passieren kann, zeigt der Vattenfall-Meiler Krümmel.

Und noch wird in Berlin heftig diskutiert, ob es überhaupt ein festes Ausstiegsdatum geben soll, das für alle Meiler gilt, oder ob – wie bisher – für jeden Meiler Reststrommengen vergeben werden sollen. Dass E.on, RWE, Vattenfall und vor allem EnBW im Fall eines Ausstiegs aus der Laufzeitverlängerung Milliardenverluste verbuchen müssen, ist nichts Neues. Nur wie hoch diese sind, das kann heute wohl niemand seriös sagen.

 

AKW-Moratorium mit ungewünschten Folgen für Windstrom

Es gibt für Windmüller wohl wenig Frustrierenderes als Windräder, die sich trotz Sturm nicht drehen. Das könnte in Zukunft leider noch öfter passieren, wie heute die Bundesnetzagentur in einem Bericht schreibt. Denn das AKW-Moratorium führt zu einer paradoxen Situation. Es soll ja ein Zeichen für die Energiewende Deutschlands sein, also „Raus aus Atom, rein in Ökostrom“. Weil aber Deutschlands Stromnetzausbau nicht hinterherkommt, kann es zukünftig noch häufiger passieren, dass einige Windparks ihren Ökostrom nicht mehr einspeisen können. Denn die Stromleitungen, die wir haben, sind seit dem Abschalten von acht AKW noch mehr gefordert, den fluktuierenden Ökostrom hin- und herzuschieben. Dabei stoßen sie an ihre Grenzen. Und gewartet bzw. verbessert werden können die Leitungen nur schlecht, da dies nur möglich ist, wenn die Stromleitungen wenig ausgelastet sind.

„Durch die Abschaltung der 7+1 Kernkraftwerke ist eine stärkere Belastung der Nord-Süd und Ost-West-Trassen im Übertragungsnetz zu erwarten. (…) In Zeiten hoher Windstromeinspeisung ist bei drohenden Überlastungen im Übertragungsnetz auch mit einer Zunahme der Abschaltung von Erneuerbare-Energien-Anlagen nach § 11 EEG zu rechnen.“

Vor zwei Jahren verpufften übrigens laut Bundesnetzagentur nur 0,2 Prozent des produzierten Ökostroms ungenutzt, weil Windräder wegen Netzüberlastung abgeriegelt wurden. Überraschend wenig, wie ich fand – gerade wenn man noch die häufigen Klagen der Windmüller im Ohr hat. Die verweisen allerdings darauf, dass sich die Lage verschärft habe und dass es vor allem regionale Unterschiede gebe. In Schleswig-Holstein sei teilweise ein Viertel aller Windräder nicht am Netz. Die Windmüller erhalten eine Entschädigung für die verlorene EEG-Vergütung.

 

Öko-Institut: Import von Atomstrom ist nichts Neues

Gestern sorgte ja die Meldung für Furore, dass Deutschland seit dem Moratorium Atomstrom aus Frankreich importieren muss. Gerade auch hier im Blog wurde das ja kontrovers diskutiert.  Das Öko-Institut hat sich nun die Mühe gemacht und Deutschlands Import-Export-Bilanz aus den Jahren 2007 bis 2011 für die Monate März und April verglichen. Und siehe da, die Energieexperten kommen zu einem interessanten Fazit:

„Die Schlussfolgerung, dass ein Verzicht auf die Kernenergie notwendigerweise zu einer massiven Ausweitung der Stromimporte, und dazu aus Kernkraftwerken im Ausland führen muss, kann aus den Entwicklungen der letzten Tage und Wochen nicht belastbar gezogen werden.“

Gerade die Importe aus Frankreich und Tschechien sind ja umstritten, weil dort der Atomstromanteil besonders hoch ist. Deutsche Energieversorger haben allerdings auch in den vergangenen Jahren ähnliche Mengen französischen und tschechischen Strom eingekauft. Und inzwischen sinkt sogar bereits der Stromimport aus Tschechien.

„Das Niveau der Stromimporte aus Frankreich und Tschechien seit Verkündung des Kernenergie-Moratoriums ist jedoch im langjährigen Vergleich noch keineswegs exzeptionell, in Vorjahren wurden im März und April durchaus ähnliche oder höhere Niveaus für die Stromimporte aus den beiden genannten Ländern gemessen.“

Unter’m Strich bedeutet das: Deutschland importiert zurzeit vielleicht mehr Atomstrom – dass dies allerdings wegen des Atommoratoriums passiert, ist schwer zu belegen. Viel wichtiger ist: Es gibt keine Stromlücke (was ja die Atomstrom-Meldung intonierte). Selbst wenn Deutschland plötzlich keinen Strom mehr importieren könnte, würden die Lichter nicht ausgehen – dafür reichen unsere heimischen Kraftwerkskapazitäten aus. Ob wir Strom importieren, hängt einfach entscheidend ab von seinem Preis, von der Verfügbarkeit von Kraftwerken und natürlich von den Grenzkuppelstellen  (den Grenzübergängen im Stromnetz).

Wie sehr die Stromflüsse variieren, zeigt übrigens auch eine Analyse mit Hilfe der Internetseite der europäischen Übertragungsnetzbetreiber. Am heutigen Dienstag zwischen 10 und 11 Uhr war Deutschland unter´m Strich sogar ein Netto-Stromexporteur. Aus Frankreich wurde zwar Leistung in Höhe von 1517 Megawatt importiert – das entspricht etwa einem AKW. Zugleich hatten wir aber so viel Strom übrig, dass wir ihn an unsere Nachbarländer Schweiz, Österreich, Polen und Dänemark verkaufen konnten.

Zwei Stunden zuvor, um 8 Uhr, sah das Bild noch anders aus. Da versorgte uns Frankreich mit Leistung in 2156 Megawatt und wir mussten zudem noch Strom aus Dänemark und Österreich importieren.

 

Deutschland importiert jetzt mehr Atomstrom

Das Atommoratorium hat ungewünschte Nebenwirkungen. Seitdem sieben Atommeiler vom Netz gegangen sind, importiert Deutschland doppelt so viel Strom aus Frankreich wie bisher. Das hat der Bundesverband der Energie-und Wasserwirtschaft (BDEW) heute bekanntgegeben (pdf-Dokument in der rechten Spalte: „Analyse: Entwicklung von Stromerzeugung, Stromaustausch und Großhandelspreisen im März 2011“):

„Mit dem Herunterfahren der Kernkraftwerke kehrte sich dies um, seit dem 17. März ergibt sich ein Einfuhrüberschuss von rund 50 GWh/Tag. Die Stromflüsse aus Frankreich und Tschechien haben sich verdoppelt, die Stromflüsse in die Niederlande und in die Schweiz haben sich etwa halbiert.“

Das Problem: Frankreich setzt wie kaum ein anderes Land auf Atomstrom, zurzeit macht der Kernenergieanteil am Strommix fast 80 Prozent aus. Wenn Deutschland also – zumindest temporär – aus der Kernkraft aussteigt,  bedeutet das leider nicht, dass der zusätzliche Strombedarf bereits aus heimischer Wind-, Solar- oder Biomasseenergie gedeckt werden kann.

Und selbst wenn wir genügend Ökostrom produzieren würden – es fehlt an Stromleitungen. Gerade Süddeutschland, wo besonders viele Meiler zurzeit abgeschaltet sind, benötigt Strom. Windstrom mag es  jede Menge an der Nordsee geben. Aber es fehlt an Stromleitungen, um ihn gen Süden zu transportieren. Also wird Atomstrom aus Frankreich importiert.

Höchste Zeit also auch, dass die Bundesregierung endlich die Bürger darauf einstimmt, was die Energiewende für sie bedeuten wird: nämlich auf jeden Fall mehr Strommasten am Horizont.

Ergänzung 20:28 Uhr: Greenpeace kritisiert auf SPIEGEL ONLINE die Meldung des BDEW als „rein künstliche Debatte“:

„Andree Böhling, Energieexperte von Greenpeace, wirft dem Lobbyverband vor, eine „rein künstliche Debatte zu führen“. Es sei nämlich nicht so, dass in Deutschland die Kapazitäten ohne den Strom der abgeschalteten Alt-Meiler nicht mehr reichen würden. „Die gestiegenen Importe erklären sich vielmehr mit der Reaktion der Strommärkte, die sich immer mit dem günstigsten Strom versorgen – und der kann zeitweise auch verstärkt von Atomkraftwerken aus Frankreich kommen.“

 

Süddeutsche: Die Energie-Lüge

Patrick Illinger hat mir in seinem Leitartikel in der gestrigen Süddeutschen aus dem Herzen gesprochen. Überschrift: Die Energie-Lüge

„Wer seriös über Energie reden will, muss anerkennen, dass die wahren Kosten des globalen Energiehungers nie auf Stromrechnungen erscheinen, sondern von der Gemeinschaft getragen werden. Das ist nicht nur der Fall, wenn eine Ölplattform wie im Golf von Mexiko abbrennt oder ein Kernkraftwerk wie in Japan explodiert.

Energieverbrauch erzeugt ständig Kosten, die auf unterschiedlichste Weise beglichen werden müssen, oft auch mit Menschenleben. Hunderttausende Chinesen sterben jährlich an der Luftverschmutzung. Vor allem aber, und das ist die abscheulichste Art, die Kollateral-Kosten des heutigen Energiehungers zu verschleiern, werden Erblasten aufgehäuft: verbrauchte Ressourcen, verstrahlte Endlager, eine mehrere Grad wärmere Erdatmosphäre.